Geschichte eines sonderbaren Erbschaftsgesuchs bey einer Fränkischen Gerichtsstelle

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Autor: Anonym
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Titel: Geschichte eines sonderbaren Erbschaftsgesuchs bey einer Fränkischen Gerichtsstelle
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 3, S. 696–706
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1791
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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III.
Geschichte eines sonderbaren Erbschaftsgesuchs bey einer Fränkischen Gerichtsstelle.
Den 26. Jul. 1756. erschienen bey der Kanzley zu B* Wolfgang Blincknecker aus Auroli-Münster, dann Klaus Baartbauer und Paulus Huber aus Markried in Bayern, mit dem Vorgeben, sie hätten vernommen: vor ohngefähr 200 Jahren wäre ein Officier, Raitinger mit Nahmen, im Durchzug dahier verstorben, und hätte das bey sich gehabte Geld daselbst hinterlassen, da nun sie drey von dieses Raitingers Freundschaft abstammten, so wollten sie sich erkundigen, ob und was an der Sache wäre. Der Grund ihres Vorgebens beruhte allein darauf: daß Blincknecker solches von seiner Mutter, einer Frau von 82 Jahren, diese aber von ihrer Mutter gehört hätte. Von Seiten der Kanzley wußte man weder von einem verstorbenen und daselbst begrabenen Officier, der über dieß ein General gewesen seyn sollte, noch von einer hinterlegten Erbschaft etwas. Was war also natürlicher, als diese Leute zu belehren, daß ein Irrlicht von falscher Sage sie auf diesen Fehlgang geleitet habe; auf ihr Andringen wurde ihnen| jedoch ein schriftliches Zeugniß gegeben, daß sie sich um die vorgebliche Verlassenschaft dahier gemeldet hätten.

Im folgenden Jahr 1757 lief ein Schreiben von Markried ohne Datum ein, worin sich die Aignerische Freundschaft zu der geträumten Erbschaft zu legitimiren trachtete, mit dem Angeben, der Erblasser habe nicht Raitinger, sondern Johann Aigner geheissen, wäre 1618 den 29 März geboren, und 1642 in Kriegsdienste, wüßten aber nicht in welche, getreten. Sie stützten sich auf den lügenhaften Umstand, als hätte hiesige Kanzley vor einigen Jahren nach Markried geschrieben, daß eine unnahmbare, doch sehr große Erbschaft einer Freundschaft unter dem Bad daselbst zuständig, vorhanden wäre. Man hatte in allen Todenregistern, auch der Nachbarschaft, nachschlagen lassen, fand aber keinen Namen, der nur eine Ähnlichkeit mit Raitinger oder Aigner gehabt hätte. Es wurde demnach auf obiges Schreiben keine Antwort gegeben.

