Goldgrube und Weltbad
In den norischen Bergen, wo die Wasser von weißen Feldern in die Tiefe stäuben, zwischen den Gipfeln der Hohen Tauern, um welche sich Sage und Märchen weben, dringen um einen tosenden Strom, ja im Bette desselben heiße Quellen aus dem Erdinnern. Man nannte die Stätte und den Strom in alten Tagen Gastuna, Gastaun und Gastyn. Fern ab von den breiten Verkehrswegen der Menschen lag hier eine alte Ansiedelung in die Schlucht schneebedeckter Gneisfelsen eingebettet. Gleichwohl war sie, soweit das Andenken der Völker und die Aufzeichnungen der Geschichte reichen, immer im Munde der wechselnden Geschlechter, als wäre hier nicht eine Alpenwildniß, sondern eine Stadt voll von Leben und Denkmälern.
Jetzt führt die Salzachbahn alljährlich Tausende von Besuchern nach Lend im Pongau, welche das Weltbad Gastein aufsuchen wollen. Sie klettern zu Fuß oder zu Wagen von hier aus die schauerlich romantische Straße der Gasteiner Klamm hinauf und hinab, zur Seite tief unter sich die tosenden Fälle der Gasteiner Ache, welche durch die Pongauer Bergwand bei Lend in jähem Sturze zur Salzach niederbricht. Jenseits der Klamm erwartet sie „die Gastein“, ein liebliches Hochthal; dem hastig daherrinnenden Achenwasser entgegen führt der Weg über Mayerhofen, Dorf Gastein und Hof Gastein – und da ist man mit starkem Aufstieg in Wildbad Gastein, nicht mehr der spärlichen Ansiedelung, sondern dem – für moderne Bäderverhältnisse immerhin nicht prunkvollen – Weltbade, in der Nähe der heißen Wunderquellen (Hof Gastein bekommt das zwischen achtundzwanzig und neununddreißig Grad Réaumur warme Wasser wenig abgekühlt durch eine Röhrenleitung). Die Natur mag sich kaum verändert haben; noch immer steigen hinter dem Orte die Tauern in steilen Terrassen auf bis zu den Gletschern des Naßfeldes, von wo die Ache in prachtvollen Wasserfällen bis zur Thalsohle niederschäumt. Aber welche Wandlungen der heimischen Geschichte überblickt der Gasteiner im Jahre des Heils 1880, in welchem das Bad eine Vergangenheit von 1200 Jahren festlich zu begehen im Begriff steht!
Wer im Winter dort hinauf steigt und die hohen Dampfsäulen betrachtet, die sich aus der verschneiten Landschaft erheben, dem mögen die wandelnden Dünste, wie sie an den Eisorgeln des Wasserfalls emporschweben, sich zu Gestalten umwandeln, welche die Flucht der Erscheinung versinnbildlichen. Da wallen die „Wildfrauen“ und „enterischen (heidnischen) Leute“, an wilde Urbewohner mahnend, die hier hausten, bevor Kelten, Römer, Germanen, vom verhängnißvollen Verlangen nach Gold getrieben, über die Pongauischen Hochpässe stiegen. Die Vorstellungen von denselben, wie sie in den Köpfen des Volkes leben, mögen sich zu ihren Urbildern verhalten, wie Lindwürmer und Drachen der Sage zu den von der Oberfläche der Erde verschwundenen Thieren der Vorzeit. Jene Ur-Insassen vergossen kein Blut und bearbeiteten, von Krankheit nicht heimgesucht, die Erde mit einem goldenen Pflug, den sie vor ihrem Abzuge in den Schluchten des Bärnkogls versteckten. Der Aberglaube nimmt noch zu Zeiten die eine oder andere dieser Gestalten wahr. Manchmal hängen Wildfrauen auf Graten ihre Wäsche aus – das sind Nebelfetzen und Schneeflecke an Hochkaren – oder es fällt von unsichtbarem Baume, den sie unnahbar pflegen, ein Apfel in die Gasteiner Klamm hinunter. Ihre zwölf goldenen Götzen sind in der Klamm verborgen; jeder Reisende erspäht dort vom Eilwagen aus die Höhle, die „enterische Kirche“, in welcher die Götterbilder während der Johannisnacht so weit herauf kommen, daß derjenige sie erbeuten müßte, der im jähen Augenblick des Emportauchens das Bannwort zu sagen verstünde. Bis aus Böhmen kommen noch alljährlich Goldgierige in der Zaubernacht zum Heiligthum der in Märchen verwehten Urbewohner des Thals.
