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Festpredigt über 3. Joh. 15

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Textdaten
Autor: Hermann von Bezzel
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Titel: Festpredigt über 3. Joh. 15
Untertitel: aus Anlass der Eröffnungs-feier des neuen Vereinshauses „Luisengarten“ des Evangel. Arbeitervereins Würzburg gehalten am Sonntag, den 2. Juli 1911 in der St. Johanneskirche
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Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Siegfried Perschmann
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Erscheinungsort: Würzburg
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Quelle: Commons
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Festpredigt
über 3. Joh. 15
Friede sei mit dir! Es grüssen dich die
Freunde! Grüsse die Freunde bei Namen!


aus Anlass der Eröffnungs-Feier des neuen Vereinshauses „Luisengarten“ des Evangel. Arbeitervereins Würzburg


gehalten am Sonntag, den 2. Juli 1911
in der St. Johanniskirche
von


Oberkonsistorialpräsident D. Dr. von Bezzel




Der Reinertrag wird teils für den Evangelischen Arbeiterverein Würzburg teils für die zu erbauende evangelische Kirche in Heidingsfeld verwendet.



Würzburg 1911.
Siegfried Perschmann.


|  Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes, die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit Euch allen!

 Der Text, den wir unserer Predigt zugrunde legen, findet sich im 3. Johannisbriefe als der 15. Vers:

„Friede sei mit Dir! Es grüßen Dich die Freunde!
Grüße die Freunde bei Namen!“

 Ein Freuden- und Ehrentag ist für Dich, teuere Gemeinde Würzburg, mit dem heutigen Sonntag heraufgezogen. In den reichen Kranz Deiner Liebeswerke, Deiner Häuser und Anstalten darfst Du ein neues Glied einfügen, weil heute Dein Vereinshaus, das so vielen bedeutsamen Arbeiten dienen soll, diesen übergeben werden wird. Ich gedenke dabei der Einweihung Deines Diakonissenhauses vor jetzt 19 Jahren, das unter dem Segen dessen, der den Seinen gibt, was recht ist, ein Brennpunkt der Liebe und ein Sammelort für viele Leidende und Arme geworden ist.

 In diese Freude grüßt ein unscheinbarer Brief des Mannes, dessen Namen dieses Gotteshaus zu Lehen trägt, an einen Freund, der kaum bekannt und genannt war. Aber der Schreiber dieses schlichten, scheinbar wenig bedeutenden Briefes ist ein Apostel Jesu Christi und der Empfänger sein Freund, beide geeinigt in der Liebe zum Ewigen und Echten und Großen. Viel tausend Briefe von mehr Geist und Gaben, so will uns bedünken, sind verloren gegangen. Was diesem so wenig scheinenden Brief das Recht des Fortbestehens zusichert, ist nicht der launische Zufall, der Bedeutendes vernichtet und Geringes bewahrt, sondern der Gotteswille, der Zeugnisse aus der Ewigkeit bis an die Ewigkeit hinüberrettet. Es sind drei Festgaben, die Johannes, der Jünger, der nicht stirbt, einen seiner dankbaren Schüler Dir heute darbringen heißt:

1. Der teuerste Wunsch: „Friede sei mit Dir!“
2. Der treueste Gruß: „Es grüßen Dich die Freunde!“
3. Die heiligste Verpflichtung: „Grüße die Freunde bei Namen!“

 Heilige uns, Herr, in Deiner Wahrheit, Dein Wort ist die Wahrheit! Amen.


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I.

