Zum Inhalt springen

Geschichte von Kloster Heilsbronn/Der 14. Abt Konrad von Brundelsheim

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Der 13. Abt Heinrich von Hirschlach Geschichte von Kloster Heilsbronn
Der 15. Abt Konrad Suppanus »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[[{{{WIKISOURCE}}}|{{{WIKISOURCE}}} in Wikisource]]
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
[102]
Der 14. Abt Konrad von Brundelsheim (1303–1321)[1]

regierte zweimal, nämlich während der Jahre 1303–1306 und dann vom Sommer 1317 bis November 1321. Die Dauer seines Regiments und seinen Todestag bezeichnete folgende Inschrift auf seinem Leichenstein: „A. D. obiit dominus Conradus de Brundelsheim, abbas decimus quartus, in vigilia omnium sanctorum, qui praefuit huic monasterio annis quatuor, mensibus quinque, composuit sermones in sociis, sub lapide requiescens.“ Diese Schrift war nicht in den Stein gehauen, sondern auf einer in den Stein eingelassenen Metalltafel befindlich. Die Metalltafel wurde nicht gleich nach dem Tode des Abts, sondern erst im Jahre 1507 zur Zeit des Abts Bamberger gefertigt und von diesem gezahlt, laut dessen Rechnung von 1507/8, in welcher es heißt: „Pro epitaphio abbatis Socci 2 fl.“ Dabei ist bemerkt: „Nota, florenus semper computandus est ad 8 talenta et 12 denarios.“ Ein Talent entsprach damals ungefähr dem Werthe von 40 Kreuzern jetzigen Geldes, ein Gulden (Goldgulden) sonach ungefähr dem Werthe eines Dukaten. Folglich kostete die Metalltafel ungefähr einen Louisdor. Auf einen in Erlangen aufbewahrten heilsbronner Pergamentcodex, welcher Sermonen unseres Abts enthält, schrieb ein Leser, ohne Zweifel vor der Zeit des Abts Bamberger, folgende Worte: „A. D. 1321 obiit dominus Conradus abbas, qui composuit sermones in sociis et est sepultus in cimiterio hujus domus in dextra parte chori ante fores ecclesiae, cujus anima requiescat [103] in pace. Amen.“ Die Angaben dieser beiden Inschriften auf Metall und Pergament finden ihre Bestätigung in dem gedachten Monumentenverzeichnisse. Diesem zufolge lag der Leichenstein mit der Metalltafel außerhalb der Kirche,[2] an der nördlichen Mauer des östlichen Chors. Im Jahre 1602 war das Grabdenkmal noch unversehrt vorhanden; Hocker fand es aber im 18. Jahrhundert nicht mehr vor. Nachdem die Metalltafel abhanden gekommen und vermuthlich eingeschmolzen war, wurde wohl der werthlos gewordene Stein anderweitig verwendet. Gleiches Schicksal hatte ein nebenanliegender, im Jahre 1602 ebenfalls noch vorhandener Leichenstein mit einer Metalltafel auf dem Grabe des in den Beiträgen S. 103 erwähnten Mönchs Johann Sayler († 1502), dessen Vorzüge als Gelehrter und als Christ in der Metallschrift gerühmt wurden.

Dem Schreiber Dieses ist es unerklärlich, wie man auf den Gedanken kommen konnte: unser Abt habe von 1299 bis 1303 regiert, so daß der Abt Heinrich bis 1299 sein Vorgänger, und von 1303 an sein Nachfolger gewesen sei. (Hocker, Antiquit. S. 73.) In den Urkunden aus den Jahren von 1299–1303 wird wiederholt ausdrücklich Heinrich als fungirender Abt genannt, niemals aber Konrad.

Unser Abt Konrad war aus Brundelsheim: vermuthlich Proselzheim, nordöstlich von Würzburg. Einer heilsbronner Urkunde von 1212 zufolge war in diesem Jahre ein „Heinrich von Brozoldesheim“ Domkapitular in Würzburg. Sieben Jahre vor der Erwählung unseres Abts erhielt das Kloster, einer heilsbronner Urkunde zufolge, 15 Mrgn. Acker und 15 Mrgn. Wiesen durch Kauf und Schenkung von einem Volko, Volkwini de Brozoltsheim filius. Vermuthlich heißt der Ort noch jetzt in der Volkssprache „Brundelsheim“. Die gedachte Urkunde wurde in Würzburg in Gegenwart des Bischofs Andreas d. d. 8. Cal. Mart. 1310 ausgefertigt.