Ein Tauernwindstoß – die Wildfrauen verschwinden im Stäuben des Sturzes, und es erheben sich, in geschabte Felle gekleidet, mit Schlägeln in den Fäusten, Gestalten der Ambisonten und Ambidraven. Das sind Kelten. Von einer Sage gelockt, kamen die Stämme, deren Ahnen einst vielleicht in den taurischen Bergketten Hochasiens nach Gold geschürft hatten, auf ihrem Wanderzuge von Südost nach Nordwest zu den Geröll-Lagern beim Naßfeld und fanden gewiß schon die Spuren älterer Arbeiten im goldhaltigen Gestein. Den Fluß südlich der Berge nannten sie Drava (Drau), den nördlich derselben Isonta (Salzach); sie selbst wurden nach beiden Flüssen geheißen; von Ambisontes stammt das spätere deutsche Bisonz-Gawe, davon das heutige Wort Pinzgau. Gar nichts ist von diesen norischen Keltenstämmen erhalten; nur Spuren ihrer Sprache haften noch an den flüchtigen Wassern. Aber auch Vieles, was einheimische Geschichtsauffassung der Arbeit von „Römern“ zuschrieb, beispielsweise die Spuren „römischer“ Meißel an den Wänden über der benachbarten Kitzlochklamm, dürfte von Kelten vollbracht worden sein, unter deren beliebteste Thätigkeiten der Bergbau gehörte.
Im flüchtigen Tanze der Gestalten mag der Fremdling noch gar viele andere Aufzüge angedeutet sehen. Auf Maulthieren bringen – die Gastuna und ihre Berge sind längst von den römischen Soldaten dem Lande Noricum beigefügt worden – römische Söldlinge Salz von Juvavum (Salzburg) nach Aguntum (Innichen) oder Aquileja. Jahrhunderte vergehen, und andere Karawanen klingelnder Tragthiere schleppen die Ausbeute der Goldgruben über den Korntauern nach Venedig, oder Wein, Seide, Früchte aus wälschen Gauen den Kaufhäusern des Nordens zu. In einer Zeit, in welcher auch die „Straßen“ sich nicht von einem Saumpfad unterschieden, besann man sich nicht, nähere Pfade
[501][502] über höhere Pässe einzuschlagen. Dann tauchen die Paläste der „Gewerken“ auf, die reichen Wechselstuben der „Perkherren“, der Weitmooser und Rosenberg – dann die Knechte unduldsamer Erzbischöfe, wie sie die Fluthen der Salzach über den Friedhof der „Lutherischen“ leiten – endlich die Posthörner, die wehenden Schleier, die Landauer, die Oberkellner und die Eisenbahn-Fahrpläne.
Das Gold und die heißen Quellen waren es, welche die Menschen in dieses Hochthal lockten. Längst aber hatte das Gold mit seiner Anziehungskraft gewirkt, bevor von den heißen Sprudeln irgendwo die Rede war. Die Anlage so mancher Grube, mag sie nun heute noch offen oder von Gletschern zugedeckt sein, reicht gewiß weit über den Beginn der christlichen Zeitrechnung hinauf. Auch die Sage gesteht ihnen dieses Alterthum zu, will aber mit der „Entdeckung“ der Quellen, welche doch sicherlich schon den allerersten Eindringlingen auffallen mußten, nicht über das siebente Jahrhundert wegrücken.
