Helgi und Hedin
(Helga kvidha Hjörvardhs sonar.)
Féll hér î morgun at Frekasteini
Budhlungr sá er var baztr und sólu.
Edda Saem.[1]
Ich sing’ euch eine Märe so trübe und so hold,
Sie klang in alten Zeiten durch deutscher Saiten Gold,
Das Lied vom bösen Schwure, von scheidender Minne Noth,
Das ew’ge Lied der Treue, das Lied von Helgi’s Tod.
„Ihr meine Mannen alle, bereitet Fest und Schmaus!
Fluch liegt auf meinem Nacken von einer Zaubermaid;
Nun laßt durch Sühngelübde abwenden uns das Leid.“
Da spülten sie die Becher, da trugen sie das Mahl,
Die Hände drauf zu legen war Jeglicher bereit,
Zu wenden von dem Herrscher das angedrohte Leid.
Da hörte man im Saale Gelübde und Gebet,
Die Schenken waren emsig, in Strömen floß der Meth;
Da war es, daß Herr Hedin erhitzt vom Tische sprang.
Er legte auf den Eber zum Schwure seine Hand,
Den vollen Becher hielt er zur Nacht emporgewandt.
„Ihr habet mir wetteifernd gar manchen Eid gethan,
Es minnt mein Bruder Helgi ein wunderholdes Weib,
Svava ist sie geheißen, untad’lig ist ihr Leib;
Nun Götter, wehrt dem Unheil! der Schwur sei euch gethan,
Daß ich in kurzen Tagen sie bräutlich will umfah’n!“
Der erst mit kühnem Herzen an Hedin’s Tische saß;
Der trunkne König selber sah wirren Auges drein.
Es trennten sich die Gäste noch vor des Tages Schein. –
Es ritt am andern Morgen Herr Hedin traurig aus,
„Nun Heil dir, Bruder Hedin! Wie freut mich, dich zu seh’n!
Warum so trüb und einsam? Was ist dir, Held, gescheh’n?“
„Mich traf, viellieber Bruder, ein ungefüges Leid:
Fluch lag auf meinem Nacken von einer Zaubermaid;
Daß ich in kurzen Tagen sie bräutlich will umfahn.“
Da schaut ihm Helgi lange in’s bleiche Angesicht:
„Nun hör’ mich, Herzensbruder, blick auf und weine nicht!
Mich hat ein Held entboten zum Kampf nach Frekastein,
Drum klage dich, o Hedin, nicht allzuschmerzlich an!
Es kann sich wohl erfüllen der Schwur, den du gethan.“
Da staunet Hedin’s Auge in Wehmuth und in Lust,
Und Helgi zieht ihn schweigend an seine treue Brust.
Da hob sich wilder Holmgang im Feld bei Frekastein.
Doch als der Himmel glühte in früher Morgenstund’,
Da lag in Thau und Blumen Herr Helgi todeswund.
Es kniet bei ihm mit Schweigen Herr Hedin sorgenbleich.
Sie möge eilends kommen, das sagt der süßen Frau’n,
Wenn sie den Herzgeliebten noch einmal wolle schau’n.“ –
„Nun Heil dir, holde Svava! O stille deinen Schmerz!
Fried’ auf dein schönes Auge, Fried’ in dein süßes Herz!
Ich schau’ dein lichtes Antlitz auf Erden nimmermehr.“
Sie legt im Herzensjammer sein Haupt in ihren Schooß;
Was da der bittern Thränen von Aller Augen floß!
Sie beugt sich auf ihn nieder, sie küßt ihn auf den Mund,
Da sprach Herr Helgi sterbend: „Herzlieb, nun höre du
Auf meine letzte Bitte, sonst scheid’ ich ohne Ruh’:
Schenk’ Hedin deine Liebe, lehn’ all’ dein Leid an ihn,
So liebst du mich im Bruder, wenn ich auch nicht mehr bin.“
In diesen Armen ruhen, wenn du schied’st aus der Welt.
Das hab’ ich dir gelobet am ersten Liebestag; –
Weh’, daß mein Glück auf Erden so frühe enden mag!“
Da glänzt des Helden Antlitz auflebend noch einmal;
Vom Baume wehen Blüthen, im weiten Feld ist Ruh’,
Schön Svava küßt dem Helden die treuen Augen zu. –
Als Hedin unter Thränen den stummen Jammer sah,
Mit flammendüstern Augen zur Jungfrau sprach er da:
Bis Helgi’s Mörder stürzte, er und sein ganz Geschlecht!“
Er küsset ihr zum Abschied den thränenfeuchten Mund;
Ob er zurückgekommen, das ward mir nimmer kund.
Vielleicht hat ihn entbunden der Tod von seinem Eid, –
Das ist die alte Märe so trübe und so hold,
Sie klang in alten Zeiten durch deutscher Saiten Gold;
Wehmüthig grüßt’s herüber wie fernes Abendroth,
Das ew’ge Lied der Treue, das Lied von Helgi’s Tod.
Anmerkung (Wikisource)
- ↑ Altisländisch. Entstammt aus der Edda:
39 Hier fiel in der Frühe bei Frekastein
Der Edlinge edelster unter der Sonne.
Siehe Helgakvidha Hjörvardhssonar.