Eine Geburtstags-Gratulation

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Autor: August Freiherr von Seckendorff
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Titel: Eine Geburtstags-Gratulation
Untertitel:
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 8, S. 29–30
Herausgeber: Hermann Wimmer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
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Eine Geburtstags-Gratulation.

Es war ein herrlicher Herbstmorgen am Anfange des Oktober-Monats, freundlich lächelnd ging die Sonne auf, der Haushahn entstieg gravitätisch seinem Harem, um krähend den jungen Tag zu begrüßen, und der Garten, der hinter unserm Hause lag, belebte sich durch den Morgengesang der erwachenden Sperlinge, dieser deutschen Miniatur-Minnesänger. Kaum blickte der erste Sonnenstrahl auch in mein kleines Schlafcloset, als ich mich mit fröhlich bangem Herzen erhob; denn es war heute das Wiegenfest meines geliebten Papa’s, ein für unsere ganze Familie höchst festlicher Tag, an welchem Jeder sich bemühte, wie Thorwaldsen sagte: „zu leisten, was er kann.“

Sechs Wochen zuvor schon hatte ich meinen harten Kopf angestrengt, ihm einen möglichst kühnen Einfall abzupressen, und es gelang mir! Ich kam auf den genialen Gedanken, meines Vaters Tugenden zu besingen. Zwar hatte die parteiische Natur mich mit keiner poetischen Ader begabt, dennoch bestieg ich den Pegasus und fabrizirte als eilfjähriger Student ein zwölfversiges Gedicht, das in Knittelversen Dankbarkeit und Liebe ausdrücken sollte. Nach vierzehntägigem harten Kampfe war ich damit fertig und hatte meine kühnsten Erwartungen kühn übertroffen. Da es aber mein steter Grundsatz war, nie stille zu stehen, – denn wer stehen bleibt, bleibt zurück, wird Reaktionär, – wollte ich auch die vierwöchige Frist möglichst gut benützen.

Nicht genügte mir die deutsche Sprache, künstlicher sollte meine Geistesproduktion werden, und so beschloß ich denn, meine Poesie in die Sprache der Gelehrten, in die lateinische, zu übertragen. Obgleich mein guter dicker Präceptor sich alle nur erdenkliche Mühe gab, mich in diese Sprache mit Beihülfe eines ziemlich gut gediehenen Bambusrohres einzuweihen, war es ihm doch nicht gelungen, über meinen Gleichmuth zu siegen, und ich war in der lateinischen Stunde stets der Erste – auf der letzten Bank.

Dieser Umstand jedoch konnte meinen Entschluß nicht wankend machen; ich lateinisirte meinen Gesang und bat hierauf einen Unterlehrer, der mir aus bis jetzt noch unentdeckten Gründen absonderlich hold war, das Carmen von allenfallsigen sogenannten harten Stellen zu säubern. Er fand in den ersten zwei Versen deren dreiunddreißig und beschloß deshalb, die übrigen zehn Verse frisch zu übersetzen.

Nachdem ich also am Festtagsmorgen meine Toilette in Anbetracht des festlichen Tages möglichst geordnet hatte, beschloß ich mit großer Selbstzufriedenheit, meine Gratulation zu beginnen.

In der rechten Hand hielt ich einen riesigen Blumenstrauß, in der linken einen Teller mit einer niedlichen Torte, und darauf lag das verhängnißvolle lateinische Gedicht, zierlich zusammengerollt.

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Mein Herr Papa lag noch im Bette, als ich in dessen Schlafzimmer eintrat. Ich näherte mich demselben nun im feierlichen Schritt, überreichte ihm unter holdseligem Lächeln den Blumenstrauß, dann die Torte und zuletzt nahm ich die Papierrolle und begann salbungsreichst: „Pater amatus“ etc.

Man muß selbst Vater sein, um das überschwenglich glückliche Gefühl ermessen zu können, das Jeden beschleicht, wenn er von seinem künftigen Stammhalter lateinisch angeredet wird; darum nahm auch mein Vater seine silberne Brille ab und wischte sich eine Zähre der freudigen Rührung aus einem Auge: „Mein Sohn,“ begann er darauf mit bewegter Stimme, „meinen Dank für deine schöne Gratulation. Ich wünsche nur, daß sie dir ganz von Herzen geht, und bin in der That erstaunt über deine gewaltigen Fortschritte in der lateinischen Sprache. Ist dies auch wirklich dein eigenes Produkt?“

„Ja,“ erwiederte ich in einiger Verlegenheit – denn es war dies die erste Lüge an meines Vaters Geburtstag – „ja, ich habe alles ganz allein gemacht.“

„Fahre so fort, mein Sohn, das ist brav von dir,“ sagte mein Herr Papa, „und ich hoffe dann noch Freude an dir zu erleben.“ –

Jahre sind seit dieser Gratulation verflossen und immer noch bin ich nicht gewiß, was mein Vater damit sagen wollte: ich solle so fortfahren. Meinte er damit meine erste Lüge an diesem Tage oder meine lateinische Gelehrsamkeit? So viel aber ist gewiß, daß ich nach jenem Tage mich nie mehr der gebundenen Sprache bediente und lieber, wie man weiß – oft Ungereimtes schrieb.

Aug. Dorff.