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MKL1888:Elektrische Kraftübertragung

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Elektrische Kraftübertragung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Elektrische Kraftübertragung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 5 (1886), Seite 515516
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Elektrische Kraftübertragung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 515–516. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Elektrische_Kraft%C3%BCbertragung (Version vom 27.12.2022)

[515] Elektrische Kraftübertragung, die Fortpflanzung mechanischer Arbeit auf größere Entfernung mittels des elektrischen Stroms, unterscheidet sich von den in der Mechanik sonst gebräuchlichen Transmissionen hauptsächlich dadurch, daß sie die mechanische Energie nicht als solche weiterführt, sondern dieselbe zunächst in elektrische umwandelt und von der Erzeugungsstelle mittels Drahtleitung zur Verwendungsstelle fortpflanzt, wo dann die Zurückverwandlung von elektrischer Energie in mechanische vor sich geht. Als Mittel zur Umwandlung von mechanischer Energie in elektrische und umgekehrt dienen die elektrischen Kraftmaschinen (magnet- oder dynamoelektrische Maschinen). Verbindet man zwei derartige Stromerreger durch eine Leitung und setzt einen derselben durch irgend welche mechanische Triebkraft, z. B. Dampf- oder Wasserkraft, in Bewegung, so wird der von ihm erzeugte Strom die zweite Maschine durchlaufen und ebenfalls in Bewegung setzen, doch so, daß beide Maschinen sich in entgegengesetztem Sinn drehen. Die Bewegung der zweiten Maschine kann nun wieder zu technischen Arbeitsleistungen nutzbar gemacht werden, wobei die mechanische Arbeit, welche die stromerzeugende oder primäre Maschine von dem Motor abnimmt, nach Abzug der unvermeidlichen Energieverluste in der stromempfangenden oder sekundären Maschine wiedererhalten wird. Die e. K. zeichnet sich vor jeder andern Transmission vorteilhaft durch ihre geringe Abhängigkeit von der Entfernung aus, da man theoretisch die Verbindungsleitung zwischen der primären und sekundären Maschine beliebig groß wählen kann, während Transmissionen andrer Art immer nur auf beschränkte Abstände verwendbar sind. In der Praxis erleidet nun freilich die Wirkungsweite der elektrischen Kraftübertragung eine erhebliche Einschränkung, weil die in Frage kommenden elektrischen Größen thatsächlich nicht bis ins Unendliche steigerungsfähig sind, sondern innerhalb gewisser durch die Unvollkommenheit unsrer technischen Hilfsmittel gebotener Grenzen gehalten werden müssen.

Der in der primären Maschine erzeugte Strom hat zunächst den Widerstand des gesamten Stromkreises, also die beiden Maschinenwiderstände und den Widerstand der Verbindungsleitung, zu überwinden und bedarf hierzu einer gewissen Menge Energie, welche vorab geliefert werden muß, ehe von einer äußern Arbeitsleistung der sekundären Maschine die Rede sein kann. Die Arbeit, welche der Strom bei der Überwindung dieses Widerstandes leistet, erzeugt keine Bewegung, sondern setzt sich nach einem bekannten Grundgesetz der Mechanik in Wärme um und geht als solche für die technische Verwertung verloren. Bezeichnet man die in der primären Maschine erzeugte elektrische Arbeit mit , die in der sekundären Maschine zurückverwandelte mit und den Energieverlust durch Erwärmung des Stromleiters, die sogen. Stromwärme, mit , so ist , woraus sich der elektrische Nutzeffekt der Kraftübertragung ergibt. Für die Praxis kommt jedoch nicht der elektrische, sondern der mechanische Nutzeffekt in Betracht, d. h. das Verhältnis der von der primären Maschine aufgenommenen Arbeit des Motors zu der nützlichen Arbeitsleistung der sekundären Maschine; derselbe ist bedeutend niedriger, weil auch die Maschinen durch Zapfenreibung, Luftwiderstand u. dgl. zu Verlusten Anlaß geben, die in jeder Maschine bis zu 20 Proz. betragen. Ein mechanischer Nutzeffekt von 50 Proz. ist deshalb bei einer elektrischen Kraftübertragung schon als ein günstiges Ergebnis zu bezeichnen, [516] obwohl derselbe nicht unter allen Umständen ausreichen dürfte, um die Rentabilität einer solchen Einrichtung außer Frage zu stellen.