[104] Der Familienname unseres Abts war „Soccus“. Wahrscheinlich hieß er Schuh, lateinisch Soccus. Wir werden in der Folge mehreren Mönchen und Äbten begegnen, deren Familiennamen in ähnlicher Weise latinisirt wurden. Ohne Zweifel stammte er, wie die meisten heilsbronnischen Klösterlinge, nicht aus einem adeligen Geschlechte. Den Namen Schuh oder Soccus führte wohl keine fränkische Adelsfamilie. Vermuthlich war unser Abt einer der oben beim 13. Abt bezeichneten Mönche, welche sich durch Beredtsamkeit auszeichneten und auch auswärts, namentlich in der Diöcese Bamberg, predigten. Wie er dachte und sprach, zeigen seine in Erlangen aufbewahrten zahlreichen Sermonen, welche von Mönchen seines Klosters noch in späterer Zeit wiederholt abgeschrieben wurden. Es sind keine in der Katharinenkirche oder anderwärts in deutscher Sprache gehaltene Volkspredigten, sondern lateinische Reden, gehalten im Kapitelssaal an Sonn- und Feiertagen und beabsichtigten, das religiös–sittliche Leben im Kloster zu erhalten und zu fördern. Es sollen nachher einige Proben aus diesen Sermonen mitgetheilt werden.

Oben ist erwähnt worden, daß die heilsbronner Äbte stets darauf bedacht waren, wissenschaftlich gebildete, staatskluge Äbte nachzuziehen, und daß sie daher ihre talentvollsten Mönche Universitätsstudien machen ließen, bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts nicht in Deutschland, da es dort noch keine Universitäten gab, sondern auswärts, besonders in Paris. Dort studirte vermuthlich nicht nur unser Abt, sondern auch sein Vorgänger, von dem vorhin berichtet wurde, daß er für die Bibliothek viele Codices abschreiben ließ, namentlich Schriften Hugo’s von St. Charo. Dieser war ein damals berühmter Universitätslehrer der Theologie, Dominikanermönch, zuletzt Kardinal, der vorige Abt, Heinrich von Hirschlach, vermuthlich sein Zuhörer in Paris. Unseres Abts Sermonen waren für die Mönche eine erbauliche Lektüre, wie manche Leser versicherten, indem sie am Schlusse des Buches beischrieben: „O bone Socce, cur te non imitamur omni tempore. Injuriarum optimum remedium est voluntas; haec docuit Soccus, in omnibus bene doctus. O bone Socce, dona [105] tuo nos sermone, edifica, riga, auxilium fer.“ Einer dieser Leser ist durch folgende Beischrift näher bezeichnet: „A. D. 1407 habuit hunc librum in cella sua frater Nicolaus de Glogstat (Gnodstadt).“ Der noch vorhandenen Werke des Abts sind fünf: 1) Sermones aestivales, 380 Pergamentblätter in Folio, 116 Sermonen. 2) Sermones de tempore, 332 Pergamentblätter in Folio, 117 Sermonen. 3) Sermones de sanctis, 268 Pergamentblätter in Folio. Den Tag, an welchem der Abschreiber dieser 268 Blätter seine mühevolle Arbeit vollendete, bezeichnet genau das beigefügte Schlußwort: 1379 finitus est Soccus de sanctis feria quarta ante nativitatem Mariae, quem comparavit Heinricus dictus Waltstromayr, cujus anima requiescat in pace. Das Buch war, wie auch andere besonders werthvolle Codices in der heilsbronner Bibliothek, an eine Kette gelegt. In den Mönchsrechnungen kehrt bei den Ausgaben für die Bibliothek oft die Position wieder: de catenis. 4) Dasselbe Buch: Sermones de sanctis, 295 Pergamentblätter, aber in Quart. 5) Excerpta de sermonibus Socci, 261 Pergamentblätter in Quart, ebenfalls angekettet. (Hocker, Biblioth. S. 33 u. 34.)

