Ein Judenfriedhof

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Autor: Sophie Hoechstetter
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Titel: Ein Judenfriedhof
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aus: Vielleicht auch Träumen. Verse. S. 57–58
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1906
Verlag: Müller
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Erscheinungsort: München und Leipzig
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Quelle: Princeton-USA* = Commons, E-Text ngiyaw-ebooks
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[57]

EIN JUDENFRIEDHOF

Was ihr im Leben nicht suchtet, nicht kanntet,
Und was euch der Gott nicht gab,
An den ihr glaubtet, ihr Toten,
Das liegt nun über dem verlassenen Ort,

5
Wo euch die Erde wieder nahm,

Die euch nie Heimat war:
Die Schönheit.
Die Totenmale stehen still wie Wandrer,
Die dem Sturme trotzten.

10
Und ihr und eure Taten seid vergessen,

Doch eurem Staub erblüht
In Herbstes- und in Frühlingsblumen
Vom Sommerwind beseelt:
Die Schönheit.

15
Der Wind streicht über sommerhelle Gräser,

Die Nelken blühn im Sonnenglanz
Geschmiegt an eure grauen Steine.
Der Erde Grund ist lieberot
Und sehnsuchtsbleich

20
Vom Thymiane:

In Schönheit.
Der helle, helle Sommerhimmel grüßt herein
Und wie in bebender Lust
Zittert die Silberpappel.

[58]
25
Und der kronenschwere Wald

Sieht wie ein Mysterium des Schweigens
Zu euch herein:
In Schönheit.
Ihr armen Knechte der Welt, ihr Toten,

30
Zu euch ist nie ein Erlöser gekommen,

Der eure Augen und eure Herzen
Auftat und euch das
Evangelium gebracht hat,
Das Evangelium:

35
Der Schönheit.

Was ihr im Leben nicht suchtet, nicht kanntet,
Und was euch der Gott nicht gab,
An den ihr glaubtet, ihr Toten,
Das spricht zu mir an diesem alten Ort,

40
Wo ich so manchen Sommertag verträumt

Und weiter Fernen, ferner Zeiten dachte:
In Schönheit. –