Einige Merkwürdigkeiten aus dem Leben eines Fränkischen Landedelmanns
Der Hauptzug in dem Charakter des Herrn Truchses war seine besondere Achtung gegen Religion überhaupt, die bey ihm in Sinn und Denkart übergegangen war; ich meine, Frömmigkeit und Religiosität. Nachdenken, Disputiren über religiöse Wahrheiten war eine seiner Lieblingsneigungen. Dabey war er ausserordentlich tolerant; nichts weniger als Religionshaß war seine Sache. Die Familie bekennet sich zur Lutherischen Religion.
Capuziner, Carmeliten, Mönche von jedem Terminirorden hatten Einkehr bey ihm. Sie wurden allezeit mit Ehre und Liebe empfangen, und erhielten ein ansehnliches Allmosen an Geld. Nur selten vergaß es einer dieser Terminanten dem Herrn Truchses seine unterthänige Visite zu machen. Seine Religion war wirklich praktisches Christenthum. Er hatte im Gebrauche fast alle Sonn- und Feyertage beym Austritte aus dem Gottesdienste Geld unter die Armen auszuspenden;| und dieß wieder ohne besondere Rücksicht auf Religionsgenossenschaft. Von benachbarten katholischen Orten fanden sich allezeit viele Kinder ein; manche versäumten dabey an ihrem Orte Predigt oder Christenlehre, um sich nur die Mildthätigkeit des Herrn Barons zu Nutze zu machen. Ein gewisser katholischer Pfarrer der Gegend moralisirte einsmahl ganz besonders darüber. Die Liebe und Achtung seiner Dorfsunterthanen hatte er ganz. Noch nicht lange redete ich mit einem lieben Nachbar des Orts, und machte gelegenheitlich das Andenken seines seligen Gutsherrn in ihm rege, und sieh! ich merkte bald, daß der Mann etwas tiefer athmete, und daß ihm eine Zähre ins Aug trat. Es waren dieß auffallende Symptome einer noch ziemlich lebhaften Sehnsucht nach dem Verstorbenen. Als er einige Jahre vor seinem Tode auf die Cur nach Kissingen abging, war es ihm eine besondere Herzensangelegenheit, wie er sich unter Katholiken einen gemeinschaftlichen und lauten Gottesdienst mit seinem Gefolge und seiner Dienerschaft verschaffen möchte. Er rechnete auf die Erlaubniß der Wirzb. geistl. Regierung und hatte sich schon eine Orgel angeschafft. Allein jene blieb aus, und er mußte in einem stillen Bethause| mit den Seinigen der Andacht pflegen. Als etwas besonderes verdient noch angeführt zu werden, daß er den katholischen Asceten, Thomas von Kempis ins Teutsche übersetzte, und für Protestanten, hauptsächlich auch für sich brauchbar machte.Ich hatte ein Exemplar davon in Handen. Er ließ nur wenige für Freunde und Nachbarn abdrucken. Die benachbarten katholischen sowohl als protestantischen Pfarrer erhielten dergleichen. Seinem Glaubenssystem hat er darin nichts vergeben; jede katholische Glaubensspur ist verwischt, und der katholische Ascet trägt ganz das Gepräge des symbolischen Protestantismus. Vorsichtig war es immer von ihm, daß er kein Exemplar für das Publicum bestimmte, denn damahls gab es schon Berliner Recensenten, die ihn wohl nicht zum Besten dürften behandelt haben. Indessen macht dieß Unternehmen doch immer dem frommen Herzen des Herrn Truchses Ehre; und wirklich fühlte ich es selbst, vorzüglich beym Durchlesen der Vorrede zu diesem neugeschaffenen Thomas, mit welcher Herzenswärme er sie niedergeschrieben haben mochte. Es wäre also doch zu wünschen, daß in dieser Rücksicht der Herr Baron recht viele Nachahmer haben möchte.