Mit den Kaisern Albrecht und Ludwig von Bayern stand unser Abt fortwährend in persönlichem Verkehr. Daß der Kaiser Albrecht ihm vier, die Interessen des Klosters betreffende (darunter eine in Heilsbronn selbst ausgefertigte) Urkunden einhändigte, ist oben berichtet worden.

Während seiner ersten Regierungsperiode, von 1303 bis 6, machte der Abt die im II. Bd. bei den Orten Randersacker, Weigenheim, Windsheim, Sendelbach, Asbach, Deberndorf, Ammerndorf, Schwebheim, Westheim und Willendorf näher zu besprechenden Acquisitionen. Über seine Acquisitionen während seiner zweiten Regierungsperiode, von 1317 bis 1321, in den Orten Eib, Claffheim, Nördlingen, Reimlingen und Waizendorf, gleichfalls Näheres im II. Bande. Von seiner letzten Acquisition in Burlbach wird beim 16. Abt Gamsfelder die Rede sein.

Das wegen seiner Privilegien stets angefochtene und angefeindete [106] Kloster erholte zu seinem Schutze fortwährend päpstliche und kaiserliche Erlasse. Erneuerte Opposition und Schädigung veranlaßte unsern Abt, beim apostolischen Stuhle zu klagen und Hilfe zu suchen, worauf der Papst Johann XXII. in einer an die Scholastici der Kirchen zu Eichstätt, zu St. Johannis außerhalb Würzburg und zu Onolzbach gerichteten Bulle erklärte: „Abt und Konvent von Halsprunne beschweren sich, daß einige Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte und andere Kleriker, auch Herzoge, Markgrafen, Grafen, Barone, Adelige, Milites, Stadtgemeinden und andere Weltliche der Stadt und Diöcese Eichstätt und benachbarter Gegenden das Kloster beeinträchtigen im Besitz seiner Kirchen, Kapellen, Kastren, großen und kleinen Bauerngüter (grangiae, casalia), Weinberge, Gülten, Rechte und beweglichen Güter. Damit sie nicht nöthig haben, jede einzelne Beschwerde an den apostolischen Stuhl zu bringen, so befehlen wir euch, das Kloster kräftig zu schützen gegen fernere Beeinträchtigung, Restitution des Entzogenen zu erwirken, Unfügsame und Rebellische, wären sie auch Erzbischöfe oder Bischöfe, in Schranken zu halten, erforderlichenfalles mit Hilfe des weltlichen Armes. Datum Avinionii X. Kal. Maji, pontificatus nostri anno quarto,“ d. i. 1320. Die in der Beschwerdeschrift unseres Abts ohne Zweifel namentlich bezeichneten Schädiger des Klosters werden in dieser Bulle zwar nicht mit Namen genannt, aber nach Stand und Würden so genau charakterisirt, daß die Namen leicht ergänzt werden können. Eichstätt ist in der Bulle ausdrücklich als einer der Schädiger genannt. Die bezeichneten höheren geistlichen Würdenträger sind der Erzbischof von Mainz und die Bischöfe von Eichstätt, Würzburg und Augsburg, in deren Sprengeln fast alle bisherigen Besitzungen des Klosters lagen. Im Bisthum Regensburg besaß das Kloster zur Zeit unseres Abts noch nichts. Mit dem Bischofe von Bamberg, in dessen Sprengel nur wenige heilsbronnische Güter lagen, stand das Kloster in gutem Vernehmen. Die Abteien, mit welchen das Kloster wiederholt in Streit gerieth, lagen in der Diöcese Würzburg. Die Markgrafen sind die Burggrafen von Nürnberg, die zwar ihre Grabstätte in Heilsbronn hatten, [107] aber, wie oben wiederholt berichtet wurde und unten wiederholt berichtet werden wird, gegen das in ihren Marken sich immer mehr ausbreitende Kloster bisweilen Streit erhoben. Dasselbe thaten der hohe Adel und die Städte. Die kaiserlichen Gerichtshöfe, bei welchen das Kloster einzig und allein belangt werden konnte, entschieden fast immer zu Gunsten des Klosters. Eben so die Gerichte, bei welchen die Kaiser selbst präsidirten. Noch in seinem letzten Lebensjahre erwirkte unser Abt einen derartigen Entscheid bei dem Kaiser Ludwig dem Bayer. Der Kaiser entschied: „daß Niemand das Kloster Halsbrunn von seiner Güter wegen zu Hirschlach an andern als kaiserlichen Gerichten anfechten soll.“ Unser Abt war fünf Monate vor seinem Tode in Rothenburg, wie aus einer nachher beim 16. Abt zu besprechenden Urkunde erhellt.

