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Löwenjagd im Aeroplan

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Löwenjagd im Aeroplan
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 5, S. 208–212
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Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[208] Löwenjagd im Aeroplan. – In einer in Kapstadt erscheinenden Zeitung veröffentlichte unlängst der englische Aviatiker Patterson seine Erlebnisse bei einer Löwenjagd, die er im Auftrage der Pariser Filmfabrik Pathé im Aeroplan, begleitet von dem Leutnant Croce als Schütze, unternahm. Patterson war von einem Impresario für eine Reihe von Schauflügen in Kapstadt gewonnen worden. Der Besuch der aviatischen Vorführungen war aber nur ein sehr mäßiger, so daß der Impresario es vorzog, mit den geringen Einnahmen schleunigst zu verschwinden, ohne Patterson auch nur eine einzige Rate der vereinbarten Gage zu zahlen. Der Flieger sah sich daher genötigt, zumal die Gläubiger des Impresarios seine Berbley-Maschine mit Beschlag belegt hatten und ihm ein langwieriger Prozeß um Freigabe des Flugzeuges drohte, das Angebot des Vertreters der Filmfabrik Pathé anzunehmen, der ihm eine hohe Summe für die Ausführung einer Löwenjagd im Aeroplan zusagte. Patterson unterzeichnete den Vertrag und erhielt sofort die Hälfte des Honorars ausgezahlt, löste damit seine Maschine aus und reiste mit dem Vertreter der Firma Pathé, einem Herrn Levallier, und dem englischen Leutnant Croce, einem vorzüglichen Jäger, ins Innere ab.

[209] „Als wir mit der Eisenbahn auf der Station Vrijburg in Betschuanaland anlangten,“ erzählt Patterson, „sah ich erst, in welch vorzüglicher Weise Levallier alles vorbereitet hatte. Am Bahnhof erwarteten uns drei mächtige Ochsenwagen, mit denen wir die Fahrt in die Kalaharisteppe antreten sollten. Auf zweien der geräumigen Gefährte wurden das auseinandergenommene Flugzeug, das notwendige Reparaturmaterial, Ersatzteile und Benzinbehälter verstaut. Der dritte Wagen diente uns Europäern als Wohnung. Die Begleitung der Ochsenwagen bestand aus einigen achtzig Kaffern und sechs Buren. Letztere, die mit der Löwenjagd genau Bescheid wußten und schon vorher das günstigste Jagdgebiet ausgesucht hatten, waren rauhe, wenig zugängliche Gesellen, die für alles, was Engländer hieß, eine offene Abneigung bezeigten. Auf dem Wege durch die von Waldstücken durchschnittene Steppe nahm Levallier, wo sich ihm nur ein dankbares Objekt bot, fleißig kinematographische Bilder auf – Negertänze, Götzenfeste, Straußenjagden und ähnliches.

Nach vierzehntägigem Marsche erreichten wir den Fluß Molopo, ein Gewässer, das in der trockenen Jahreszeit nur aus sumpfigen Wasserlachen besteht. Hier am Ufer des Molopo wurde das Lager aufgeschlagen. Schon in der ersten Nacht hörten wir deutlich das Brüllen einiger Löwen, die sich sicher um den von uns auf einer flachen Grasebene angebundenen Zugochsen stritten. Durch das Opfer dieses Ochsen hofften wir die Bestien, die oft beim Nahen einer Karawane sich weit in die Einöde zurückziehen, an Ort und Stelle festzuhalten.

Als wir am nächsten Morgen den Platz besuchten, wo der arme Ochse zurückgelassen worden war, fanden wir von ihm nur noch den ziemlich unversehrten Schädel und einige weit umhergestreute Knochen. Levallier photographierte den Platz, nachdem er dazu noch ein paar wirkungsvolle Bilder gestellt hatte. Als der Abend anbrach, mußte ein zweiter Ochse den Todesgang nach jener Stelle antreten.

So opferten wir im ganzen vier Tiere, erreichten dadurch aber auch, daß sich im Laufe der Zeit nicht weniger als sieben Löwen zusammengefunden hatten, wie die Buren aus den [210] Fährten feststellten. Die Bestien hatten sämtlich in einer dornenbewachsenen, etwa drei Kilometer entfernten Schlucht ihr Quartier aufgeschlagen, was ebenfalls durch die Buren ausgekundschaftet wurde. Unter diesen Umständen konnten wir endlich daran denken, an die Ausführung unseres eigentlichen Zweckes zu gehen.

Inzwischen hatte ich meine Maschine mit Hilfe meines Technikers fertig montiert und auch einen kurzen Probeflug unternommen, der zu vollster Zufriedenheit ausfiel. Leutnant Croce saß dabei vor mir auf dem eigentlichen Führersitz meines Eindeckers, wo er mehr Bewegungsfreiheit hatte, während ich die Lenkung von dem Passagiersitz aus besorgte, eine nicht gerade leichte Aufgabe.

Der wichtige Tag war da. Gegen fünf Uhr, als eben die ersten hellen Streifen am östlichen Horizont sichtbar wurden, verließen vier von den Buren mit den zumeist mit alten Steinschloßflinten bewaffneten Treibern, etwa achtzig an der Zahl, das Lager, um jene Dornenschlucht zu umstellen. Zwei Stunden später brachen wir anderen auf. Zehn Kaffern zogen an langen Seilen die Maschine, die in dem hohen Grase nur schwer vorwärts kam. Endlich langte unser Trupp in der Nähe der Schlucht an. Den Ort, wo das Flugzeug bequem anlaufen konnte, hatten wir schon ausgesucht. Es war ein sandiger, ebener Fleck ohne hindernden Graswuchs, für unsere Zwecke also wie geschaffen.