Für jede e. K. entspricht eine bestimmte Belastung der sekundären Maschine, d. h. eine bestimmte Arbeitsleistung derselben bei jeder Umdrehung, auch einer bestimmten Stromstärke, welche durch Schwankungen in der Geschwindigkeit der Maschinen nicht verändert werden kann. Nach dem Ohmschen Gesetz ist aber die Stromstärke direkt proportional der elektromotorischen Kraft und umgekehrt proportional dem Leitungswiderstand. Wächst dieser letztere, wie es bei zunehmender Leitungslänge der Fall ist, so muß man, um die gleiche Stromstärke zu erzielen, auch die elektromotorische Kraft in demselben Verhältnis steigern, mit andern Worten, man muß, um große Entfernungen zu überwinden, mit beträchtlichen Spannungen arbeiten. Hochgespannte Elektrizität läßt sich aber erfahrungsmäßig schlecht isolieren; die gewöhnlichen Isolationsmittel reichen schon bei Spannungen von einigen Tausend Volt, wie sie bei den Kraftübertragungsversuchen der letzten Jahre, namentlich denjenigen von Deprez, erzeugt wurden, kaum noch aus; eine weitere Steigerung würde auf das Isolationsmaterial und die Maschinen entschieden nachteilig wirken. Ein ferneres erhebliches Bedenken gegen die Erzeugung noch höherer Spannungen liegt in dem Umstand begründet, daß der menschliche Organismus die Wirkungen derselben nicht auszuhalten vermag. Die bei der elektrischen Beleuchtung zur Anwendung kommenden geringern Spannungen haben schon mehrere Menschenleben zum Opfer verlangt; es läßt sich also mit Bestimmtheit annehmen, daß die hochgespannten Ströme der elektrischen Kraftübertragung auf große Entfernungen noch weit gefährlicher sind und jeden Menschen vernichten, der durch Unkenntnis oder Fahrlässigkeit seinen Körper in ihren Weg einschaltet. Will man dagegen die hohen Spannungen durch Verringerung des Leitungswiderstandes vermeiden, etwa indem man dicke Drähte von gutem Leitungsvermögen anwendet, so wachsen dadurch wieder die Anlagekosten der elektrischen Kraftübertragung in solchem Maß, daß ihre Benutzung nicht mehr rentabel erscheint.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß die Aussichten für die e. K. auf weite Entfernungen (mehr als 50 km) vorläufig nicht sehr günstig sind, vielmehr ihre Anwendung sich zunächst auf solche Fälle beschränken dürfte, wo außergewöhnlich billige Triebkräfte, wie Wasserfälle u. dgl., auf mäßige Entfernungen fortzuleiten sind. Alle darüber hinausgehenden Projekte erscheinen fürs erste noch nicht lebensfähig. So hat man bereits an die Verwendung der im Rheinfall, in den Niagarafällen etc. verloren gehenden ungeheuern Arbeitskräfte gedacht und beispielsweise berechnet, daß sich die ganze Kraft der Niagarafälle in einem einzigen Telegraphendraht werde nach New York leiten lassen, falls es gelingen sollte, diesen Draht genügend zu isolieren. Bei den in Frage kommenden außerordentlich hohen Spannungen ist aber eine solche Voraussetzung als vollständig illusorisch zu betrachten. Ein andres Projekt schlägt vor, die Steinkohlen in der Nähe ihrer Lagerplätze unter riesigen Dampfkesseln zu verbrennen und die erzeugte Kraft auf elektrischem Weg im Land zu verbreiten, wodurch einerseits die Kohlentransporte erspart und anderseits die Fabrikstädte von dem schädlichen Kohlendunst befreit würden. Auch dieser kühne Gedanke scheint bis jetzt nicht mehr Aussicht auf Verwirklichung zu haben als der vorige, mit welchem er dieselbe durch unsre gegenwärtigen technischen Hilfsmittel nicht realisierbare Voraussetzung gemein hat, daß sich die Leitungen, welche zur Übertragung der Arbeitskraft dienen sollen, genügend werden isolieren lassen. Von diesen ins Große gehenden Projekten abgesehen, hat die e. K. bereits recht befriedigende praktische Ergebnisse geliefert. Dahin gehören die elektrischen Eisenbahnen (s. d.) und der elektrische Aufzug (s. Aufzüge). Große Wichtigkeit für den Bergbau dürfte der Betrieb von Gesteinsbohrmaschinen mittels dynamoelektrischer Maschinen erlangen. Bisher war man genötigt, die Bohrmaschinen entweder mit der Hand zu betreiben, oder in der Grube, dem Tunnel etc. Arbeitsmaschinen aufzustellen, welche durch komprimierte Luft oder Wasserdruck betrieben wurden und die Anbringung von Luftbehältern oder Wasserleitungen nötig machten, mithin viel Platz für sich in Anspruch nahmen, während die e. K. mit ihren dünnen und schmiegsamen Leitungen und kompendiösen Maschinen den vorhandenen Raum nicht merklich einengt und überall angebracht werden kann.

