Hohes Alter (Die Gartenlaube 1885)
[304] Hohes Alter. Zu dem vielgepriesenen Segen der „guten alten Zeit“ und der guten alten Sitten gehört auch das hohe Alter, welches unsere Vorfahren erreicht haben sollen und das, wie man behauptet, höher war als dasjenige, welches die durch Kultur verdorbenen Menschen gegenwärtig als die Grenze ihres Lebens bezeichnen müssen. Namentlich aus der Geschichte Roms und Griechenlands werden viele angesehene Männer genannt, die länger als ein Jahrhundert gelebt haben. Interessant ist es nun, an der Hand der modernen Statistik zu erfahren, daß dieses Alter auch in unserer raschlebigen Zeit keineswegs eine große Seltenheit bildet. Prüfen wir einmal die Sterbestatistik Preußens und greifen nur ein einziges Jahr heraus, das Jahr 1883! Da sehen wir, daß unter den Gestorbenen in diesem Jahre allein 683 Männer und 1073 Frauen 90 bis 95 Jahr, 124 Männer und 245 Frauen über 95 bis 100 Jahre und 34 Männer nebst 75 Frauen über 100 Jahre alt waren. Noch auffallender erscheint uns der Vergleich der durchschnittlichen Lebensdauer zwischen dem Alterthume und unserer Zeit. Ein Menschenalter betrug nach griechischer Rechnung 331/3 Jahr. Man berechnete dasselbe in neuester Zeit nach denselben Principien und kam zu dem überraschenden Resultate, daß dasselbe jetzt 33,06 Jahre beträgt. Die Kunst alt zu werden ward somit im Alterthum nicht besser geübt, als heutzutage. – i.