Nachschrift (Zerstreute Blätter V)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<<
Autor: Johann Gottfried Herder
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Nachschrift
Untertitel:
aus: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung) S. 372–376
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Gotha
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[388]
Nachschrift.

Der Wunsch, den ich in diesem Andenken Huttens vor siebzehn Jahren geäußert hatte, seine Schriften gesammlet und sein Andenken lebend erhalten zu sehen, schien im Jahr 1783 eine glückliche Erfüllung zu erreichen. Der erst Band von Huttens Werken (Vlrici ab Hutten opp. T. I. ed Chrilt. Jac. Wagenseil, Lips. 1783) erschien; und da er sehr merkwürdige, abwechselnde, schön geschriebene Briefe dieses Mannes enthielt: so war kaum zu zweifeln, daß nicht auch seine sinnreichen Gespräche, seine Poesieen, endlich auch die Stücke seiner erhabnen, fortreißenden Beredsamkeit folgen würden. Aber, [389] als ob der Unstern, der Hutten im Leben begleitete, ihn auch im Grabe nicht verließe, erschien folgende Anzeige des Herausgebers


An das deutsche Publikum.

Ich habe in der Michaelismesse 1783 den ersten Theil der Schriften Ulrichs von Hutten herausgegeben, in der festen Ueberzeugung, daß dies Unternehmen dem Publiko nicht anders als angenehm seyn könne. Mit wie mannigfaltigen Schwierigkeiten ich zu kämpfen hatte, bis ich Huttens Schriften zusammen brachte, die man über 100 Jahre vergebens suchte, wie lang ich umsonst nach einem Verleger strebte, wie äußerst sauer mich die undankbare Mühe des Abschreibens ankam, – davon will ich nichts reden. Aber es ist Zeit, zu sagen, daß ich für Deutschlands Ehre drey Jahre vergebens gearbeitet, ohne Dank und Lohn gearbeitet habe, (denn die 2 Thlr. Buchhändler-Bezahlung, die ich beym ersten Theil erhielt, verdienen doch wohl nicht Belohnung zu heißen?) – Man lese das „Denkmal Ulrichs von Hutten“ und man hat alles, was ich sagen kann, um die Erhaltung seiner Werke zu empfehlen, das er zur National Angelegenheit machte. Ich hofte, man werde mit Wärme die Früchte seines treflichen Geistes aufnehmen, werde mirs danken, daß ich sie gesammlet habe: – aber wie sehr hab ich mich betrogen! – So kalt, so nachläßig [390] hat man den fadesten Roman nicht empfangen, als den edeln, deutschen Hutten. Ich sollte denken, wer nur seine Briefe gelesen hätte, müßte begierig seyn, auch die übrigen Schriften zu besitzen, die vielleicht in ganz Deutschland niemand vollständig hat. Unsre Aristarchen fandens nicht der Mühe werth, meine Ausgabe anzuzeigen; denn von etlichen kritischen Journalen, die ich lese, stund in der einzigen Meuselschen Historischen Litteratur eine kurze Recension. Die Ursache dieses Stillschweigens bin ich nicht fähig zu errathen.

Da der Verleger zur Fortsetzung nicht Lust bezeugt, so bleibt mir kein anderer Weg übrig, als mit dem Publikum selbst über diese Angelegenheit zu sprechen. – Huttens Schriften liegen zur Erscheinung beynahe ganz fertig, und sollen auch erscheinen, woferue entweder ein biederer Buchhändler sich zum Verlag der drey rückständigen Theile meldet, oder man mich auf andere Art, ohne Buchhändler Honorarium. zu unterstützen Willens ist. Im Gegentheil will ich mein Manuscript – nicht verbrennen, sondern für eine dankbarere Nachwelt aufbewahren, zum Zeichen, wie warm meine Zeitgenossen für die treflichsten Männer des Vaterlandes sorgen. Vielleicht, wenn ich lange gestorben bin, findet’s einer, und aerntdet, wo ich gesät habe, läßt sich die Arbeit bezahlen, die ich umsonst vollendete, für die ich oft auf jugendliche Freuden und manches andere Verzicht that.

[391] Hutten starb Lebens unsicher, vertrieben, in Armuth fürs Vaterland, schrieb für Deutschlands Freyheit, Religion und Aufklärung mit Demosthenischem Geiste, litt und starb für sie. Die edelsten seiner Zeitgenossen, Luther, Melanchthon, Peutinger, Pirkheimer und andre liebten ihn und schätzten seine Schriften: aber dritthalb hundert Jahre nach seinem Tode muß der Herausgeber derselben beinahe vor dem Publikum betteln, daß es den Mann nicht einer unverdienten Vergessenheit überlaßen soll. Es ist wahr, wie es in dem oben angefürten Denkmal heißt: „Vermuthlich soll wieder ein Franzose oder ein Italiener kommen, und uns Huttens Werke, wie die Schriften unsers unsterblichen Leibnitz sammeln!“ dann werden sie, wills Gott, schon gekauft werden.

Es ist dies eine Anfrage, an die Weisen und Guten der Nation! Halten sie’s der Mühe nicht werth, meinen Wunsch, Huttens Werke ganz herauszugeben, zu begünstigen ; – nun, so mag es unterbleiben, und der Himmel vergeb' es mir, daß ich nicht, indeß ich meine Zeit damit zubrachte, etwas gethan habe, wofür man mir lieber etliche Gulden bezahlt und mich vielleicht mit grossem Beyfall gerühmt hätte. Sollt ich aber auf irgend eine Art zur Fortsetzung unterstützt werden; so ersuch ich den Biedermann, der sich für mich und meinen Hutten intereßiren will, sich schriftlich deßhalb an mich zu wenden. Kein Vorschlag [392] könnte leicht in einem Journal stehen, das ich nicht zu sehen bekäme. Sollte sich bis zu Ende des jetzigen Jahrs niemand finden, so will ich es sodann in den Zeitungen anzeigen.

Wagenseil
Gelehrter zu Kaufbeuern.


Was ist hiernach zu sagen? Wird eine zweite Aufmunterung bewirken, was die erste nicht bewirkt hat? Vielleicht; und der für Hutten gutgesinnte Herausgeber würde sich sodann gewiß bestreben, auch durch die dem Werk nöthigen Erläuterungen ihm allen den Eingang und Nutzen zu verschaffen, ohne welche dergleichen Schriften doch nur alte Reliquien bleiben. Vielleicht bekommen wir wenigstens die schönsten Arbeiten Huttens, seine Gespräche; und so hätten wir mit diesen und den Briefen schon viel. Bis endlich, vielleicht unversehens, ein Hutten selbst sich seines tapfern biedern Vorfahren annimmt, und die Kleinigkeit daran wendet, die Werke desselben dem Staube der Vergessenheit zu entreissen. γενεθω!