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Licht und Laune

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Licht und Laune
Untertitel:
aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1915, Zwölfter Band, Seite 215–217
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1915
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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Quelle: Commons
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[215] Licht und Laune. – Das junge Doktorspaar war bald in der ganzen Stadt als ein selten gastfreies und liebenswürdiges Ehepaar bekannt. Sie lebten in guten Verhältnissen, die Praxis des strebsamen und klugen Arztes nahm von Tag zu Tag zu, und doch dachte die Frau Doktor stets mit leisem Grauen an ihre Gesellschaften. Sie wußte es eben nur zu gut, daß ihr die Abendfestlichkeiten in ihrem geschmackvollen Heim eigentlich nichts als Widerwärtigkeiten eintrugen. Vergeblich hatte sie sich schon häufig ihr hübsches Köpfchen darüber zermartert, weshalb bei ihr die Gäste beim besten Willen nicht in die rechte, fröhliche Stimmung zu bringen waren und stets etwas wie eine Gewitterstimmung über den Anwesenden lagerte, die sich ganz besonders unbehaglich zu fühlen schienen, solange man bei der Tafel saß.

Eines Nachmittags erschien die Frau Amtsrichter bei der Frau Doktor zu einem Plauderstündchen, und der vertraute letztere ihr Leid an.

„Sehen Sie, meine Liebe – ich begreife nicht, woran es nur liegen mag, daß es bei uns nie wirklich gemütlich wird. Meine Köchin leistet doch anerkanntermaßen recht Gutes, die besten Weine kommen auf den Tisch, und es fehlt weder an ausgesuchtem [216] Blumenschmuck noch an sonstigen Dingen, die ein Gastmahl zu einem wirklichen Genuß machen. Und trotzdem die Liste der jeweilig Geladenen mit größter Sorgfalt zusammengestellt wird, scheint doch, sobald die Besucher sich gegenübertreten, daß etwas wie eine nervöse Gereiztheit von ihnen Besitz ergreift. Und zwar scheint die reizbare Stimmung zuerst die Damen zu erfassen und von diesen allmählich auch auf die Herren überzugehen. Bei Ihnen habe ich ähnliches nie bemerkt.“

Die Frau Amtsrichter lächelte. „In vierzehn Tagen geben wir unsere nächste Gesellschaft, liebe Frau Doktor, zu der Sie und Ihr Herr Gemahl natürlich gleichfalls geladen werden. Vielleicht finden Sie dann bei einiger Aufmerksamkeit den kleinen Fehler heraus, an dem Ihre Feste leiden.“

Zu einer weiteren Aufklärung ließ die Dame sich jedoch nicht bewegen. –

Der Gesellschaftsabend war da. Amtsrichters strengten sich bei derartigen Gelegenheiten durchaus nicht sehr an und wendeten vielleicht nur halb soviel Geld auf für Leckerbissen, Weine und Blumen wie Doktors. Trotzdem herrschte unter den Gästen die heiterste Laune, niemand dachte an frühes Aufbrechen.

Die junge Frau Doktor war vielleicht die stillste des übermütigen Kreises. Unablässig beschäftigte sie sich mit der Ergründung des Rätsels, ohne jedoch die Lösung erraten zu können.

Da wandte sie sich denn schließlich an die Frau Landgerichtsdirektor, eine liebenswürdige Dame in den Vierzigern, bei der es ebenfalls stets außerordentlich gemütlich herging, und teilte ihr das unlängst mit der Gastgeberin des heutigen Abends geführte Gespräch mit.

Die Frau Landgerichtsdirektor hörte aufmerksam zu und wies dann auf die Gaskronen und Wandleuchter, deren Lichter sämtlich mit rosa Gaze verhüllt waren.

„Darin liegt das ganze Geheimnis,“ sagte sie freundlich. „Fällt Ihnen denn nicht auf, liebe Frau Doktor, wie hübsch wir hier alle ausschauen, während wir bei Ihnen uns so alt und häßlich vorkommen? – Warum in aller Welt müssen Sie nur Ihre reizenden Gesellschaftsräume, die ja viel schöner sind als diese, so strahlend hell bis in die äußersten Winkel durchleuchten? Da [217] kann man vorher stundenlang am Toilettentisch sitzen und sich die größte Mühe geben, um die unvermeidlichen Spuren der Jahre, die wir leider hinter uns haben, möglichst zu verbergen – sobald wir in die blendende Lichtflut treten, mit der Ihre kostbaren elektrischen Beleuchtungskörper alles überschwemmen, wissen wir nicht mehr ganz jugendlichen Evastöchter, die wir so gern doch noch ein bißchen schön sein möchten, daß unser Bemühen vergebens war.“ –

Die nächste Gesellschaft bei Doktors gestaltete sich zu einem großen Erfolg. Mattes rosenfarbenes Licht erfüllte jeden Raum, und rosenfarbene Laune leuchtete aus den Augen der Damen und somit auch aus denen der Herren. Und als die Frau Amtsrichter sich dann von der Frau Doktor verabschiedete, meinte sie fröhlich: „Ich sehe, Liebste, Sie haben das große Geheimnis ergründet. Aus dem Licht, das sich um uns ergießt, sprudelt der guten Laune heiterer Quell!“

W. K.