Hoffen und Harren
[035] Hoffen und Harren. (Mit Illustration S. 25.) „Mademoiselle, mein Herz liegt in Ketten vor Ihnen. Jeder Gedanke in mir ist Weihrauch der Anbetung für Sie, mein Pulsschlag nichts mehr als ein Zittern unter der Macht Ihrer Reize. Wenn das schöne Erbtheil der weiblichen Natur, jenes zärtliche Mitleid mit dem Elend, Ihnen nicht versagt ist, geben Sie mir Gelegenheit, Ihnen ohne Zeugen zu sagen, welch ein Abgrund voll Schmerz und Verzweiflung nach Ihnen verlangt hat. Ihr armer Sklave, Mademoiselle ...“ – „Erwarten Sie mich um 8 Uhr Abends auf der Bank unter der Ulme.“ Das ist die Vorgeschichte. Er ist ein armer verliebter Thor, und sie ein gottloser Schelm, daran läßt unsere graziöse Illustration keinen Zweifel übrig. Da sitzt er und überlegt mit klopfendem Herzen, was er ihr sagen will, um sie zu rühren – o, sie wird ihm das vielleicht erschweren, aber endlich wird sie ihn erhören; wie würde sie sonst diese Friedenstaube von Billet gesandt haben! Indessen steht sie bereits mit der spottlustigen Freundin, von Malven und Amoretten gedeckt am Treppenfuße und betrachtet ihr Opfer. „Pst – da ist er, der Vulkan von Liebe, der Abgrund voll Schmerz und Verzweiflung. Man muß dieses Feuer mit einem kalten Gusse behandeln.“
Sie werden ihn lachend begrüßen, und er wird gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. Vielleicht hat er die Lektion verdient.
Einstweilen sitzt er noch, eine bedauerliche Illustration des alten:
Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. V. B.