Bemerkenswerte Versuche zur Einführung der elektrischen Kraftübertragung in die Landwirtschaft sind von Félix u. Chrétien in Sermaize angestellt worden. Dieselben benutzten die überschüssige Maschinenkraft einer Zuckerfabrik, um die benachbarten Ackerfelder ohne Zugtiere umzupflügen. Zu diesem Zweck wurde durch die Dampfmaschine eine dynamoelektrische Maschine in Bewegung gesetzt, welche den Strom an eine mit dem Pflug in Verbindung gebrachte sekundäre Maschine abgab und dadurch jenen in Bewegung setzte. Auch das Entladen der für die Fabrik ankommenden Schiffe bewirkten die genannten Ingenieure in entsprechender Weise und verwendeten die Motoren außerdem noch zur Erzeugung von elektrischem Licht, womit sie die Arbeitsstellen erleuchteten. Auch die Firma Schuckert in Nürnberg ist in neuerer Zeit bestrebt gewesen, der elektrischen Kraftübertragung zum Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen Eingang zu verschaffen.

Daß endlich auch das Kleingewerbe von der elektrischen Kraftübertragung Nutzen ziehen kann, wenn Einrichtungen getroffen werden, welche die Abgabe der zum Betrieb von Bewegungsmaschinen erforderlichen geringen Kraftmengen von einer Zentralstelle aus auf elektrischem Weg ermöglichen, ist mehrfach praktisch dargethan worden; ja, es scheint, als ob diese Art der elektrischen Kraftübertragung die meiste Aussicht auf baldige Einführung in die Industrie habe, da sie nicht bloß an die Isolation der Leitungen keine zu hohen Anforderungen stellt, sondern auch hinsichtlich der Rentabilität bessere Ergebnisse verspricht als die immerhin kostspielige Übertragung größerer Arbeitskräfte auf beträchtliche Entfernungen. Vgl. Japing, Die e. K. (Wien 1883); Grätz, Die Elektrizität und ihre Anwendungen etc. (2. Aufl., Stuttg. 1884).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 229230
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[229] Elektrische Kraftübertragung bezweckt, die an einem bestimmten Orte verfügbare mechanische Energie auf elektrischem Wege nach einem andern, von dem ersten entfernten Orte zu übertragen, so daß sie dort zu Arbeitsleistungen verwendet werden kann. Von allen Arbeitsübertragungen auf größere Entfernungen ist die auf elektrischem Wege nicht nur die billigste, sondern auch jeder andern Übertragung insofern weit überlegen, als sie ohne nennenswerte Verluste ganz bedeutende Entfernungen bewältigt und einfache Kupferdrähte die Energie von dem einen zum andern Orte führen. Durch die Arbeitsübertragung auf elektrischem Wege ist es allererst möglich, die Arbeit, welche in der Natur nutzlos geleistet wird, die Energie der Wasserfälle, auszunutzen, während man dieselbe bisher, wo sie nicht ganz dicht an der Verwendungsstelle lag, brach liegen lassen mußte. Es kann jetzt nicht mehr wundernehmen, wenn man in Vorschlag bringt, die Kohlen unmittelbar an der Förderungsstelle unter gewaltigen Kesseln zu verbrennen, Dynamomaschinen zu treiben und ihren Strom nach allen Windrichtungen hin zur Beleuchtung, Arbeitsleistung etc. zu leiten. Aber auch schon für große Fabriken, deren Gebäulichkeiten und Arbeitsstätten viel verzweigt sind, wird man mehr und mehr zum elektrischen Betrieb greifen, da mit den mechanischen Transmissionen oder gar einer weitverzweigten Dampfleitung ganz ansehnliche Verluste verbunden sind. Diese Verluste können bei großen Fabriken 50 und mehr Prozent der gesamten Betriebskraft ausmachen. Wie anders, wenn wir mit der Dampfmaschine zunächst eine Dynamomaschine treiben und den Strom nach den einzelnen Arbeitssälen senden, wo er dann, zu kleinern Elektromotoren geführt, wieder in mechanische Arbeit umgesetzt wird. Die Elektromotoren bedürfen keiner Wartung, nehmen unter allen bekannten Betriebsmaschinen den weitaus kleinsten Raum in Anspruch und haben einen Wirkungsgrad bis zu 92 Proz. Außerdem aber sind dann die einzelnen Arbeitssäle völlig unabhängig voneinander; jede einzelne Transmission kann nach Bedürfnis in Gang gesetzt und abgestellt werden, ohne daß der übrige Betrieb in Mitleidenschaft gezogen wird. Endlich aber kann an dasselbe Netz noch die Beleuchtung angeschlossen werden.

