Im Spatzenklub

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Textdaten
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Autor: Karl Ruß
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Titel: Im Spatzenklub
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 781, 788
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[781]

Im Spatzenklub.
Nach dem Oelgemälde von Marie Laux.

[788] Im Spatzenklub. (Mit Illustration S. 781.) Immer zerbrach ich mir schon den Kopf darüber, was das häßliche fremde Wort Klub, das sich im deutschen Volksleben leider immer mehr einnistet, eigentlich zu bedeuten habe. In England, wo wir seine Berechtigung gelten lassen müssen, steht es im Gegensatz zu Society, dem wissenschaftlichen Verein, Union, der großen umfassenden Vereinigung, Association, der kaufmännischen Gesellschaft oder Handelsverbindung, und Alliance, der staatlichen Verbindung oder dem Bündniß schöner Seelen, gleichviel welcher. Als ich aber das Bild von Marie Laux vor mir sah, fand ich augenblicklich eine lebensvolle Erklärung des Worts Klub. Ja, ein Spatzenklub ist es in der That, der sich hier in den Zweigen der Platane breit macht. Da sehen wir die biederen gefiederten Spießbürger so recht in ihrem Leben und Treiben veranschaulicht, wie sie sich jahrein und jahraus hier umhertummeln. Den verspäteten Käfer, der sich vorwitzig zum Tageslicht emporgewagt, hat ein Spatz gepackt, und während er ihn erwürgt, stürzt ein anderer, dann noch ein dritter herzu, und selbst ein vierter möchte noch etwas von der leckeren Beute erhaschen, wenn er nur den Muth dazu hätte, darum mitzuraufen. Für den Fliegenschnäpper, der im vorigen Frühling in der Dorfschule auf dem um das Kaiserbild gehängten Kranz genistet, hat man in diesem Jahre vorsorglich einen Nistkasten in den Zweigen der Platane ausgehängt; er steht jetzt leer und verlassen, das scheint aber unsern Spatzen gerade willkommen zu sein. Im Fluge ist der Kasten bezogen, und nun bildet er den fortwährenden Streitpunkt oder Zankapfel im Spatzenklub.

Während ein Weibchen schon darin sitzt und sein Männchen vor der Thür, kommt ein zweiter Spatz mit einer großen Feder herbei, und ein dritter mit Halmen im Schnabel wird nur noch einen Augenblick aufgehalten durch die Balgerei um den Käfer. Sobald eine solche aber hier beginnt, eilen sie alle, auch noch ein vierter oder fünfter heran, um auch dabei zu sein. Oberhalb sitzt ein Paar, welches sich um diesen Krakehl nicht bekümmert, denn sie haben beide mit dem ihrigen genug zu thun; sie schelten einander weidlich aus oder zanken und streiten um des Princips willen. Weiter abseits sitzt ein Pärchen, welches sich erst recht nicht um das Treiben rings umher kümmert; sie liebkosen mit einander, als wenn außer ihnen beiden Niemand auf der Welt vorhanden wäre. Unten in der Ecke kauert einer tief in philosophische Betrachtungen versunken. Noch einer oben hockt anscheinend trübselig da; er ist offenbar ein Idealist, der am besten durch das Leben zu kommen glaubt, wenn er die Augen zukneift und sich um die harte, alltägliche Wirklichkeit gar nicht kümmert.

Ueberschauen wir das ganze Bild nochmals, so sehen wir den Spatz als getreues Ebenbild des Menschen vor uns. Alle Neigungen und Regungen, Freude und Leid, Zank und Streit, Liebe und Haß giebt es im Spatzenleben ebenso wie bei uns. Müssen wir da nicht unwillkürlich fragen, wie würde die Welt aussehen, wenn wirklich das grausame Wort Ausrottung dem Vogel gegenüber, der uns am nächsten steht und in gar mancherlei Dingen auch am ähnlichsten ist, hart und unerbittlich zur Geltung gebracht werden sollte – wie würde die Welt aussehen ohne Spatzen! Karl Ruß.