Schließlich folgen hier einige Schriftproben aus des Abts Sermonen. Diese dokumentiren, daß ihr Verfasser klassisch gebildet war, lateinisch sprachgewandt, vertraut mit der lateinischen Bibel, mit ursprünglich lateinisch verfaßten oder in’s Lateinische übersetzten Schriften von Aristoteles (Ethik), Cicero, Quintilian, Philo, Boethius, Chrysostomus, Gregorius, Albertus, Bernhardus etc. Im Vorwort zu seinen vorhinerwähnten Sermonen de tempore schreibt er: „Stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten. Ephes. 5, 14. Ich gedachte bei mir, daß ich Gott den Vater durch meine Sünden schwer beleidigt, die schwersten Strafen verdient, viel Gutes, das ich thun sollte, nicht gethan habe, und das Alles fortwährend und lange Zeit. Bei diesem Hinblick ergriff mich Zittern und Entsetzen: alle meine Gebeine erschracken; meine Haare sträubten sich; mein Herz ermattete; Finsterniß machte mich starr. Da sprach ich in meinem Seelenschmerz: Stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten! Diesen Worten zufolge sollen wir dreierlei thun: von Sünden lassen, Gethanes wieder gut machen, der Gnade vertrauen. Da ich dieses aber bisher nicht gethan habe, so wende ich mich wenigstens zu dem Exercitium, welches unter allen verdienstlichen Exercitien das leichteste ist: zum Sprechen und zu der Feder [108] (stilus). Der allbarmherzige Gott, welcher das Herz ansieht, wolle dieses geringe Opfer gnädig ansehen. Die Leser bitte ich, unrichtig Gesprochenes zu verbessern. Der den Mund der Stummen öffnet und die Zungen der Kinder beredt macht, mache, daß die Vorschriften (beneplacita) meines Mundes willig befolgt werden. Wenn die so vielfach beschäftigten und angefochtenen heiligen Lehrer, die Regierer der Kirche Gottes, geschrieben und ihre Lehre der Nachwelt überliefert haben, wie viel mehr können wir in unserem Stillleben schreiben. Und damit dieses Werk um so williger aufgenommen werde, so mögen die Leser wissen, daß wir nichts Neues machen (cadimus), nichts, was wir nicht durch Autoritäten der Heiligen beweisen. Von dem Advent des Herrn werden wir weitläuftiger handeln, um die Säumigen anzuregen, um sie zu erinnern, den kommenden Gott in die Herberge des Herzens ehrfurchtsvoll aufzunehmen, damit sie nicht mit verlöschten (neglectis) Lampen an die Thür kommen und anklopfen, aber mit den thörichten Jungfrauen ausgeschlossen werden. Wir lösen das Tau des Schiffes vom Ufer und schiffen in das große und weite Meer der heiligen Schrift. Unser Segel überlassen wir zur Führung dem Winde des heiligen Geistes. Wo wir aussteigen werden (emersuri), wissen wir nicht. Gott weiß es.“

