Die neue Spieloper

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Titel: Die neue Spieloper
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 628
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Brakl, Franz Josef: Moderne Spieloper, 1886, MDZ München
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[627] Die neue Spieloper. Auch die Operette findet neuerdings ihre begeisterten Apostel: allerdings nicht die von Frankreich herübergekommene Operette Offenbach’s, welche mit ihrer kecken Verspottung der alten Götter und Helden die Runde über alle Bühnen der Welt machte, sondern die neue Wiener Operette, diejenige der Milloecker und Strauß. Ein eifriger Vorkämpfer derselben, Franz Josef Brakl, sucht in seiner Schrift: „Moderne Spieloper“ (Franz’sche Verlagshandlung, München und Leipzig) nachzuweisen, daß diese Operette eigentlich nur eine Wiedergeburt der älteren Dittersdorf’schen Spieloper ist, und während er den Geigenkankan der Offenbachiaden preisgiebt, verherrlicht er die Wiener Operettendichter, theilt ihre Lebensbeschreibungen mit, ein Verzeichniß ihrer Werke, ihre Portraits, ihre Autographen, kurz er behandelt sie so gewissenhaft, wie König in seiner Litteraturgeschichte die altdeutschen Dichter. Es ist wahr, die neue Spieloper ist anständiger geworden, als die eigentlichen Offenbachiaden waren, in denen die hunderttausend Teufel des musikalischen Champagners schäumten und sprudelten, ihre lustigen Purzelbäume schlugen und dabei der guten Sitte oft genug ein Bein stellten. Gegen „Bettelstudent“ und „Feldprediger“ wird auch die strengste Sittenrichterei nichts einzuwenden haben; aber vor einer Ueberschätzung der ganzen Gattung, die weder in dramatischer noch musikalischer Hinsicht vollgültig ist, muß doch gewarnt werden: die großen Erfolge der Textdichter und der Komponisten stellen dem Zeitgeschmack kein günstiges Zeugniß aus. Seitdem auch die größeren Stadttheater ihre Pforten der Operette geöffnet und an ihren Kasseneinnahmen die bedeutende Zugkraft derselben schätzen gelernt haben, hat sie ein bedenkliches Uebergewicht auf dem Repertoire erhalten, und die begeistertsten Vorkämpfer derselben werden nicht in Abrede stellen können, daß dies Uebergewicht nicht dem Aufschwung unseres Bühnenwesens zu Gute kommt.

Was für wunderliche Blasen die Begeisterung für die Operette treibt, das erfahren wir aus einer Anekdote, mit welcher die Lebensbeschreibung des Walzerkönigs Johann Strauß ausgeschmückt ist. In einer Vorstadt Wiens lebte eine wohlhabende einfache Bürgersfrau, die kein größeres Vergnügen kannte, als Strauß’sche Tanzmusik zu hören, das hat sie in jeder Lage des Lebens heiter und zufrieden gestimmt. Doch ihr Strauß-Kultus reichte noch bis über ihren Tod hinaus; sie verfügte testamentarisch, daß bei ihrem Begräbniß die Strauß’sche Kapelle ihre Lieblingswalzer spielen solle, und bestimmte dafür jedem Musiker einen Dukaten. Dieser Auftrag war in so dringender entschiedener Weise ausgesprochen, daß die Erben trotz einiger religiöser Skrupel sich ihm nicht entziehen konnten. Johann Strauß erschien mit seiner Kapelle pünktlich zur angesetzten Begräbnißstunde im Hause der Verstorbenen. Nachdem der Geistliche oben die Einsegnung der Leiche vollzogen hatte, wurde der Sarg hinabgetragen und in dem geräumigen Hausflur niedergestellt. Die Musiker bildeten einen Kreis um denselben und spielten ihre Strauß’schen Walzer; dann erst wurde der Sarg aufgehoben und zur letzten Ruhestatt begleitet. Ohne Frage war jene Bestimmung ein wunderlicher Einfall, der mit den religiösen Gefühlen wenig im Einklang steht und die Operette an einer Stelle zeigt, wo sie wirklich nicht hingehört: am Sarg einer Verstorbenen.