Ein Todtenbaum (Volkssagen)
(Im Jahre 1121 hatten sich die Angehörigen des Grafen Hugo von Dachsburg gegen denselben empört. Da er sich allein nicht mächtig genug fühlte, sie wieder zum Gehorsam zurückzuführen, rief er den Herzog Berthold III. von Zähringen, den Erbauer Freiburgs, zu Hilfe. Gegen die Bürger von Molsheim kam es nun zu einem Kampfe, in welchem der Herzog das Leben einbüßte.)
Wo aus schwarzen Tannenwäldern himmelhohe Klippen ragen,
Donnernd des Gebirgs Gewässer an die Felsenrippen schlagen,
Kommt ein Männerzug geschritten auf des Pfades schmalem Saum,
Feierlich in seiner Mitten tragend einen Todtenbaum.
Bis von mondbeglänzter Halde ragt das Kloster zu St. Peter;
Vor dem hohen Thore stellen sie die schwere Bürde ab:
„Mönche, kommt aus euern Zellen; Euer Fürst begehrt ein Grab!“
Aus dem besten Schlafe ringen sich die Brüder nur verdrossen;
Und im hellen Mondlicht schauen sie, fast dünkt es ihnen Traum,
In der Männer Kreis den rauhen Stamm von einem hohlen Baum.
„Sagt, was führt Euch her? Was bringt Ihr da für einen Baum getragen?“ –
„„Dieser Stamm birgt einen andern, der auch nimmer aus wird schlagen;
Herzog Berthold ist’s der Dritte, der in diesem Baumsarg ruht.““
„„Ueberm Rhein, bei Molsheim, ist er gestern in der Schlacht gefallen,
Durch die bischöflichen Knechte, und es war sein letztes Lallen:
Schaffet, Freunde! meine Leiche in St. Peters Gotteshaus,
„„So empfangt die Euch vertraute, des geliebten Fürsten Hülle,
Der die freie Burg erbaute und begabt’ mit Segensfülle;
Laßt uns nun vereint ihn senken in den gottgeweihten Raum,
Aber gebt zum Angedenken uns zurück den Todtenbaum.““