Im 57. Sermon (pars hiemalis) über den Text Matth. 8, 23 sagt der Redner: „Jesus trat in das Schifflein. Unter dem Schifflein verstehen wir das Leben eines Klösterlings, hominis religiosi. Seine Seele schläft, sie erwacht jedoch, wenn sich die Versuchung regt. Aber bei dem Erscheinen des Herrn schweigt die Versuchung. Der Untergang des materiellen Schiffes wird durch materielle Ursachen herbeigeführt, der Untergang des spirituellen Schiffes durch spirituelle Ursachen. Jenes ist gefährdet, wenn es ungleichmäßig, auf einer Seite mehr als auf der andern, beladen wird. Ebenso das spirituelle Schiff, wenn der Klösterling nicht strebt, seine drei Gelübde: Keuschheit, Armuth und Gehorsam, gleichmäßig zu halten. Allein Viele halten zwar streng das Eine, aber nicht das Andere, gegen Jak. 2, 10: „So Jemand das ganze Gesetz hält, und sündiget an Einem, der ist [109] es ganz schuldig.“ Auch gegen Gregorius, welcher sagt: „Was hilft es, eine Stadt zwar zu befestigen, aber an einer Stelle nicht.“ Alle Ritzen und Öffnungen am Schiffe müssen sorgfältig verstopft werden. Solche Ritzen und Öffnungen sind unsere Sinnenwerkzeuge. Ferner ist das Schiff gefährdet, wenn es allzusehr erleichtert wird und dann bei einem Windstoß leicht umschlägt. So das Schiff eines Klösterlings, wenn er leichtfertig ist. Ferner ist ein Schiff gefährdet, wenn es überladen wird. So das Schiff eines Religiosen, wenn er sich allzuviel mit irdischen Dingen beschäftigt. Ferner wird das Schiff gefährdet, wenn es wegen Fahrlässigkeit des Steuermannes oder wegen widriger Winde nicht richtig steuert, oder wenn es vom Sturm umgestürzt oder an eine Klippe geschleudert wird etc. Wenn wir nicht unablässig rudern, so gelangen wir nicht zum Port des Heils. Das Schiff unserer Religion kommt nicht vorwärts ohne günstigen Wind, das heißt, wenn wir nicht stets voll des heiligen Geistes sind. Von diesem Winde wünschte Jene (Braut) getrieben zu werden, welche, dem hohen Lied 4, 16 zufolge, sprach: „Stehe auf, Nordwind, komm Südwind und wehe durch meinen Garten.“

Im 123. Sermon (pars estivalis) über den Text Matth. 9, 18: „Herr, meine Tochter ist jetzt gestorben“ etc. sagt der Redner: „Wie diese Tochter gestorben ist, so müssen auch wir sterben. Wir wollen in diesem Sermon sprechen von den Versuchungen des Menschen im Todeskampf (agone), von den Fragen, welche an den Sterbenden gerichtet werden sollen, und daß man sterben soll, wie Christus gestorben ist. Im Todeskampf werden wir, mehr als im Leben, geängstigt von den Teufeln, welche den Glauben anfechten, zur Verzweiflung, zur Ungeduld verführen wollen. Daher ist es nützlich, dem Sterbenden das Glaubensbekenntniß vorzusprechen, damit er fest im Glauben bleibe. In einigen Klöstern ist daher Folgendes verordnet: „Liegt Einer im Todeskampf, so wird im Convent ein Zeichen mit der tabula gegeben. Alle Brüder versammeln sich, sprechen auf dem Wege zum Sterbenden das Symbolum mit lauter Stimme, so daß der Sterbende es hört und ermuntert wird, männlich zu streiten wider [110] den Teufel und fest zu stehen im Glauben.“ Eine andere Anfechtung im Todeskampf ist: der Teufel will den Sterbenden zur Verzweiflung bringen, indem er ihm seine Sünden vorhält. Du fragst: Wie kann ich dieser Verzweiflung entgehen? Ich antworte: Thue jetzt gute Werke, auf daß, wenn die guten und bösen Werke in die Wagschalen gelegt werden, die bösen von den guten aufgewogen werden. Ein Sterbender zweifle nicht an Gottes Barmherzigkeit. Kann er noch sprechen, so lasse er den Beichtvater rufen und spreche sich aus mit zerknirschtem Herzen. Eine weitere Anfechtung im Todeskampf ist: der Teufel reizt zur Ungeduld, weil Körperschmerzen eintreten, die Glieder absterben, zuletzt das Herz, wie Aristoteles sagt: „Das Herz lebt zuerst und stirbt zuletzt.“ Dann heißt es: „Fasset eure Seelen mit Geduld.“ Luc. 21, 19. Durch Ungeduld und Murren kann einer seine Seele verlieren; denn er murrt gegen Gott. Den Sterbenden frage man: ob er Alles glaube, was in der Kirche Gottes zu glauben verordnet ist? ob er erkenne, gegen den Schöpfer oft gesündigt zu haben in Gedanken, Worten und Werken? ob er dieses bereue? ob er verspreche, sich zu bessern und keine Todsünde zu begehen? ob er seinen Feinden vergeben, Entwendetes wiedererstatten wolle? ob er sich freue, selig zu werden, nicht durch eigenes Verdienst, sondern durch Christi Leiden? Laßt uns sterben, wie Christus gestorben ist. Er rief laut; die Erde bebte, die Felsen zerrissen; die Sonne verdunkelte sich. Auch wir wollen mit Paulus rufen: „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein!“ Christus weinte; auch wir wollen weinen über unsere Sünden. Wir wollen mit ihm beten: „Vater, in deine Hände befehl ich meinen Geist.“

