Mistral

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Textdaten
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Autor: Marie Eugenie Delle Grazie
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Titel: Mistral
Untertitel:
aus: Italische Vignetten, S. 83-84
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Breitkopf und Härtel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus „Neapel“.
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 Mistral.

Der Mistral
Weht durch die Straßen und fegt
Die Chiaja entlang, daß hochauf
Der Schönen flatternde Schleier sich bauschen und

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Dem Schäker die goldig-braunen Nacken enthüllen,

Der hangenden Flechten Sammetglanz
Und die kleinen, korallengeschmückten Ohren,
Noch rothgeküßt vom letzten Stelldichein....

Toll bläst er

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Im Meere draußen die Backen auf und jagt

Vor sich her pfeilgeschwind die Fischerbarken,
Fährt in die knatternden Segel und holt
Des Himmels trotzigste Wolke keck zum Tanz!

Fern’ aber,

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Wo schillernd die Wogen um

Sorrento hüpfen und
Von gold’nen Sonnenfurchen die Wasser blitzen,
Beginnt sein Zauberreich:
Zum Schöpferodem

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Wird hier sein Weh’n, zum gestaltenden, der Licht

Und Lust und Meer in glänzende Schaumgebilde
Verwandelt und aufleben läßt
In mystischen Urweltformen,
In seliger Urweltlust!

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Horch! dröhnt nicht

Vom Ausschlag der Meeresrosse
Die brausende Fluth?
Mit Sonnenstrahlen-Zügeln
Lenkt sie Poseidon – sieh,

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Und ihre weißen Mähnen flattern im Winde!

Kopfüber
Stürzen die Faune der See,
Die neckischen Tritone in die Wogen,
Und zwischendurch

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Lachen die meerblauen Augen

Der Tethystöchter, blinkt’s
Von schneeigen Nacken,
Von schaukelnden Hüften
Und perlenthau-benetztem, gold’nem Haar!

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Sie sind’s, sie sind’s,

Die lenchtenden Herrscher der Tiefe!
Schon hör’ ich
Ihrer Muschelhörner Gedröhn –
Ein Weilchen noch –

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Und sie rauschen an’s Land und schmiegen

Die weichen Glieder in den glitzernden Sand....

So träum’ ich wachenden Aug’s – da zerrinnt
Der Götterfestzug in schäumende Wogenkämme,
Scharf weht’s vom Vesuv herüber

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Und mir zu Füßen rauscht

Mit heimlichem Gekicher plätschernd die Fluth an.