Aber auch die jetzigen, fast ausschließlich für den Lichtbedarf errichteten Zentralstationen werden demnächst ein andres Bild zeigen. Während sie bei Tage zum größten Teil brach liegen, werden sie gar bald durch Abgabe von Strom zu motorischer Arbeit auch des Tages über voll in Betrieb sein können. Der gesamte Kleinbetrieb in den Städten wird [230] sich nach und nach anschließen, sobald die Thatsache mehr und mehr gewürdigt wird, daß der elektrische Betrieb weitaus billiger ist, daß die Elektromotoren bei gleicher Leistung nur ein Bruchteil der Anlagekosten sonstiger Betriebsmittel ausmachen und überall in dem kleinsten Winkel aufzustellen sind. In Berlin scheint sich diese Thatsache bereits Bahn gebrochen zu haben; es ist heute schon eine ganze Anzahl kleinerer und auch größerer Betriebe (Ludwig Löwe, Gewehrfabrik) angeschlossen. Unter anderm wird in Berlin auch bereits eine große Zahl Nähmaschinen elektrisch betrieben (Mantelfabrik Mannheimer), wodurch eine Arbeiterin nunmehr das Doppelte leisten kann. Die elektrische Arbeitsübertragung hat also auch ein ethisches Moment, sie rüstet den kleinen Handwerker mit allen Mitteln aus, um mit der Massenfabrikation in Wettbewerb zu treten. Was Wunder, daß nunmehr die Städte, welche mit der Errichtung von Zentralen umgehen, ein Hauptaugenmerk auf die Leistung motorischer Arbeit legen, haben sie doch die Pflicht, bei allen kommunalen Unternehmungen alle Berufsklassen zu berücksichtigen; dies können sie aber nur, wenn sie neben dem elektrischen Licht, welches vorläufig doch nur den Wohlhabendern zugänglich ist, vor allem auf die Arbeitsleistung des elektrischen Stromes Bedacht nehmen und so auch den kleinen Leuten die Wohlthaten des Unternehmens zukommen lassen.

Von den bereits in Betrieb befindlichen elektrischen Kraftübertragungen wird bei der nach den Angaben des Ingenieurs Brown von der Firma Örlikon ausgeführten Anlage Kriegstetten-Solothurn in Kriegstetten eine Wasserkraft von 30–50 Pferdekräften mittels einer Turbine auf zwei ganz gleiche Dynamomaschinen übertragen. Die elektromotorische Kraft ist 1250 Volt, die Stromstärke 15–18 Ampère. Mittels blanker Kupferleitungen von 6 mm Dicke wird der Strom nach den 8 km weit entfernten Motoren geführt. Diese sind von gleicher Bauart wie die Dynamos. Alle Maschinen sind hintereinander geschaltet. Bei gleichbleibender Tourenzahl der primären Maschinen bleibt selbst bei stark wechselnder Belastung auch die Tourenzahl der Motoren einigermaßen konstant. Der Wirkungsgrad der Anlage ist im Mittel 75 Proz., in der That eine großartige Leistung. Die Anlage ist seit Dezember 1886 in dauerndem Betrieb. Nachstehende Tabelle verzeichnet die weitern Kraftübertragungsanlagen, die von der Maschinenfabrik Örlikon bisher ausgeführt worden sind:

Installiert bei Ort Pferde­kräfte Entfer­nung in Metern Wir­kungs­grad Prozent
Gebr. Troller, Mahlmühle Luzern 120 3000 70
R. u. M. Frey, Schokoladefabrik Aarau 16 1200 70
Bay u. Komp., Tuchfabrik Steinbach 15 1450 70
Kammgarnspinnerei Derendingen 280 1300 80
Spinnerei von G. Rossi Piovene 250 450 78
Spinnerei von Amman u. Wepfer Pordenone 70 1000 75
Spinnerei von Legler Diesbach 120 600 75
Spinnerei della Valle Seriana Garzaniga 100 900 71
120 800 78
J. Rauch, Mühle Innsbruck 50 450 80
Prockeroff, Weberei Moskau 70 3500 73
Papierfabrik Steyermühl Aichberg-Steyermühl 100 600 75
G. Rossi Schio 300 6000 73
Jenny u. Schindler Kennelbach-Bregenz 200 2500 75

Eine Arbeitsübertragung, welche gleichzeitig für Beleuchtung und Arbeitsleistung dient, wurde in Weidenbach a. d. Tristing von Siemens u. Halske, Wien, ausgeführt. Von augenblicklich projektierten Anlagen ist zu nennen die e. K. von Lauffen am Neckar nach Heilbronn zwecks Beleuchtung und Arbeitsleistung. Es sind ca. 1000 Pferdekräfte verfügbar. Eine außerordentlich großartige e. K. aber ist für die elektrotechnische Ausstellung zu Frankfurt a. M. (1891) geplant. Es sollen von Lauffen am Neckar bis nach Frankfurt a. M. 300 Pferdekräfte mittels eines 5 mm starken Kupferdrahtes übertragen werden. Die Entfernung beträgt 75 km. Geplant ist eine Betriebsspannung von 30,000 Volt. Mit Rücksicht auf die maßlose Spannung mochte man geneigt sein, von vornherein Zweifel in dieses Unternehmen zu setzen. Von Fabriken, deren Betrieb vollkommen elektrisch ist, nennen wir die der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft zu Berlin; außerdem wird das Charlottenburger Werk von Siemens u. Halske demnächst vollkommen elektrisch betrieben sein.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 239240
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[239] Elektrische Kraftübertragung. Die hervorragende Ausbildung der elektrischen Kraftübertragung ließ vor allem die Frankfurter Ausstellung erkennen, in erster Linie die Kraftübertragung von Lauffen a. Neckar nach Frankfurt a. M. (eine Entfernung von 175 km). In Lauffen war eine Turbine aufgestellt, welche mittels Zahnradübersetzung eine Drehstrommaschine von ca. 300 Pferdekräften trieb. Sie war von dem Ingenieur Brown der Maschinenfabrik Örlikon konstruiert und besaß die in Fig. 10 der Tafel „Elektrische Maschinen“ gekennzeichnete Schaltung und ein Magnetsystem von 32 Polen, wie in dem angeführten Artikel beschrieben ist. Die Maschine lieferte elektrische Energie von niederer Spannung (50 Volt); diese wurde mittels Mehrphasenstrom- (Drehstrom-) Transformatoren auf hohe Spannung gebracht und mittels blanker Leitungen, die an Ölisolatoren (s. Elektrische Leitungen) und auf Stangen (sogen. Originalgestänge) befestigt waren, oberirdisch bis Frankfurt a. M. geführt. Dort wurde die Energie hoher Spannung mittels Transformatoren auf 50 Volt transformiert und zur Beleuchtung und Kraftübertragung verwendet. In der Ausstellung zur Frankfurt a. M., in der Nordwestecke der Verteilungshalle, wurde die der Wasserkraft des Neckars entnommene Energie nutzbar gemacht. Einesteils diente sie zur elektrischen Illumination der Firmaschilder der beiden Unternehmer, nämlich der Maschinenfabrik Örlikon und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft (Berlin), anderseits wurde sie mittels eines 100pferdigen