In diesem Säculum, nämlich 680, soll es, wie uns das Bild in der Vicariatscapelle belehrt, gewesen sein, daß zwei Jäger durch Zufall auf warme Wasser stießen. Es ist dies eine Geschichte, wie sie auch von Karlsbad und mehreren andern Thermen erzählt wird. Ohne Zweifelsucht kann man dieselbe, gestützt auf den Satz, daß eine in gleicher Weise an mehrere Oertlichkeiten angeknüpfte Anekdote überhaupt erdichtet sei, unter die Legenden verweisen; aber da kein früherer Zeitpunkt genannt ist, welcher die Gründung des „Bades“ Gastein bezeichnet, so mag man es den Gasteinern nicht verargen, wenn sie diese Gründung mit allen Jubiläen derselben an jene Zahl knüpfen.
Es ist hier nicht der Ort, uns in die Sagengeschichte von Gastein zu vertiefen. Sicherlich waren viele Jahrhunderte hindurch die Bade-Anstalten daselbst um Vieles einfacher, als sie heute in den bescheidensten „Bauern-Badln“ Tirols oder Kärntens sind.
Den rechten „Aufschwung“, wie man sich ausdrückt, nahm Gastein erst, nachdem Friedrich, Erzherzog von Oesterreich, als einundzwanzigjähriger Jüngling im Jahre 1436 in das stille Tauern-Hochthal gekommen, um dort, vom Heiligen Lande zurückgekehrt, seinen wunden Fuß zu baden. Es scheint in der That, als ob sich ihm die Geister des Wassers gütig gezeigt hätten; denn das beschädigte Bein brauchte er sich erst fünfzig Jahre später als römische Majestät abschneiden zu lassen. Seine Angst, er möchte von der Geschichte einst „der Einbeinige“ zubenannt werden, ist grundlos geblieben. Er war ein ruhiger, sanfter Herr, der sich nicht gern stören ließ und während dessen fünfundfünfzigjähriger Regierung das heilige römische Reich einen ausgiebigen Schritt zu seinem Grabe zurücklegte.
Wer nennt die Namen der Fürsten, Erzbischöfe, Ritter und edlen Herren, die entweder siechen Leibes, oder auch sommerlicher Kurzweil wegen während der folgenden Jahrhunderte in die Gastein pilgerten? In Muchar's „Gasteiner Geschichte“ kann eine Schaar dieser Namen aufgelesen werden. Inzwischen fingen die Heilquellen schon an, mit dem bedacht zu werden, was man heute „Reclame“ nennt. Insbesondere waren es zwei echte Kinder des sechszehnten Jahrhunderts, welche Wunder von den Gasteiner Wassern zu erzählen wußten: Paracelsus und Thurneiser – jene sonderbaren Heiligen, in deren Köpfen sich alchemistische Träume mit Ahnungen von späteren Errungenschaften des Wissens zusammenfanden. Sie glaubten an den Geist des Gestirns, an die unsichtbare Mumia, an den Spiritus vitae – aber unsere Gelehrten werden gern zugestehen, daß wir über die Gründe der Heilkraft jener Quellen heute nicht mehr wissen, als die genannten Kabbalisten.
Aus dem sechszehnten Jahrhundert wäre wohl auch noch das Auftauchen der Familie Straubinger zu vermelden. Einer ihrer Nachkommen kann sich heute noch den König von Gastein nennen und ihr Name ist mit der Geschichte der Gaststätten daselbst untrennbar verbunden.
Nachdem während des sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderts durch die Schriften jener Schwärmer sowohl, wie durch die eines Tabernämontanus (eines zu Bergzabern geborenen Wunderdoctors), dem als Arzt des Kurfürsten von der Pfalz, der freien Reichsstadt Worms, des Fürstbischofs von Speier viel Einfluß zukam und der in seinem Thesaurus aquarum Gastein unter die kräftigsten Heilmittel einrechnete – dann durch Günther von Andernach und zahlreiche Scribenten das Gasteiner Bad allenthalben bekannt gemacht worden war, fanden sich allmählich immer mehr fürstliche Personen ein. Namentlich waren es der prunkliebende geistliche Hof von Salzburg und die Herren des Hauses Oesterreich, welche durch ihre Anwesenheit und ihre Spenden die Bade-Ansiedelungen vermehrten und verschönerten. Es muß da, einigen Andeutungen der Chronisten zufolge, mitunter sehr lustig hergegangen sein. Abgesehen von gewissen fahrenden Gestalten, von denen die warmen Bäder in jenen Jahrhunderte schaarenweise heimgesucht wurden, wird da auf winterliche Episoden im Badeleben angespielt, welche denjenigen, die über eine immer mehr sich steigernde Sittenlosigkeit jammern, ein Kopfschütteln abnöthigen müsse. Gastein wurde übrigens noch in unserem Jahrhundert zeitweilig auch im Winter von Lebemännern besucht, und es scheint, als habe es früher hier auch, wie an anderen Orten, Vollbäder gegeben, die allerdings dem Badeleben in mancher Hinsicht eine andere Gestaltung ertheilen mußten, als sie die Einsamkeit der jetzt ausschließlich gebrauchten Wannenbäder bedingt.