Indeß spuckte der Erbschaftsgeist in Bayern immer fort. Den 11 Jan. und 10 März 1758 berichtete Herr Hofrath Hefner zu Salzburg hieher, eine bürgerliche| Zirkelschmidin allda, und der Kammerdiener des dasigen Herrn Hofrathspräsidenten gedächten sich als Aichnerische Erben herzustellen; man möchte ihm nur vorher von der wahren Beschaffenheit der Hinterlassenschaft gefällige Nachricht ertheilen. Die Antwort darauf kann sich der Leser aus dem Geschichtsgange selbst gedenken. Allein es wurde keine Ruhe.
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Herr Notarius Carl Gottfried Doppelhammer schrieb d. d. 6 Sept. des nämlichen Jahrs aus Regensburg, er sey von der „Aingerischen sowohl, als Reittingerischen sämmtlich durcheinander in der Blutsfreundschaft verknüpften Familie zu Ried, und der Orten begwaltiget, an die Kanzley zu B* in Franken wegen einer daselbst anliegend seyn sollenden beträchtlichen Erbschaft, so von einem Reittinger, respective Aigger herkommen sollte, zu schreiben, und zwar von darummen: Aldieweillen bereits ein Ainger zu Salzburg von dem löbl. Markt-Gericht Ried aus, unterm 14 Aug. abhin eine Attestation erhoben, und solche vielleicht schon an die hochl. Kanzley zu dem Ende werde eingeschickt haben: damit er vermeinte quaestionirte Erbschaft mit praeterirung derer Reittingerischen Miterben, proprie für die Aingerischen alleinig zu| überkommen.“ Er bittet hierauf mit der Herausgabe der Erbschaft so lange zurückzuhalten, bis er den Stammbaum aller Miterben, worunter er selbst gehöre, werde eingeschickt haben. Da er nun auf dieß Schreiben nicht gleich Antwort erhielt, so schrieb er abermahls den 25 Sept. und erkundigte sich, wie dann der Erblasser eigentlich geheissen, und was überhaupt an der ganzen Sache wäre. Die Antwort vom 3 October fiel dahin, daß das ganze Vorgeben ein eitles leeres Hirngespinst sey, worauf sich dieser beruhigte, aber der hochweise Kammerdiener zu Salzburg ließ sich seine Grillen von dem Herrn Hofrath Hefner nicht benehmen.
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Joseph Anton Schaub, ein Barbierer, und nunmehr Exkammerdiener weiland zu Wien, und nachher zu Salzburg bey vielen Excellenzen und Gnaden, erließ den 19 November e. a. an den Erbgerichtsherrn selbst ein Schreiben, worinn er anführte: er als Mitinteressent von seiner Eheconsortin wegen, liesse sich nicht so leichterdings abspeisen; die Aignerische Geschichte wäre sehr alt, und nicht erdichtet; Johann Aigner, der Erblasser, wäre im Jahr 1642 den 16 December mit einer ritterlichen Fahnenstange, die er seiner Schwester zum Andenken hinterlassen, und welche noch zu| sehen sey, das letzte mahl zu Ried gewesen, um seinen elterlichen Erbtheil zu erheben, worauf er wiederum in Kriegsdienste gegangen. Es sey wahrscheinlich, daß Aigner, als er in den Adelstand erhoben worden, seinen Namen verändert habe. Man müsse sich nach ihm nicht in den Pfarrbüchern, sondern im Archiv umsehen, wo auch sein Testament werde verwahrt seyn. Weltkündig, folglich auch ihm und seinen Miterben sey es unverborgen geblieben, daß des Erbgerichtsherrn Vorfahrer durch den Schwedenkrieg ganz in Verfall gerathen, von einem blessirten Offizier aber, oder Ritter, durch Vorstreckung seiner im Krieg erworbenen Mittel und Capitalien wieder empor gehoben worden. Dieser sey ihr ächter Vetter, und wäre diese Wissenschaft durch die Erzählung von Eltern auf Kinder fortgepflanzet worden. Sie wüßten auch, die Unruhe der Geister habe gemacht, daß verdunkelte Briefe, die einer Freundschaft unter dem Bad gehörige Erbschaft betreffend, nach Ried übersendet worden. Es lebten noch Bürger daselbst, welche mit Leuten gesprochen, die es aus dem Mund eines Kammerdieners des Erbgerichtsherrn gehört hätten, daß die Aignerische Freundschaft eine sehr reiche Erbschaft in B* zu erheben hätte;| andere aber, welche dessen Epitaphium, ritterliche Kleider und Waffen aufbehalten gesehen hätten. Übrigens wären sie zu einem Vergleich geneigt, um nicht bemüßiget zu seyn, ihre Klage zu Wetzlar anhängig zu machen.

Dieser mit alten Weibermährchen, und aus der Luft gegriffenen Vorspieglungen durchwebte Vortrag wurde keiner Antwort wehrt geachtet. Aber der Exkammerdiener betrieb sein Gesuch durch neue Schreiben vom 21 Jan. 23 Aug. und 31 Oct. 1759 in welchen er sich manche grobe Ausdrücke, und lächerliche Drohungen, sogar mit seiner päbstlichen Heiligkeit, erlaubte. Dieser Ungestümme erpreßte doch endlich eine Antwort am 16 Nov. welche vermögend war, seinen verdunkelten Kopf nicht allein zu erleuchten, sondern auch nach Verdienst ein wenig zu versengen. Darauf erfolgte ein kleiner Stillstand. Allein es meldete sich bald wieder ein neuer Schatzgräber, der da sieht, wo nichts ist.

Den 3 Aug. 1760 kam ein neues Schreiben von Regenberg ein, welches ein angeblicher Herrschaftsverwalter daselbst so gut zusammenbuchstabirt hat, daß man nicht einmahl seinen Geschlechtsnamen deutlich| lesen kann, und machte die neue Vorstellung: ein dasiger Unterthan, mit Namen Joseph Partbauer, habe sich zu B* wegen einer Erbschaft angemeldet, die sein naher allda vor einigen Jahren verstorbene Vetter Johann Partbauer hinterlassen hätte, und zur Antwort bekommen, daß er des bemeldten Erblassers Taufschein beybringen sollte. Diesen lege er nun im Original bey, und übermache solchen durch einen eignen Bothen, mit der angehängten Bitte, ihm die Erbschafts-Massam bekannt zu machen, worauf er die Partbaurische Anverwandte zusammen berufen, und in einen Stammbaum bringen wolle. Die dem Boten ertheilte mündliche Entschließung steht zwar nicht in den Acten, läßt sich aber eben so leicht errathen, als der Verdruß, den dergleichen unaufhörliche Narrheiten einem Gerichte verursachen müssen.
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Was noch fehlte, war, daß diese Erbschaftsträumer sich an die hohe Landesregierung wendeten. Dieß geschah auch; denn den 31 Aug. 1761 wurde von derselben ein Rescript erlassen, und Bericht gefordert, was es wegen einer gewissen zu B* liegen sollender Partbaurischer Erbschaft für eine wahre Beschaffenheit haben möchte. Der Bericht| wurde aus der bisherigen Geschichtserzählung ins Kurze gezogen, und den 7 Sept. e. a. einbefördert, worin am Ende die Entschliessung gemeldet wird, da mit dummen Leuten nichts zu schaffen sey, dieselbe einer schriftlichen Antwort nicht mehr zu würdigen.

