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Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/17. Kapitel

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« 16. Kapitel Nikolaus Hunnius
Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche
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Das siebenzehnte Kapitel.
Nachdem für die Menschen dem göttlichen Gerichte genug geschehen ist, und sie mit Gott ausgesöhnt worden sind, lässet der Herr Christus ihnen dieses sein Gnadenwerk durch die Predigt des Evangeliums vortragen, und sie zum Genusse solcher Gnade gnädig berufen.

 439. Der Herr Christus hat die Sache der sündhaftigen Menschen bei Gott wieder gut gemacht, so daß wir diese Wohlthat nur mit dankbarem Herzen erkennen und annehmen dürfen. Dabei nimmt sich der Herr Christus unsrer abermals getreulich an, um uns zu seinem versöhnten Vater wieder zu bringen. Um dieses aber recht zu verstehen, haben wir zu sehen 1) auf die Handlungen des Herrn Christi und 2) auf die Mittel, welche in diesem Werke gebraucht werden.

 440. Dieser Handlungen sind sieben: a. der Beruf, b. die Buße, c. die Rechtfertigung, d. die Bekehrung, e. die Erneuerung, f. die Wiedergeburt, g. die Vereinigung mit Christo.

 441. Der Beruf ist die erste Handlung, durch die wir aufgefordert werden, Christi Wohlthaten zu genießen. Dieser ist uns hochnöthig. Denn wenn in einem Gefängnisse viele Gefangene lägen, die allesammt losgekauft wären, es würde ihnen aber die geschehene Erlösung nicht angesagt, noch sie gerufen, auszugehen, so wäre sie ihnen nichts nütze. Eben so wäre das| große Gnadenwerk, daß uns Christus mit seinem Blute aus der Höllen Gefängnisse erlöset hat, für uns ohne Nutzen, wenn uns nicht dasselbe verkündigt würde und wir nicht ermahnt würden, dieser Wohlthat zu genießen.

 442. Damit nun dieses geschehe, hat der Sohn Gottes neben seinem hohenpriesterlichen Amte auch das Propheten- oder Lehramt auf sich genommen und in demselben die Menschen von Gottes Gnade, die durch ihn den Menschen zu Theil geworden ist, unterrichtet.

 Bei diesem Amte des Herrn Christi sind vier Punkte zu betrachten: a. daß er dasselbe sonderlich führt und aller Menschen Lehrmeister sei, b. was er lehre, c. wen er lehre, d. zu welchem Ende und aus welcher Ursache er lehre.

 443. Christus führt das Lehramt und ist aller Menschen Lehrmeister. Dieses ist ein recht göttliches Amt, welches Gott der Herr selbst ihm allein zuschreibt, Jes. 48, 17.: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich lehrt, was nützlich ist, und leitet dich auf dem Wege, den du gehest.“ Desselben hat sich der Sohn Gottes angenommen, wenn er Matth. 11, 27. gesprochen: „Niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.“

 444. Daß ihm solches gebühre, wird bewiesen:

 a) Durch der Propheten Verkündigung, 5 Mos. 18, 15.: „Einen Propheten, wie mich, wird der Herr, dein Gott, dir erwecken, aus dir und deinen Brüdern, dem sollt ihr gehorchen.“ Jes. 50, 4.:| „Der Herr Herr hat mir eine gelehrte Zunge gegeben, daß ich wisse, mit den Müden zu reden zu rechter Zeit.“ Cap. 61, 1. 2.: „Der Geist des Herrn ist über mir, darum hat mich der Herr gesalbet, er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung und den Gebundenen eine Oeffnung, zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn.“

 b) Durch die Stimme des himmlischen Vaters. Matth. 17, 5.: „Siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dieß ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören.“

 c) Durch die Wunderwerke, durch die er seine Predigten so bekräftigte, daß seine Zuhörer bekennen mußten: „Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Joh. 6, 14. „Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht.“ Luc. 7, 16.

