Gefälschte und geborgte Kronen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Gefälschte und geborgte Kronen
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1914, Zweiter Band, Seite 230–232
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[230] Gefälschte und geborgte Kronen. – Nachdem in der Nacht vom 3. zum 4. Oktober 1910 König Manuel von Portugal aus Lissabon vor den Revolutionären geflohen war und diese am Tage darauf die Republik erklärt hatten, war es eine Hauptsorge der neuen Machthaber, schnellstens eine genaue Übersicht über die Finanzverhältnisse des Landes zu gewinnen, die infolge der jahrelangen Schuldenwirtschaft in schlimmster Weise zerrüttet sein mußten. Bei der Inventarisierung des Staatseigentums wurde auch die aus dem 17. Jahrhundert stammende portugiesische Königskrone, ein reich mit Edelsteinen besetztes Kleinod, herangezogen und mit einem Wert von etwa einer Million in das Verzeichnis eingesetzt, eine Summe, auf die einmal vor Jahren ein Sachverständiger sie abgeschätzt hatte.

[231] Im April 1911 versuchte dann die republikanische Regierung die Krone zu Geld zu machen. Man ließ daher den Pariser Juwelier Salange nach Lissabon kommen. Dieser erklärte jedoch nach kurzer Untersuchung, daß das auf eine Million taxierte Kleinod kaum einen Wert von 10 000 Franken habe, da nicht einmal mehr der Stirnreif, geschweige denn die Steine echt seien. Darob große Bestürzung. Als dann auch andere Fachleute ihr Urteil dahin abgaben, das Gold der Königskrone sei nur plattiertes Silber und die Brillanten Simili, konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß einer der letzten Herrscher Portugals, die ja sämtlich an chronischem Geldmangel litten, die echte Krone veräußert und dafür eine genaue Imitation hatte herstellen lassen. Diese unechte portugiesische Krone lagert noch heute in den Gewölben der Lissaboner Banca Republicana. Ein Käufer für sie hat sich bisher nicht gefunden.

Bietet die Geschichte Portugals ein Beispiel dafür, daß auch gekrönte Häupter in bedrängter Lage ihre Zuflucht zu nicht ganz sauberen Geschäften nehmen, so kann man wieder von einem englischen König berichten, der sich eine Krone zu seiner feierlichen Krönung regelrecht leihen mußte. Der nachmalige König Georg IV. war als Prinz ein sehr verschwenderischer Lebemann. Trotz seiner hohen Einkünfte häufte sich seine Schuldenlast von Jahr zu Jahr mehr an. In einem der vornehmsten Londoner Klubs verlor er am Spieltisch in einer Nacht allein 50 000 Pfund Sterling. Als er 1820 zur Regierung kam, borgte ihm niemand mehr einen Schilling. Trotzdem bestellte er zu seiner Krönung bei dem Juwelier Rundell in London eine Krone, die sieben Pfund wog und fast 3 Millionen Mark kostete. Sie bestand aus reinem Golde und war dicht mit Edelsteinen beseht. 1821 war dieses Prunkstück fertig, und nunmehr wurde der Tag der Krönung festgesetzt. Aber der vorsichtige Juwelier wollte das Kleinod nicht ohne Bezahlung hergeben. Nach längeren Verhandlungen wurde dann, da Georg IV. die nötige Summe nirgends auftreiben konnte, ein schriftlicher Vertrag geschlossen, nach dem Rundell dem König die Krone für den Tag der Krönung gegen eine Leihgebühr von 200 000 Mark überlassen wollte.

[232] So kam es, daß der Vorgänger der Königin Viktoria mit einer geborgten Krone gekrönt wurde. Diese wurde tatsächlich gleich nach dem feierlichen Akt von Angestellten des Juweliers wieder abgeholt.

Sehr bald drang das Gerücht von diesem merkwürdigen Leihgeschäft in die Öffentlichkeit. Doch niemand dachte daran, Rundell wegen dieser Vorsichtsmaßregeln, unter denen er seine kostbare Ware hergegeben hatte, zu verurteilen. Dazu sind die Engländer viel zu sehr Geschäftsleute. Man wollte sich aber trotzdem nicht vor dem Ausland noch mehr blamieren und eröffnete daher eine allgemeine Sammlung, angeblich zu dem Zweck, dem König aus Anlaß seiner Krönung ein hohes Geldgeschenk zu machen. Es kamen auch wirklich in einem halben Jahre nicht weniger als 4 Millionen Mark zusammen. Das Komitee, das die Sammlung eingeleitet hatte, bezahlte davon zunächst die Krone und überwies den Rest dem Herrscher.

Niemand war froher als Rundell, denn daß er ohne diese nationale Hilfe noch jahrelang auf sein Geld hätte warten können, wußte er nur zu genau.

Im Jahre 1831 wurde die Krone dann für die Krönung der Königin Viktoria vollständig umgearbeitet, da diese sich weigerte, den sieben Pfund schweren Herrscherschmuck zu tragen. In dieser neuen Gestalt befindet sich das denkwürdige Kleinod noch heute im englischen Kronschatz im Tower.

W. K.