Nun wurde es stille bis den 17 Sept. 1773, da ein Nagelschmid aus Ried, Lorenz Huber, einen Brief von seiner 82 jährigen Mutter Maria Ursula geborne Ederin, brachte, des Inhalts: „Ihr leiblicher Bruder Joseph Eder, welcher schon über 67 Jahr abwesend, und gestorben, wäre ihr erschienen, und habe ihr gesagt, sie sollte ihm eine heilige Messe lesen lassen, so würde ihr das Geld, welches er bey Lebzeiten zu B* hinterlegt, gewiß ausgeliefert werden; das erste habe sie gethan, nun erwarte sie das zweyte.“ Dem Überbringer wurde, nach zuvor durchgegangenen Sterb-Matrikel, zur Resolution vermeldet: daß darin Joseph Eder, der dahier verstorben seyn solle, nicht zu finden; noch weniger aber wisse man von Geldern, die jemahls von einem Bayern daher in Verwahrung gegeben worden: wie man solches schon ehedem andern, die sich um solche Gelder gemeldet, zu verstehen gegeben habe.

| Die schon einmahl angeführte Zirkelschmiedin zu Salzburg, Barbara Weberin, geborne Aignerin erhob nun abermahls ihre weibliche Stimme durch ein Schreiben vom 30 Dec. 1782 und glaubte das ganze Geheimniß durch eine gewisse Person, Maria Jacobina Mayerin, die aus Schickung Gottes zu ihr gekommen, entdeckt zu haben. Der Officier Johann Aigner nämlich war ihres Grosvaters Bruder, und zu B* im Spital vor ungefähr 40 Jahren verstorben. Sein Vermögen bestand aus dem von seinem verkauften Adelsbrief, und Charge erlöstem Geld, und aus einem Krönlein jener Natter, die er zu B* mit größter Lebensgefahr erlegt hatte, samt einem Regenbogenschüsselein, welche Raritäten annoch in einer eisernen Kiste müßten verwahret seyn. Auf diese ihre Kundschaft äusserte diese Wittib so viel Zuversicht, daß sie auf die Herausgabe dieser vielleicht im Hundssterne liegenden Erbschaft gar ernstlich pochte. Allein keine Antwort ist auch eine Antwort.
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Daß diese thörichten Leute keiner Belehrung fähig, sondern immer geschäfftig sind, das Spinnengewebe dieser fabelhaften Erbschaft auf ihre Nachkommen zu verbreiten, und mit neuen Erdichtungen zu vermehren,| beweiset der neueste Versuch vom vorigen Jahre, da sie einen der ersten Geistlichen zu Salzburg mit ihrem vermeintlichen Anspruch zu einer nicht vorhandenen Erbschaft so zudringlich beunruhigten, bis er endlich den 25 Hornung 1790 hieher an einen Bekannten schrieb: „In der Stifts-Kirche zu B* zwischen der Sacristeythür und dem Bruderschaftsaltar soll ein gewisser Johann Aigner begraben liegen, ab intestato verstorben seyn, und ein ansehnliches Vermögen hinterlassen haben, das in B* für jene aufbehalten seyn soll, die sich mit gültigen Ansprüchen dazu legitimiren können; nun wären arme Leute zu Salzburg, und im K. K. Innviertel, welche die nöthigen gerichtlichen und pfarrlichen Zeugnisse beyschaffen könnten, wenn sie nur nicht Gefahr liefen, die unvermeidlichen Kosten umsonst aufzuwenden, und am Ende in ihrer Hoffnung getäuscht, ganz durchzufallen. Er bitte daher, ihm dießfalls einige Auskunft, oder wenigstens von der Inschrift des Johann Aignerischen Grab- und Leichensteines mitzutheilen.“
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In der gedachten Stifts-Kirche ist schlechterdings gar kein Grab, noch weniger ein Monument. Über der Sacristeythür| ist ein Marggraf aus der Mitte des eilften Jahrhunderts in seiner turnirmäßigen Rüstung angemahlt, und gegen über seine Gemahlin. Vermuthlich hat ein Bayerischer Phantast seinen Aigner, Rastinger oder Partbauer daran ersehen, und Gott weiß, in welchem Winkel der Erde diese Leute als gemeine Soldaten verfault sind: waren schon so viele Belehrungen fruchtlos, so wird wohl auch diejenige, welche diesem vornehmen Geistlichen zugestellt worden, den Erbschaftsträumern zu Salzburg und anderswo in Bayern ihren Hirnkasten nicht aufheitern. Man sieht übrigens aus dieser Geschichte, wie Aberglauben, und eingewurzelte Vorurtheile auch dem entfernten Auslande zur Last fallen können.