 445. Was der Herr Christus gelehrt hat. Er hat eigentlich nichts anders gelehrt, denn das Evangelium, welches eine gnadenreiche Predigt von dem gnädigen Willen Gottes, von Vergebung der Sünden und der ewigen Seligkeit, welches aus Gottes Gnade und des Herrn Christi Verdienst einzig und allein herkommt.

 446. Obgleich aber Jesus, wie oben dargethan worden ist, das Gesetz nicht aufgehoben hat, so ist er doch nicht ein Gesetzprediger zu nennen, weil er in diesem Punkte Mosi entgegengesetzt wird. Joh. 1, 17.: „Das Gesetz ist durch Mosen gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum| worden.“ Dieß geben auch seine Predigten zu erkennen, welche Matthäus in diese Summa gefaßt hat: „Thut Buße, das Himmelreich ist nahe herbei gekommen.“ Cap. 4, 17. Und er selbst zeigt seinen Jüngern an, was sie predigen sollen: „Also mußte Christus leiden u. s. w. und predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“ Luc. 24, 47. Die Predigt des Herrn Christi ist also ein Beruf der Menschen zum Himmelreich, zur Buße und Vergebung der Sünden, das ist, zum Gebrauch aller der Güter, die er ihnen durch sein Blut und seinen Tod erworben hat, wie auch dasselbe durch Gleichnisse von Einladung zur königlichen Hochzeit, Matth. 22, 3., und zu dem großen Abendmahle, Luc. 14, 17., von Christo selbst erklärt wird.
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 447. Die Apostel bezeichneten ihre Predigt mit folgenden kurzen Worten: Ich habe euch nichts verhalten, daß ich nicht verkündiget hätte allen den Rath Gottes, Apostelgesch. 20, 27. „Ich hielte mich nicht dafür, daß ich etwas wüßte unter euch, ohne allein Jesum Christum den Gekreuzigten.“ 1 Corinth. 2, 2. „Gott war in Christo, und versöhnete die Welt mit ihm selber, und rechnet ihnen ihre Sünde nicht zu, und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Gottes Statt, denn Gott ermahnet durch uns. So bitten wir an Christus Statt, lasset euch versöhnen mit Gott. Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“| 2 Corinth. 5, 18 ff. Dieß ist nun der ganze Inhalt dessen, was der Herr Christus in seinem Lehramte uns hat vorhalten und anzeigen sollen.

 448. Wen er lehre. Gleichwie das Amt der Versöhnung und der Erlösung alle Menschen angeht, so müssen auch alle Menschen davon gelehrt werden. Ob nun wohl dieß genug wäre, den allgemeinen Beruf aller Menschen zur Seligkeit zu beweisen, so ist doch, damit Niemand sich hierüber mit schweren Gedanken plage, als ob Gott ihn zu seiner Gnade und zu seinem ewigen Reiche nicht berufe, der allgemeine Beruf aller Menschen zum Reiche Gottes noch mit Folgendem zu beweisen:

 449. a) weil der Herr Christus alle Menschen zu sich rufet, Matth. 11, 28. „Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Nun sind alle Menschen mühselig und beladen, darum ruft er alle Menschen zu sich;

 450. b) weil er alle Menschen zu berufen und zu lehren befiehlt, Matth. 28, 19. gibt er seinen Jüngern den Befehl: „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker u. s. w.“ Marc. 16, 15. „Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium allen Creaturen.“ Dieß haben auch die Jünger getreulich gethan, V. 20.: „sie gingen aus und predigten an allen Orten.“ Coloss. 1, 6. „Das Wort der Wahrheit im Evangelio ist gekommen in alle Welt, und ist fruchtbar, V. 23.: „das Evangelium ist gepredigt unter aller Creatur, die unter dem Himmel ist.“ V. 28. „Wir verkündigen und ermahnen alle Menschen, mit aller Weisheit, auf daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu.“| Apostelgesch. 17, 30. legt St. Paulus den Befehl des Herrn Christi, den Aposteln gegeben, also aus: „Gott gebeut allen Menschen an allen Enden, Buße zu thun.“ Es wird demnach von der gnadenreichen Predigt das Evangelii kein Mensch ausgeschlossen;