 „Friede sei mit Dir!“ Wie unbedeutend und vielverbraucht klingt dieser Gruß! Man hat ihn viel tausendmal vernommen und gelesen und seiner nicht geachtet. Aber das fällt nicht ihm zur Last, als ob er erschöpft wäre und seine Kraft nicht mehr weite reichte, sondern denen, die ihn unterschätzen. Wer sieht es der Perle an, wieviel Mühe es gekostet hat, bis aus Meeresgründen mit Darangabe des eigenen Lebens der Taucher sie hervorgeholt hat? Ihr gleichmäßig stiller Glanz verrät nicht die an sie gewandte Mühe und Sorge. Wer denkt, wenn alljährlich die Friedensglocken durch die Lande läuten, an die schlaflosen Nächte und sorgenvollen Tage, an die Kämpfe und Kriege, an die mit dem teuersten Blute gefärbten Gefilde des Todes, aus denen als Segenssaat der Friede ersproß? – Da steigt aus den ewigen Höhen ungestörter Harmonie, aus dem Einssein mit dem ewig schönen und wahren Gott, als Fremdling Einer auf Erden nieder, um sein ganzes Wesen und dessen Wert, seine ganze Größe und deren Treue in dem Friedenswunsch darzureichen. Tausende sind vor ihm durch das jüdische Land gezogen und haben den landesüblichen Gruß dargeboten, aber bei ihm war der Wunsch Tat und die Gabe wesenhaft, er schenkte, was er wünschte, und tat, was er verhieß. Die ihn aufnahmen, empfingen Gewalt, mitten im Streit des Lebens Frieden zu haben und zu halten. Damit aber die Fülle des Friedens in ihrer Gottvölligkeit erscheine, wagte er sich, ohne seiner zu achten, in die Friedlosigkeit der Angst und in die Nacht der Enterbtheit, schied sich von dem Urquell seines Lebens, ward von seinem Vater verlassen, litt Schmach für Ehre, Not für Kraft, Armut für Besitz. An seinem stillen Grabe, im einsamen Garten, an dem die Schmähung verstummte und nur die Liebe wohnte, blühte die große, selige Gabe des Friedens auf, und der dem Tode Entnommene und aus der Hölle der Friedlosigkeit Entronnene schenkte seinen Frieden, den erkämpften, erprobten und erfahrenen. Mit dem weltunbekannten Fischer am See Genezareth, mit dem armen Zöllner vor den Toren einer Kleinstadt, mit dem großen Denker bekennen alle, die seine Erscheinung lieb haben: Er ist unser Friede. Daß nur aus Kampf Friede erwächst und nur aus Streit die wahre Stille kommt, ist fortan so gewiß, wie die Tatsache, daß die Heimat nur in der Fremde erworben und die Gottesnähe nur aus der Gottesferne geschenkt wird.

 Was aber aus dem Kampf geboren ist, ruft in den Kampf. Teure Gemeinde, es ist zunächst ein Kampf der Sorge mit der Pflicht, in den Du heute Dich begibst. Zu Deinen mannigfachen Leistungen hast Du eine neue, nicht unbeträchtliche auf Dich genommen. Es ist jetzt vergeblich zu fragen, ob die Last so groß werden mußte, sie ist da und will und soll getragen sein. In den Widerstreit von Fragen und Sorgen, von Bedenklichkeiten und deren Beschwichtigung fällt der Wunsch des treuesten Sorgenherrn herein: „Friede sei mit Dir!“ Er hat die größte Sorge um Dich und Deinen bleibenden| Bestand zu der seinen gemacht und seine Ehre für Dich und Dein Leben verpfändet, so will er auch die kleinen Mühseligkeiten, die Du in seiner Nachfolge auf Dich nehmen willst, zur Ewigkeits- und Reichssache erheben. „Alle Euere Sorgen,“ läßt er Dich durch seinen Apostel heute bescheiden, „wirf auf meinen Vater, Er sorgt für Dich.“ Mit treffsicherer Hand sollst Du die schweren Bedenklichkeiten und mancherlei Nöte auf den werfen, der in der Last am ersten gefunden und durch die Last am meisten geehrt wird. Es ist nicht löblich, in kühnem Wagnis eine Arbeit zu beginnen und in Kleinmut an deren Fortgang zu zweifeln, aber christlich ist es, seinen Herrn für all das innerlich interessiert zu glauben, was ihm zu Ehren geschieht. Dem Pfennig der Witwe, die aus ihrer Armut gibt, was sie vermag, gilt kein geringeres Wort als der reichen Spende des Besitzenden. Wohl ihnen, wenn sie beide das Zeugnis bekommen, daß sie taten, was sie konnten, – um in seinem Auftrag die Sorge zu mildern und den Weg zu ebnen!