Im sechszehnten Jahrhundert standen allenthalben in der Gastein Gewerkhäuser, welche, sammt dem Wohlstand der Thalbewohner, meist durch die Verfolgung der Protestanten verwüstet wurden. Wir verzichten darauf, hier auf jene Begebenheiten ausführlicher zurückzukommen. Die meisten Spuren jenes Wohlstandes bewahrt Hof Gastein. Das Moser'sche Haus mit seinen Bogengängen und der Kirchhof mit seinen Denkmälern verdienen auch jetzt einen Besuch. Auch die Rosenbergs, welche drüben im Markte Rauris sich einen erkerreichen Palast erbauten, sind mit der Geschichte dieses Marktfleckens eng verwebt. Es war die Zeit des Goldsegens, wo das Volk von Gastein noch an die „schwarze Schule“ von Venedig, an wunderwirkende Goldsucher und schatzhütende Gnomen der Wildniß glaubte, wie ich diese Zeit in den „Denkwürdigkeiten eines armen Goldsuchers“ in meinen „Gasteiner Novellen“ geschildert habe.
Wie Gastein sich allgemach umwandelte, davon legt so recht der Wechsel der Wege Zeugniß ab, auf denen seine Gäste ihm zustrebten. So lange nicht ein Saumweg durch die Klamm gebrochen war, mußten die Reisenden einen ganzen Berg an- und absteigen, bevor sie die ebene Flur des Gasteiner Thalbodens erreichten. War es doch mit dem Zugange zu den beiden Nachbarthälern Großarl und Rauris bis vor wenigen Jahren gerade so bestellt. Denn alle diese Thäler enden von Haus aus in unzugänglichen, von ihrer Ache durchtosten Schluchten, welche über die Höhe hinweg umgangen werden müssen. So klommen denn während des Mittelalters die Leute, welche nach der Gastein wanderten, die vielblumigen Anger, die mit Alpenrosen, Lärchen und Ahornbäumen bedeckten Matten hinan, jenseits deren die heutige Straubinger Alp liegt. Alsdann kamen sie zum Joch, wo sich ein schöner Blick in das grüne Thal Gastein bis hinüber zu den weißen Tauern-Wällen aufthut. Auch den Hochkönig mit seiner Capelle erblickten die Wanderer, dazu die Uebergossene Alm und den Dachstein. Dort oben auf dem Joche fanden die Reisenden eine in der Gastein vielverehrte Heilige, Solängia, welche den eigenen Kopf in ihren Händen trägt – so steht ihr Bildniß noch heute in der Capelle des Joches. Dort läßt die Legende ein oft erzähltes Wunder geschehen. In alten Zeiten, so heißt es, befanden sich drei Gasteiner auf einer Pilgerfahrt im Gelobten Lande, wo sie viel von Sonnenhitze und von Unbilden seitens der Türken zu leiden hatten. Da flehten sie zu Gott und sagten, sie wollten gerne sterben, wenn sie nur noch einmal ihre Gastein sehen könnten. Sie kehrten glücklich zurück, und als sie zu diesem Joche kamen und den schönen Thalboden mit den Fernern vor sich liegen sahen, starben sie. Noch sind die Spuren ihrer Tritte, vom Volke emsig besucht, auf den großen Felsblöcken sichtbar, und die Stätte auf der Höhe des alten Saumweges heißt „Zu den drei Wallern“; jene Trittfurchen aber können wohl als Spuren der Eiszeit, als Gletscherschliffe am wandernden Geschiebe gelten.