Mit kräftigem Handschlag verabschiedeten wir, Croce und ich, uns dann von Levallier, der mit dem kinematographischen Aufnahmeapparat in einem Gebüsch ziemlich dicht vor der Schlucht Aufstellung nahm. Als Bedeckung sollten Levallier zwei der Buren, mein Monteur und die zehn mit guten Hinterladern bewaffneten Kaffern, die vorher den Aeroplan gezogen hatten, dienen. Der Motor wurde, nachdem wir auf dem Eindecker Platz genommen, angekurbelt, und nach kurzem Anlauf stiegen wir tadellos auf. Nach unserer Verabredung schlug ich in etwa hundert Meter Höhe die Richtung nach unserem Lager ein, um zunächst zu probieren, ob der Motor auch sicher funktionierte. In weitem Bogen kehrten wir dann zurück.

[211] Jetzt begannen die Treiber ihre Tätigkeit. Während wir über der Schlucht enge Kreise zogen, vollführten unter uns die Schwarzen einen wahren Höllenlärm. Schüsse knallten, Feuerwerkskörper zischten, Steine prasselten in die Dornen hinein, Negerkehlen brüllten ihre schrillen Schlachtrufe – kurz, selbst der taubste und faulste Löwe mußte vor dem Spektakel die Flucht ergreifen.

Die Treiberkette war so aufgestellt worden, daß die Bestien nur nach der Seite hin, wo Levallier stand, ausbrechen konnten. Sehr bald erschien denn auch ein Löwenpaar, Männchen und Weibchen, am Rande der Schlucht und floh in weiten Sätzen auf das schirmende Gebüsch zu, in dem Levallier Deckung gefunden hatte.

Als die Tiere bis auf fünfzig Meter herangekommen waren, trat Levalliers Schutzgarde unter den Zweigen hervor und stimmte gleichfalls ein mörderisches Gebrüll an. Die Löwen stutzten. Indessen hatte ich den Eindecker umgelenkt, und wir flogen nun in etwa dreißig Meter Höhe über den Tieren. Croce ergriff seine großkalibrige Selbstladebüchse und feuerte in kurzen Zwischenräumen dreimal, traf aber nicht, trotzdem die Löwen wie angewurzelt standen. Der Lärm des surrenden Propellers hatte sie förmlich betäubt. Ich wendete. Wieder schwebten wir seitlich an den Bestien vorbei, die, unschlüssig mit den Schweifen das Gras hin und her peitschend, auf ihrem Platze blieben. Der Leutnant schoß abermals und traf. Die Löwin machte einen gewaltigen Satz und jagte davon. Ihr nach ihr Herr und Gebieter. Wir hätten die Tiere bequem weiter verfolgen können, mußten aber davon Abstand nehmen, da wir sonst aus dem Gesichtsfeld von Levalliers Apparat gekommen wären.

Die Treiberschar hatte sich, durch Signale mit weißen Tüchern verständigt, nach dem Austreten der ersten Löwen ruhig verhalten. Jetzt begann der zweite Trieb. Wieder knallten die Flinten, pufften die Feuerwerkskörper. Minuten vergingen. Dann erschienen gleichzeitig drei Löwen vor der Schlucht und trabten ohne sonderliche Eile in der Richtung auf Levallier davon. Das alte Spiel wiederholte sich. Croce, [212] der inzwischen völlig ruhig geworden war, hatte diesmal mehr Glück. Keine zwanzig Meter vor dem Aufnahmeapparat brachte er einen Löwen durch einen tadellosen Kopfschuß zur Strecke. Die beiden anderen brachen nach seitwärts aus.

Damit war die Jagd beendet. Denn obgleich noch zwei weitere Löwen aus ihrem Versteck hervorgetrieben wurden, kam der Leutnant nicht mehr zum Schuß. Die Tiere kehrten plötzlich um, durchbrachen die Treiberkette und verschwanden.

Ich war froh, als Levallier mit seinem roten Seidentuch uns zuwinkte und wir landen konnten. Denn diese Jagd war für meine Nerven doch etwas reichlich viel gewesen. Auch Croce war total erschöpft. Die rechte Backe war ihm beim Rückschlag des Gewehres, das er in der Eile einmal nicht fest genug angezogen hatte, ganz blau geschlagen und schwoll später stark an.

Levallier drückte uns, als wir kaum unsere luftigen Sitze verlassen hatten, begeistert die Hände. Er hatte alle Hoffnung, daß die Aufnahmen glänzend gelungen waren, und das blieb ja die Hauptsache.

Jetzt nach beendeter Hauptarbeit wurden erst in aller Ruhe die einleitenden Szenen für den sensationellen Film gestellt: das Anrücken der Jagdgesellschaft, in der Mitte der Aeroplan, die Aufstellung der Treiberkette und so weiter. Dann kamen die Schlußbilder, Marsch nach dem Lager mit dem erlegten Wilde und das Siegesfest im Lager, daran. So ein bißchen Schwindel ist eben bei jedem Kinofilm dabei.

Der zur Strecke gebrachte Löwe war ein recht stattlicher Bursche. Das Fell durfte ich als Extrabelohnung behalten. Schon am nächsten Tage kehrten wir dann in kultivierte Gegenden zurück. Croce und ich hätten allerdings noch allzu gern eine zweite Jagd veranstaltet, da wir mittlerweile doch Geschmack an dem aufregenden Vergnügen gefunden hatten. Aber Levallier wollte nicht. Er mußte den Geldbeutel seiner Firma schonen, der diese Expedition täglich ein nettes Sümmchen kostete.

W. Kabel.