 In tiefer beschäftigende Kämpfe führt weiter der Wunsch. Es ist dem Protestantismus eigen, immer wieder seinen Grund auf Haltbarkeit und Dauer zu prüfen, es ist die Pflicht des Lutheraners, nicht das Überkommene um deswillen zu wahren, weil dies leichter ist, sondern es erneuernd sich anzueignen und zu erleben. Es ist Ehre des evangelischen Christen zu glauben nicht in äußerlicher Anpassung an vorlängst Geschehenes, sondern in innerster persönlicher Zusammenschließung mit dem, der die Ewigkeit in die Zeit hereingebracht und die Zeit um den Preis der Ewigkeit sich erkauft hat. Wir wollen die großen, schweren, scheinbar gegensätzlichen Kämpfe in unserer Kirche unter den Wunsch des Friedensfürsten beschließen, der nicht gekommen ist, unsere laue Gleichgültigkeit mit dem Ehrenworte „Frieden“ zu schmücken, sondern der das Schwert gebracht hat, damit es durchdringe und scheide. Er hat dem Kampf gegen alles Unreine und Unechte nur einen Preis vorgestellt, die Wahrheit, wie er sie hat und wie sie ist. In diesem Kampf gibt es nur zwei Waffen, das Schwert zum Trutz, das klare, blanke Schwert des Geistes, und den Schild zum Schutz, den unangetasteten und unversehrten des Glaubens. Wir rechten nicht damit, wenn unsere Zeit das Schwert handlicher zu führen versteht, als eine vergangene, und den Schild besser zu handhaben weiß, als ihr Vater, wenn es nur der alte Schild und das ehrliche gute Schwert ist, mit denen unsere Väter die Wahrheit erkämpften, verteidigten und bewahrten. Geliebte Gemeinde! In den großen Fragen der Gegenwart gilt nur das Erglaubte, Erlebte, Erliebte: Gott schenke Dir für den Kampf um die Wahrheit ihren Schutz und aus ihm ihren Frieden!

 Über 100 Jahre hast Du in dieser schönen Stadt Heimatglück und Bürgerrecht genossen. Gott hat Dich annehmbar gemacht. Wo ihr, spricht der Herr Christus, in ein Haus eintretet, so sprecht: „Friede sei mit diesem Hause!“ Eingezogen in das Gemeindewesen, eingegliedert in seine Rechte und Sorgen, sollst Du, evangelische Gemeinde, als Gastgeschenk in seiner Erlebung, in seiner Bezeigung,| in seiner Ernsthaftigkeit und in seiner Freude Frieden bringen, nicht Gegensätze mehren aus Freude am Streit, nicht Gegensätze verschweigen aus Scheu vor dem Kampfe, sondern im innern Ernst des Dankens Dich zu allerlei Diensten erbieten, damit mans merke, evangelisches Leben sei wahres, dem Frieden geweihtes, zum Frieden führendes. Selig sind die Friedfertigen, weil sie aus Gottes Geist geboren, Gottes Kinder heißen und zu seinem Hauses geleiten!


II.

 Am heutigen Tage wird die evangelische Gemeinde in ihrem neuen Vereinshause viele Grüße empfangen. Man wird die soziale Bedeutung der in den Räumen zu treibenden Arbeit freundlich würdigen. Man wird ihr mancherlei Zeugnis ausstellen und manche gütige Prophezeiung zusprechen. Wir haben keinen Grund an der Wahrheit dieser Grüße zu zweifeln, wir unterschätzen ihre Bedeutung nicht. Wem Gott wohl will, mit dem macht er manchen zufrieden von dem ers nicht dachte. Aber wir überschätzen auch solche Grüße und Freundlichkeitsbezeigungen nicht. Menschengüte ist eben doch nur wie das im Felde blühende Gras und wie die Blume draußen auf der Wiese. Man freut sich ihrer Schönheit und ihres Dufts, ohne ihrer Vergänglichkeit zu vergessen.

 Da tritt mit dem Ewigkeitsbestand der Festgruß ein: „Es grüßen Euch die Brüder.“ Zuerst die Brüder und Väter, die, eine lichte Wolke, den Thron ihres erhöhten Königs umgeben und umglänzen. Wie könnten wir ein Fest feiern, ohne der teuren Heimgegangenen zu gedenken, die, hier im Frieden abgefahren, sich auch dort im Frieden freuen? Wie könntest Du, teuere Gemeinde, an einem Ehrentage die vergessen, die in stiller, beharrlicher Arbeit solche Tage heraufgeführt und hoffend erschaut haben? Ich erinnere Dich in dieser Stunde an Deinen alten Dekan Ackermann, dem Du in dankbarer Würdigung seiner Treue um Gründung und Bestand der Gemeinde das Grabmal gesetzt hast. Ich weise hin unter der großen Schar Deiner Geistlichen auf drei edle Namen: Fabri, Funk und Wiesinger. Der erste hat über ein Menschenalter hindurch mit sicherer, kundiger Hand den Weiterbau des Gemeindewesens gefördert, bestimmt und klar die Grenzen gezogen und die Grenzen verteidigt. Funk, der Mann edelster Vermittlung und wahrer Versöhnlichkeit, hat doch nie den Frieden um den Preis der Wahrheit erkauft. Und wenn Dein Dekan Johannes Wiesinger, den persönlich gekannt zu haben ich mich freue, nichts anderes dargeboten hätte als jene Festpredigt zum 300jährigen Jubiläum Deiner Universität, in der er eine überaus schwere Aufgabe mit ebensoviel Klugheit als Liebe löste, führwahr, er hätte Dich durch das mannhafte Bekenntnis zum Evangelium und durch die| weltweite Anerkennung der Verdienste anderer reich gemacht! Aus der großen Schar der Gemeindeglieder, denen das Bekenntnis zum Evangelium so teuer ward, daß sie Wert darauf legten, auch äußerlich ihm sich verbunden zu zeigen, nenne ich den edlen Grafen von Luxburg, den ritterlichen Bekenner seines Glaubens in Wort und Tat, dessen hohe Stellung durch seinen christlichen Sinn wahrhaft verklärt wurde, sodann den Arzt und Hochschullehrer von Bergmann, der seine höchste Kunst mit dem schlichten Bekenntnis zu dem wahren Arzt krönte und den Oberbibliothekar Dr. Kerler, der mit Hand und Herz seiner Gemeinde Bestes ersann und schuf. Wir glauben eine Gemeinschaft der Heiligen und wissen uns auch am heutigen Tage in ihrem Interesse und ihrer Sorge, in ihre fortgehende Teilnahme einbezogen und eingefriedigt. Denn Christi Werk reicht nicht bis an das Grab der Vergänglichkeit, sondern führt über dies Grab hinaus und rettet den vom Vergehen, der es unternahm.