Einen weiteren Fortschritt für Gastein bedeutete die Anlegung des älteren Weges durch die Klamm. Das war, im Vergleich zur jetzigen Straße, eine wirkliche Via Mala, doch immerhin gegen die Nöthigung, zuerst ein Joch anzusteigen, ein erheblicher Fortschritt. Sie zog durch Holzgallerien hin, hing da und dort an Ketten und würde wohl manchen unserer modernen nervösen Reisenden zur sofortigen Umkehr veranlaßt haben.
Endlich kommt das neunzehnte Jahrhundert, die Aera der Verkehrserleichterungen im großen Stil. Zunächst wird eine gute und sichere, großen Fuhrwerken zugängliche Straße an den Wänden
[503] des linken Achenufers hin eingesprengt. Nebenbei errichten Menschenfreunde allenthalben Unterkunftshäuser auch für Solche, die außer dem Elend des Siechthums noch andere Noth des Daseins drückt. Der Kaiser Franz von Oesterreich hat sich durch solche Schöpfungen in unseren Augen vielleicht ein würdigeres Denkmal gesetzt, als es dasjenige ist, welches man ihm auf dem inneren Burgplatze zu Wien aufgerichtet hat, und auch was der Erzbischof Pyrker hier für kranke Soldaten gethan wird den Ruhm seiner Epopöen überdauern. Den Beschluß macht die Anlegung der reizvollen Salzachthal-Bahn, welche die Gasteiner Klamm mit der Tiroler Linie, mit Salzburg, mit dem Südosten Oesterreichs verbindet.
Gastein ist jetzt ein modisches Bad mit allen Einrichtungen, ohne welche der Stadtmensch unserer Tage nicht auszukommen vermeint. Es wäre eine Therme, wie viele andere, ständen die Eckpfeiler der stillen Eiswelt nicht da, flammten nicht die Regenbogen im Sturme der Schaumwolken seiner Wasserstürze und wehte nicht jene Luft aus den hohen Einöden herab, die in Blut und Nerven des Ankömmlings gewiß nicht minder segensvoll eingreift, als die Brunnen der Tiefe. Dies ist es, was die alte Gastuna zu einer in ihrer Weise einzigen Heilstätte macht. –
Zum Schlusse noch zwei Anmerkungen.
Wie drüben im grünen Thalboden und an den Hängen der Rauris, liegt auch in der Gastein viel Geschiebe aus der Eiszeit. Die verschiedenen Stufen des Gesammtthales, Naßfeld, Böcksteiner Thal und die eigentliche Gastein stellten damals Terrassen eines und des nämlichen Gletschers dar, den an den jähen Absturzbruchstellen gewiß breite, blauende Klüfte durchzogen. Nach dem Hinschwinden desselben entstanden zwei Seen: der eine füllte das Böcksteiner Thal, der andere die tiefere Gastein aus. Der obere See stürzte in die Gastein, der untere in die Salzach ab; als Andeutung daran ist der Fall im Wildbad und der von Lend geblieben.
Vorahnend wirft die Einbildungskraft der Thalbewohner ein anderes Gemälde von Gastein auf fernen Hintergrund. Dort – so heißt es – wo jetzt das Patschker-Gütl neben dem Böcksteiner Wege steht, wird sich einst der letzte „Käskessel“ (Sennhütte) befinden. Es ist dies ein Bild wiederkehrender Eiszeit. Mag ein solches in entlegenen Jahrtausenden verwirklicht werden oder nicht – wir und unsere spätesten Nachkommen werden uns stets erfreuen an Gastein und an der Pracht der hohen Tauern. Ueber der Kräftigung des Körpers dürfen wir nicht vergessen, daß inmitten solcher Herrlichkeit auch unser Sinn erstarkt und sich gern vom Wuste des Alltäglichen Dingen zuwendet, welche die Selbstsucht abschwächen und den Willen veredeln.