Ein Invalide aus den Befreiungskriegen

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Textdaten
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Autor: Fr. Hfm.
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Titel: Ein Invalide aus den Befreiungskriegen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 184
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[184] Ein Invalide aus den Befreiungskriegen. Das vorige Jahr, in welchem Tod und Noth so Vieles in Deutschland vernichteten, ist auch für die ältesten und ehrwürdigsten unserer Kriegshelden, für unsere Invaliden von 1813 ein hartes gewesen; von vielen Seiten kamen die Nachrichten, daß da und dort einer der letzten ihrer Helden aus jener Zeit zur großen Armee abberufen worden sei. Aber immer tauchen auch wieder Nachrichten auf von allerletzten Greisenhäuptern, die einst auf den jungen Locken den Tschako mit dem Todtenkopf getragen oder als Sieger das Paris von 1815 gesehen. Und leider kommt es sogar dabei vor, daß von Armuth und Entbehrung solcher Alten wie von etwas Selbstverständlichem erzählt wird.

Zu diesen armen Ehren-Alten gehört auch der jetzt neunzigjährige Invalid und Taglöhner Karl Friedrich Salzer in Albernau, der am 6. Januar 1793 in Burkhardsgrün geboren und in seinem siebenzehnten Jahre zum Militär – eingefangen worden ist. Er erzählt nämlich, daß er den „Werbern“, welche ihn der Militärbehörde einzuliefern hatten, zweimal entwischt sei, das eine Mal, indem er durch das Stallloch in einem Gehöfte zu Zelle bei Aue kroch, das andere Mal durch einen Sprung vom zweiten Stockwerk desselben Gebäudes in die weiche Gartenerde; das dritte Mal faßten sie ihn beim Abendessen ab, nahmen ihm fast alle Kleider und führten ihn so sicher seiner Bestimmung zu.

Salzer diente ununterbrochen, ohne eine einzige Beurlaubung, elf Jahre sechs Monate, und zwar erst in der Infanterie, dann als Ulan und zuletzt im zweiten leichten Reiterregiment „Prinz Johann“. Während dieser Zeit wohnte er den Schlachten und Gefechten bei Dresden, Bautzen, Jauer, Jüterbogk, Großbeeren, wo er im Unterschenkel eine noch jetzt nicht geheilte Verwundung erhielt, und bei Leipzig bei und stand dann noch mehrere Jahre bei den Occupationstruppen in der Nähe von Lille.

Nach seiner Entlassung vom Militär ließ er sich in Albernau nieder, wo er von 1828 bis 1878 auf dem dortigen Freigut als Taglöhner arbeitete. Er hätte also im genannten Jahre sein fünfzigjähriges Taglöher-Jubiläum feiern können, wenigstens hätte die so lange Dienstzeit bei einem Hause öffentliche Anerkennung und Belohnung verdient, aber keins von beiden geschah. Er arbeitete weiter; denn er hatte auch schwer an häuslichen Sorgen zu tragen. Er war verheirathet und Vater von vier Kindern. Aus diesem Familienkreise starben ihm binnen sechszehn Wochen die Frau und drei erwachsene Kinder von achtzehn bis dreiundzwanzig Jahren: die Stützen seiner alten Tage. Nun lebt ihm nur noch eine Tochter, verheirathet und in kümmerlichen Verhältnissen. Aber helfen kann er ihr nicht mehr, seine Wunde von Großbeeren brach wieder auf, er mußte seine Taglöhnerdienste aufgeben und lebt seitdem von einer Invalidenpension von 10 Mark monatlich und einer Taglöhnerpension von wöchentlich 4 Mark, welche die Freigutsherrschaft ihm bewilligt hat.

Wenn auch dieser Alte von Anno Dreizehn sich vielleicht nicht als interessante Persönlichkeit auszeichnet, die einen Wirthstisch mit Kriegsberichten anziehend machen kann, so gehört er doch zu Denen, welche in jener großen Zeit mitgelebt, mit im Feld gestanden, mit für Deutschlands Befreiung vom französischen Joch geblutet. Auf den Besitz eines solchen Alten sollte der Ort, wo er wohnt, stolz sein; es sollte da Männer und Frauen geben, welche es für ihre Ehrenpflicht hielten, den Lebensabend eines solchen Alten möglichst gut und schön zu gestalten; eifersüchtig müßten sie darüber wachen, daß nicht Andere ihren Invaliden unterstützten. Das würde von einem Hochsinn zeugen, wie wir ihn so gern am deutschen Volke bewundern möchten. Man muß nicht allzu viel immer nur dem Staate zuschieben, wo die eigene Leistung eine so selbstlohnende, so ehrende ist.

Sie stehen Alle in den Neunzigern, die noch vom Heldenstamme der Befreiungskrieger übrig sind: bald wird man doch endlich den letzten begraben. Möge dann Niemand sich den Vorwurf zu machen haben, daß er gleichgültig und hartherzig genug war, um einen solchen Alten darben zu lassen. Fr. Hfm.