Die Sermonen enthalten, den mitgetheilten Schriftproben zufolge, zwar manches dem jetzigen Zeitgeschmack nicht mehr Zusagende, aber auch manches Erbauliche. Sie waren eine erbauliche Lektüre für die heilsbronner Mönche und wurden von diesen wiederholt abgeschrieben. Sie fanden aber auch in größeren Kreisen großen Beifall und erschienen daher schon sehr früh im Druck, gleich in der ersten Zeit, als man anfing, Bücher zu drucken, [111] namentlich in Straßburg. Die unter den Inkunabeln in Erlangen befindlichen Folio–Exemplare wurden in den Jahren 1476 und 1484 gedruckt. Der eine dieser Folianten enthält 127 und 125 Sermones Socci de tempore per totum annum. Den Sermonen für das Wintersemester sind die Worte beigedruckt: Pars hiemalis, sermonum Succi (nicht Socci) de tempore intitulatorum, quia de succis et medulla (Saft und Mark) sacre pagine stilo sub obscuro sunt extracti. Am Schlusse der Sermonen fürs Sommersemester sind folgende Worte beigedruckt: Sermones elegantissimi Succi de tempore finiunt feliciter a. D. 1476 nono kal. Julii. Dieses Exemplar kam nicht von Heilsbronn, sondern von Heidenheim aus nach Erlangen, da mit Tinte beigeschrieben ist: Iste liber est sancti Wernhardi in Haidenheim. Ein anderer Foliant enthält gleichfalls die sermones de tempore. Beigedruckt sind die Worte: Opus preclarum sermonum Socci dictorum, cum de succo, id est de medulla sacre pagine stilo sub obscuro exquisitissime sint collecti, denique a Johanne de Gruningen maystro impressorie artis famoso diligenter in inclita civitate Argentina elaborati anno Christi 1484 pridie Idus Februarii, explicit feliciter. Auf dem ersten Blatt ist mit Tinte geschrieben: Pertinet ad monasterium Riethveldense (Neustadt an der Aisch). Ein dritter Foliant enthält 93 Sermonen de Sanctis. Beigedruckt sind die Worte: Sermones Socci de Sanctis, flosculis melliflui doctoris sancti Bernhardi prae ceteris exornati a sagaci viro Johanne de Gruningen in inclita Argentinensi civitate diligenter elaborati anno Christi 1484 Idus Aprilis.


  1. Anders Stillfried S. 35.
  2. Die heilsbronner Äbte wurden entweder innerhalb der Kirche, oder im Kapitol begraben; der Abt Soccus aber auf dem Kirchhofe, jedenfalls weil er, demüthigen Sinnes, es so verordnet hatte.


« Der 13. Abt Heinrich von Hirschlach Geschichte von Kloster Heilsbronn
Der 15. Abt Konrad Suppanus »
[[{{{WIKISOURCE}}}|{{{WIKISOURCE}}} in Wikisource]]
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).