Lettische Volkslieder und Mythen/Scherz und Spott. Sang und Trank

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Götterlieder Lettische Volkslieder und Mythen
von Victor von Andrejanoff
Wehe, Windchen
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[39]

Lerne, lerne, liebes Ännchen,
Kinder wiegen, Kinder warten!
Heut noch wartest du ein fremdes,
Übers Jahr vielleicht das eigne.

[39]

Julchen, ei, was muß ich sehen?
Bist wohl gar ein Kohldieb worden?
Hast zwei Köpfchen Kohl gestohlen
Und am Busen sie verborgen.

[39]

Heimchen hat ein Weib genommen,
Floh führt an den Hochzeitszug,
Heimchen in dem Seidenröckchen,
Floh im schwarzen Wollenkleid.

[39]

Zwiebeltochter fährt zur Trauung
Mit des Knoblauchs ältstem Söhnlein;
Großer Schnittlauch, kleiner Schnittlauch
Reiten mit im Hochzeitszug.

[39]

Hirten treibt die Herde heim!
Schon gerüstet ist das Mahl:
Ein paar magre Hundefüße
Und ein leckres Welpenköpfchen!

[39]

Eh’ ich zu dem Gutsherrn ging,
That ich Eis in meine Tasche,
Daß des Gutsherrn harter Sinn
Schmölze mit dem Eisesklumpen!

[39]

Schlechter Esthe, Sohn des Teufels,
Woher kamst nach Lettland du?

[40]

Grütze kocht dir deine Mutter,
Mit der Hündin Fuß sie rührend,
Mit des Huhnes Schmalz sie fettend
Und mit Schweinemilch verdünnend![1]

[40]

Backfischchen weinte,
Jüngelchen weinte,
Daß beider Augen
Flossen wie Bächlein: –
Backfischchens Mitgift
War noch nicht fertig,
Jüngelchens Gerste
War noch gesät nicht!

[40]

Schwester klagt dem Bruder bitter,
Daß die Leute sie verklatschen.
Bruder giebt der Schwester Antwort:
     „Welchen Baum bewegt der Wind nicht?
     Welches Korn trifft Hagelschlag nicht?
     Wen verschonen böse Zungen?“

[40]

Bienchen, Bienchen, braungeaugtes,
Gleichen Alters sind wir nicht:
Du warst da, als ich geboren,
Du bleibst da, wenn ich gestorben!

[40]

Gerste sät’ ich hinterm Hügel,
Daß der Hopfen sie nicht schaue;
Doch der Hopfen ist ein Schläuling:
Auf den Baum stieg er – und sah sie.

[40]

Ei, ei, Brüderchen,
Wo blieb die Mütze?
     „Beim Schankwirt, Schwesterchen,
     Als Bierkrugdeckel!“

[41]

Sehr beweglich klagt der Trinker:
„Wo nur finde ich ein Bräutchen?
Weiße Blum’ am Mühlenteiche
Soll mein liebes Bräutchen werden!“
Doch die weiße Blum’ erwidert:
„Nimmer frei’ ich einen Trinker,
Nimmer einen Branntwein-Bruder,
Stürze lieber mich ins Wasser!“ –

[41]

Bruder Bier mich also fragte:
„Brüderchen, willst du mich trinken?
Nun, sobald du von mir trinkest,
Nimm auch lust’ge Lieder an!“

[41]

Laßt uns singen, traute Schwestern,
Weil wir alle noch beisammen!
Ach, Gott weiß, wo übers Jahr
Jede von uns weilen wird?
Manche in der weiten Fremde,
Manche unterm sand’gen Hügel!

[41]

Singe, singe, arme Waise,
Kennst ja viele schöne Lieder!
Für den Tod von Vater, Mutter,
Hast im Sang du Trost gefunden.

[41]

Zornig schilt die liebe Mutter,
Müde meines vielen Singens,
„Sag mir, Mütterchen, wo laß ich
Meine Sang- und Klangeslust?
Soll ich sie am Ende gar
In den tiefen See versenken?“

[41]

Sag, wo fandest du die Worte,
Die das Aug’ zu Thränen rühren?

[42]

Sag, wo hörtest du die Weise,
Die so traurig stimmt das Herz?
„Drüben, drüben hinterm Flusse
Hab’ ich Wort und Weis’ vernommen;
Hab’ wie Perlen sie gereihet
Dann auf meine Liederschnur’“

Anmerkungen

  1. Illustriert den alten Haß der Letten gegen die Esthen.