Dreiphasenmotors mit Zentrifugalpumpe in ihre ursprüngliche Gestalt, und zwar in einen feenhaft beleuchteten, prächtigen Wasserfall übergeführt, und so erzeugte die Wasserkraft am Neckar eine zweite Wasserkraft: einen Wasserfall zu Frankfurt a. M. Nicht weniger als 530,000 m Kupferdraht von 4 mm Durchmesser wurden zur Leitung benötigt, was einem Gewicht von ca. 60,000 kg Kupfer gleichkommt und einen ungefähren Wert von 120,000 Mk. repräsentiert. Die Befestigung dieser Leitungen beanspruchte ca. 3000 Leitungsstangen mit ca. 9000 Ölisolatoren. Die Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt a. M. hatte schon beim ersten Auftauchen des Projekts ein begreifliches Aufsehen erregt; namentlich wurde allenthalben die Frage erörtert, ob sich so gewaltig hohe Spannungen, ohne welche eine Energieübertragung mit relativ dünnen Leitungen auf so beträchtliche Entfernungen undenkbar ist, auch betriebssicher isolieren lassen – dies war die Kardinalfrage. Das Ergebnis hat gezeigt, daß selbst bei den ungünstigsten Witterungsverhältnissen die Übertragung tadellos und ohne Verluste infolge von Erdableitungen vor sich ging, obwohl man die Spannung bis zu 22,000 Volt steigerte. Ungeachtet der großen Entfernung wurden von 100 Pferdekräften zu Lauffen 70 bis nach Frankfurt a. M. gebracht. Dieser großartige Erfolg hat neuerdings die Amerikaner veranlaßt, für die Chicagoer Weltausstellung (1893) eine Energieübertragung von den Niagara-Fällen nach Chicago (eine Entfernung von 800 km) zu planen. Es bestehen zwei Projekte, von welchen das eine die Übertragung mit Mehrphasenstrom ins Auge faßt, während das andre Gleichstrom von etwa 30,000 Volt verwenden will. Das erste Projekt rührt von der Maschinenfabrik Örlikon her, das zweite von dem Ingenieur Turetini. Letzterer will die hohe Gleichstromspannung dadurch erzeugen, daß er zehn Gleichstrommaschinen zu 3000 Volt hintereinander schaltet. Dieses System ist unzweifelhaft das schwierigste, um nicht zu sagen das bedenklichste. Jedenfalls würde aber die Ausführung desselben Klarheit darüber bringen, ob man bei Gleichstrom auf die angegebene Weise betriebssicher solche Spannungen erzeugen kann – dies wird vorläufig von den bedeutensten Ingenieuren noch verneint.

Die unmittelbare Folge der Lauffener Kraftübertragung war, daß alles, was nur einigermaßen nach einer Wasserkraft aussah, sofort als ein großes Wertobjekt angesehen wurde und demgemäß im Preise stieg. Hierdurch aber werden meistens die Vorteile einer Fernübertragung derart verringert, daß sie gegen Dampfmaschinenbetrieb an Ort und Stelle unterliegen müssen. Die Kohlen sind denn doch noch nicht so teuer, und eine Wasserkraft bietet um so weniger Vorteile, je höher ihr Preis und je weiter sie von der [240] Konsumstelle entfernt ist; es gibt auch hier eine Grenze. Eine von der Lauffener etwas abweichende Kraftübertragung, jedoch auch mit Mehrphasenstrom, hatte die Firma Schuckert u. Komp. in Nürnberg auf der Frankfurter Ausstellung vorgeführt; sie bestand im wesentlichen aus einer selbsterregenden Mehrphasenstrommaschine mit vier Fernleitungen, welche den Strom vom Palmengarten zu Frankfurt a. M. nach der Ausstellung überleiteten; dort wurde der Strom mittels eines Mehrphasenstrom-Gleichstromtransformators in Gleichstrom verwandelt und dieser zur Speisung einiger Gleichstrommotoren in den Werkstätten der Ausstellung benutzt.