 451. c) weil diejenigen, welche sich zum Reich Christi und zum Gebrauche seiner erworbenen Gnade nicht einfinden, darum gestraft werden, daß sie solchen Beruf nicht haben anhören wollen. Wen Gott mit höllischem Feuer und ewiger Verdammniß eben darum straft, weil er seinem Beruf nicht gehorsam gewesen ist, der muß gewißlich von Gott berufen worden sein. Nun straft Gott mit höllischem Feuer und Verdammniß die Ungläubigen eben darum, weil sie seinem Berufe nicht gehorsam gewesen sind; darum müssen die Ungläubigen von Gott gewiß berufen worden sein.

 452. Dieser Beruf der Ungläubigen kann aus vielen Schriftzeugnissen bewährt werden, Sprüchw. 1, 24 ff. „Weil ich denn rufe und ihr weigert euch, ich recke meine Hand aus, und Niemand achtet darauf, und lasset fahren allen meinen Rath, und wollt meiner Strafe nicht, so will ich auch lachen in eurem Unfall, und euer spotten, wenn da kommt, das ihr fürchtet.“ Jes. 65, 2. 5. „Ich recke meine Hand aus den ganzen Tag zu einem ungehorsamen Volk, das seinen Gedanken nachwandelt auf einem Wege, der nicht gut ist. Solche sollen ein Rauch werden in meinem Zorn, ein Feuer, das den ganzen Tag brenne.“

 Dergleichen Aussprüche mehr sind zu lesen Jes. 66, 4. Jerem. 7, 13 ff. Insonderheit zeigen das die Parabeln, die der Herr Christus zur Erklärung dieses Werkes| gebraucht hat, vorzüglich Luc. 14, 16. von dem großen Abendmahl, da der Hausherr beschließt, daß keiner derer, die geladen waren, sein Abendmahl schmecken soll. V. 24., und zwar darum, weil sie seinen freundlichen Beruf ausgeschlagen und verworfen hatten, dann die Verachtung bewog ihn zum Zorn, V. 21. Ausdrücklich aber sagt’s der Herr Christus Johann. 3, 18. „Wer an den Sohn Gottes nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes.

 453. Zu welchem Ende und aus welcher Ursache er lehre. Wenn wir das göttliche Wort ansehen, so finden wir, daß der Herr Jesus die Menschen um keine andere Ursache lehre, als

 a) daß sie Buße thun, Matth. 4, 17. „Thut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ Apostelgesch. 17, 30. „Nun gebeut Gott allen Menschen an allen Enden, Buße zu thun;“

 b) daß sie Vergebung der Sünden erlangen. Luc. 24, 47. „Also mußte Christus predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern;“

 c) daß sie in Christo vollkommen werden, Coloss. 1, 28. „Wir verkündigen und ermahnen alle Menschen, und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu;“

 d) daß er sie an der Seele erquicke, Matth. 11, 28.: „Kommet her zu mir u. s. w., ich will euch erquicken.“

|  e) daß sie der himmlischen Güter genießen, Jes. 55, 1.: „Wohlan alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser, und die ihr nicht Geld habt, kommt her und kaufet, und esset, kommt her und kaufet ohne Geld und umsonst, beide, Wein und Milch.“ Matth. 22, 4.: „ Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und Alles bereit, kommt zur Hochzeit.“ Luc. 14, 17. „Kommt, denn es ist Alles bereit;“

 f) daß er sie in seinen Schutz aufnehme. Matth. 23, 37. „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.“

 454. Daß aber Gott außer diesen angeführten Ursachen eine andere habe, die Menschen zu berufen, nämlich damit diese dadurch in ihr Verderben geführt, oder in ihrer Bußfertigkeit versteckt werden sollten, weil solchem dem Lichte der Natur ein grausamer Abscheu ist, ist in Gottes Wort nicht zu finden, auch darf unserm lieben Herrn Gott nicht zugetraut werden, daß er mit solchen freundlichem Vergeben Jemanden hintergehen und in’s Verderben stürzen sollte.





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