 Und zu den ehrwürdigen Gestalten vergangener Tage scharen sich die Brüder, die noch mit uns auf dem Wege sind. Habe ich auch keinen Auftrag von dem um 7 Jahre älteren Arbeiterverein München, den Bruderverein heute zu grüßen, so bin ich doch weit genug durch das Kirchenwesen der bayerischen Lande gekommen, daß ich als ein Glied dieser Kirche mich berechtigt fühle und verpflichtet erkenne, sie als in der Freude der immer wieder spürbar werdenden Zusammengehörigkeit zu bezeugen und in die Festversammlung hineinzurufen: „Es grüßen Dich die Brüder!“ Diese Grüße sind nicht konventionelle Form, sondern Fürbitte, Handreichung, Werk und Tat. Du stehst nicht allein, Gemeinde Würzburg, mit Deinen Leiden und mit Deinen Fragen, Dich umgeben viele treue Fürbitten, auf Dich sehen viele segnende Augen, nicht nur prüfende und urteilende! Deine Sorge liegt Deiner Kirche an und Deine Ehre ist ihre Würde. Mit Dir beschäftigt man sich, ob Du in Ehren stehst oder ob Du leidest. Du sollst es wissen und mußt es glauben, daß es einen innerlichen Zusammenhang gibt, der in ebenen Zeiten weniger spürbar sein mag, um beim Hochgang der Ereignisse leicht erkennbar zu werden. Indem Du heute Deine Fürsorge, als wäre sie auf dies eine Werk beschränkt, dem neuesten Bau zuwendest, wie eine Mutter ihr jüngstes Kind am meisten liebt, wirst Du von einer Teilnahme, die weithin geht, getragen und unterstützt. Es soll Dir an Zuspruch nicht fehlen, an gutem Rat nicht gebrechen, es werden treue, brüderlich gesinnte Seelen Dir sich nähern, die Epistel spricht von einer Brüderschaft, die durch die Welt geht. – Wir trauern schwer unter der Zerrissenheit unserer Kirche. Aber so schwer kann sie uns nicht ausliegen, daß wir übersehen dürften, welche Kräfte brüderlichen Sinnes die Not herausruft und die Not bewahrt. Es grüßen Dich Brüder! Nimm den Gruß an! Er ist echt und treu, Du sollst es noch erfahren.


|
III.

 Wunsch und Gruß verpflichtet. Der Christ empfindet nichts für sich. „Gehe hin und sage es den Brüdern!“ Laß Dein Brot über das Wasser fahren, Dein Licht leuchten und Deine Salzkraft würzen! So ist die erste Aufgabe, die heute an Dich kommt: „Grüße die Brüder.“ Gib zurück, was Dein Gott Dir gibt, sei ein Glied im großen Ganzen Deiner Kirche! Es muß von Dir eine Kraft ausgehen, Du teure Gemeinde, an der sich Deine Nachbarn erquicken, von der Deine Töchter leben. Zentren evangelischen Lebens werden nicht dazu geschaffen, daß sie in Sattheit Vorrat auf viele Jahre aufspeichern, sondern daß sie ihr Brot brechen und den Dürftigen geben. Wenn das Licht in selbstgenügsamer Beschaulichkeit seine Kraft in sich niederbrennt, so verliert es für sich und hat anderen nicht Licht gespendet. Und wenn das Salz nicht würzt, was der Würze bedarf, und nicht bewahrt, was sonst der Verwesung anheimfällt, so wird es selbst dumm und Leute, die vergeblich seiner Kraft sich trösten wollten, zertreten es.

