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Walther Kabel: Licht und Laune (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 12)

Blumenschmuck noch an sonstigen Dingen, die ein Gastmahl zu einem wirklichen Genuß machen. Und trotzdem die Liste der jeweilig Geladenen mit größter Sorgfalt zusammengestellt wird, scheint doch, sobald die Besucher sich gegenübertreten, daß etwas wie eine nervöse Gereiztheit von ihnen Besitz ergreift. Und zwar scheint die reizbare Stimmung zuerst die Damen zu erfassen und von diesen allmählich auch auf die Herren überzugehen. Bei Ihnen habe ich ähnliches nie bemerkt.“

Die Frau Amtsrichter lächelte. „In vierzehn Tagen geben wir unsere nächste Gesellschaft, liebe Frau Doktor, zu der Sie und Ihr Herr Gemahl natürlich gleichfalls geladen werden. Vielleicht finden Sie dann bei einiger Aufmerksamkeit den kleinen Fehler heraus, an dem Ihre Feste leiden.“

Zu einer weiteren Aufklärung ließ die Dame sich jedoch nicht bewegen. –

Der Gesellschaftsabend war da. Amtsrichters strengten sich bei derartigen Gelegenheiten durchaus nicht sehr an und wendeten vielleicht nur halb soviel Geld auf für Leckerbissen, Weine und Blumen wie Doktors. Trotzdem herrschte unter den Gästen die heiterste Laune, niemand dachte an frühes Aufbrechen.

Die junge Frau Doktor war vielleicht die stillste des übermütigen Kreises. Unablässig beschäftigte sie sich mit der Ergründung des Rätsels, ohne jedoch die Lösung erraten zu können.

Da wandte sie sich denn schließlich an die Frau Landgerichtsdirektor, eine liebenswürdige Dame in den Vierzigern, bei der es ebenfalls stets außerordentlich gemütlich herging, und teilte ihr das unlängst mit der Gastgeberin des heutigen Abends geführte Gespräch mit.

Die Frau Landgerichtsdirektor hörte aufmerksam zu und wies dann auf die Gaskronen und Wandleuchter, deren Lichter sämtlich mit rosa Gaze verhüllt waren.

„Darin liegt das ganze Geheimnis,“ sagte sie freundlich. „Fällt Ihnen denn nicht auf, liebe Frau Doktor, wie hübsch wir hier alle ausschauen, während wir bei Ihnen uns so alt und häßlich vorkommen? – Warum in aller Welt müssen Sie nur Ihre reizenden Gesellschaftsräume, die ja viel schöner sind als diese, so strahlend hell bis in die äußersten Winkel durchleuchten? Da

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Walther Kabel: Licht und Laune (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 12). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Licht_und_Laune.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)