 Aber nur nicht dem Massenleid und der Obmacht des Elends mit gehäuftem Leben entgegentreten! Wird Gottes Geist und Gabe materialisiert und der Dienst aus ihr mechanisiert, so stumpft beides ab und nützt nicht und wird verworfen. Es graue uns vor dem Gedanken, daß der kranken Zeit eine Heilkraft in Massenhaftigkeit entgegengebracht werde und den aus tausend kleinen Sorgen aufgehäuften Sorgenbergen ein Massenglaube entgegentrete, der nicht die Verheißung hat, ihn in das Meer der Gnade hineinzubeten und -zuversetzen. Drum: „Grüße die Freunde bei Namen!“ Kraft, Weihe und Wert aller Seelsorge ist die persönliche, von Gesegneten zu Segensarmen, von Begnadeten zu Gnadenverlangenden hinreichende Teilnahme und Berührung. Wir müssen in der Münze, die im Staube entstellt und entwertet liegt, nachdem wir sie aufgehoben und ans Auge geführt haben, das Gepräge des Königs ersehen, der auch dieses ärmste Geldstück seiner Ehre würdig hält. Wir dürfen aus den tausend Dissonanzen des Lebens den Einzelruf des Kyrie eleison nicht überhören. Im neuen Hause der alte Geist! In der alten Gemeinde der neue evangelische Mut der Einzelpflege und der Einzelsorge! Noch hat der weglose Wanderer, der an die Tür klopft, das Recht des Persönlichen, noch ist die schmutzige, schwielige Hand des Verkommenen einem Menschen angehörig, für den ein Gott gelitten und gebetet hat, noch ist der Name letzter Anklang an Gnaden der Kindheit, letztes Angeld an Gnaden der Heimat. „Grüßt die Brüder bei Namen!“

 Der kleine bedeutungslos gehaltene Brief, der dritte des Apostels Johannes, schließt eine Weltweisheit höchster Art in sich. „Wer Gutes tut, der ist von Gott“, denn Gott ist das Gute, er erkennt es in seinem Herzen. Er schaut es aus seiner Ausgestaltung, zieht aus den besten Werken das Echte an und verwirft Schein und Gleißnerei. Wenn Du, teure Gemeinde, Gutes tust, so ist Dein Standort| nicht bei der flüchtigen Tagesmeinung noch im Wechsel und Wandel der Anschauungen, sondern fest gegründet bei dem, in dem lautere, gute Gabe sich findet. Du hast Dich dann um kein Urteil zu sorgen, das tadelnde darf Dir nicht schaden und das lobende kann Dir nicht nützen, mit Gott und bei Gott bist Du immer im Recht und in der Mehrheit. Gutes tust Du aber nicht, indem Du nur Anstalten gründest und Werke förderst, sondern indem Du Persönliches für Persönliches einsetzest, Kräfte entbindest, Gaben brauchst, alte erweckst und neue entbietest. – „Wer aber nicht Gutes tut, der hat Gott nicht gesehen und wenn er die höchste Theologie besäße und wüßte alle Geheimnisse und hätte alle Erkenntnisse.“ Wenn Du an Dir Dich begnügtest, so würdest Du nicht Einblick in das Wesen dessen getan haben, vor dem Geben seliger ist als Nehmen und bei dem der einzelne Mensch den Wert einer Welt bedeutet.

 Der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi segne Dich, evangelische Gemeinde mit ewigem und wahrhaftigem Segen! Er mache Dich echt, treu und wahr, er grüße Dich täglich bei Namen. Weil wir nun Zeit haben, lasse Er Dich Gutes tun an jedermann, allermeist an des Glaubens Genossen!

 Friede sei mit Dir, so bittet segnend der Friedensfürst heute in unserer Mitte, in seinem Gefolge grüßend und freudig bewegt die große Schar der Brüder und Bekenner. Wir schließen uns ihnen freudig an. Wir grüßen, und das bei Namen, und bitten: Laß solche Arbeit Freude und all’ unsere Freude wahre Arbeit sein!

Amen.




J. M. Richter’s Kgl. bayer. Hofbuchdruckerei, Würzburg.