Preßgeschichten aus der Rheinbundszeit

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Autor: Karl Braun-Wiesbaden
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Titel: Preßgeschichten aus der Rheinbundszeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 843-846
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Preßgeschichten aus der Rheinbundszeit.

Von Karl Braun-Wiesbaden.

Die Geschichten, die ich erzählen will, liefern einen kleinen Beitrag zu der großen Frage: Wie war es vor siebenzig Jahren in Deutschland, in dem Deutschland des Rheinbunds, kurz vor der nationalen Erhebung? Unsere Geschichtswerke, so gut sie sind, geben darauf keine Antwort. Sie haben die großen Ereignisse der Völker und Staaten im Auge, nicht die kleinen Leiden der Einzelnen und der bürgerlichen Gesellschaft.

Ich aber halte es für gut, zuweilen auch von den letzteren zu reden. Man erkennt daraus, wie die Staatsumwälzungen auf innere Verhältnisse einwirken. Man kann auch allerlei nützliche Vergleichungen ziehen, z. B. zwischen dem jetzigen deutschen Reiche und dem vormaligen Rheinbund. Oder man kann das jetzige Verfahren Deutschlands in den wiedergewonnenen Reichslanden Elsaß-Lothringen vergleichen mit der Art, wie die Franzosen in der Zeit von 1806 bis 1813 diejenigen deutschen Gebiete behandelten, welche sie gar nicht erobert oder durch Vertrag erworben, sondern zu einem Bündniß veranlaßt und denen sie ihre Freundschaft und Protection zugesagt hatten, indem sie sogar den betreffenden Landesherren „volle Souverainetät“ verliehen.

Hier spielen die Preßverhältnisse, die Handelspolitik und das Tabaksmonopol die erste Rolle, und so kann es denn auch an anderen Parallelen und Warnungen vor Rückfällen nicht fehlen.

Doch genug der Einleitung! Gehen wir zur Sache!

Als 1810 Napoleon der Erste das bekannte Decret über die Continentalsperre und die Verbrennung der ausländischen Waaren erließ, gab er zugleich dem Fürsten von Eckmühl, im gewöhnlichen Leben Marschall Davoust genannt, der damals in Hamburg ein unerhörtes Schreckensregiment führte, den Ausweg an die Hand, Deutschland auf militärischem Wege „von gefährlichen Menschen zu reinigen“. Der Auftrag zielte vorzugsweise auf die Herausgeber deutsch- und freigesinnter Zeitungen, in welchen Napoleon die Hauptgegner seines Despotismus sah.

Für die deutschen Zeitungen hatte er auch in Paris ein Specialpreßbureau errichtet. Dort wurden alle in Deutschland erscheinenden Zeitschriften und Zeitungen durchgemustert. Dann wurde eine Zusammenstellung alles Gefährlichen und Bedenklichen angefertigt und sowohl an den Polizeiminister in Paris, wie auch an den Napoleonischen Dictator in Deutschland, den Fürsten von Eckmühl, nach Hamburg gesendet. Der Buchhandel und der Zeitungs-Debit waren durch allerlei polizeiliche Nörgeleien gehemmt oder wenigstens verlangsamt. Dagegen mußten dem gedachten Preßbureau – leider waren es Deutsche, die sich zu diesem Schergendienste hergaben – auf dem directesten und eiligsten Wege alle jene Drucksachen zugeschickt werden, zunächst damit ein Verbot allemal der Verbreitung zuvorkommen könnte.

Allein in Deutschland erschienen damals schon sehr viele Zeitungen, und das alles zu lesen, wurde den Lectoren des französischen „Centralpreßbureaus für Deutschland“ etwas unbequem. Wozu hat man aber die despotische Gewalt, wenn man sich nicht Unbequemlichkeiten vom Leibe halten sollte? Wozu sind wir denn die von dem Beherrscher Europas eingesetzte Behörde, welche berufen ist, zu entscheiden, was den Deutschen gut ist zu lesen und was nicht? Handeln wir also, statt zu disputiren!

Kurz danach, als die scharfen Continentalsperre-Decrete ergangen, scheint auch das Blokus-System gegen die deutsche Presse von Paris aus empfohlen worden zu sein. Denn um diese Zeit sprachen die französischen Gesandten bei den „Souverainen“ des Rheinbundes den betreffenden Regierungen den Wunsch aus, eine vollständige Statistik der gesammten in den betreffenden Rheinbund-Staaten erscheinenden periodischen Presse zu erhalten. Nur ein Bischen Statistik!

Ein solcher Wunsch war damals einem Befehl gleich zu achten. Denn ein französischer Gesandter bei einem „souverainen“ Fürsten des Rheinbundes hatte damals ungefähr dieselbe Machtstellung, wie heute die englischen Residenten bei einem anglo-indischen Regenten, oder wie ein französischer Regierungscommissar bei dem Bey von Tunis, ein englischer bei dem Khedive von Aegypten.

Kaum war die französische Regierung im Besitze der vollständigen, exacten und getreuen Rheinbunds-Staaten-Zeitungs-Statistik, als von Paris aus der Befehl erging, es wuchere da viel zu viel des Zeitungsunkrautes; es sei die Absicht Seiner Majestät des Kaisers der Franzosen, Protectors des Rheinbundes, Mediators der Schweiz etc., daß man die Sache vereinfache, daß von nun an in jedem Rheinbundsstaate nur ein einziges Blättlein erscheine. Das war schon etwas mehr als Statistik.

Dieser Absicht wurde natürlich Folge geleistet. Eine Menge von deutschen Blättern wurde unterdrückt, ohne daß man dafür irgend einen anderen Grund angab, als das Belieben des Kaisers der Franzosen. Man legte diesen Zeitungen nichts zur Last; man machte ihnen keinen Vorwurf. Man sagte ihnen einfach: „Hebet Euch weg! Ihr gefallt mir nicht; Ihr seid mir unbequem; ich habe keine Zeit, Euch zu lesen, was ich aber nicht zuerst selbst lese, das hat kein Recht für das Publicum zu existiren.“ Durch diesen Willküract der Preßpolizei wurde eine Menge Bürger völlig unverschuldet ihres Besitzstandes, ihres Gewerbebetriebes, ihrer Existenzmittel beraubt. Wenn sie Entschädigung verlangten, lachte man sie aus und machte die „Staats-Raison“ geltend.

In Frankfurt am Main, wo ein rheinbündlerisches Großherzogthum unter Dalberg, dem bekannten Fürst-Primas, vegetirte, erschienen damals folgende Blätter: Das „Ristretto“, das „Frankfurter Journal“, die „Oberpostamts-Zeitung“ und das in französischer Sprache erscheinende „Journal de Francfort“. Nur das letztgenannte Blatt fand, weil es in der Sprache der Fremdherrscher geschrieben, die volle Gnade. Halbe Gnade wurde der „Oberpostamts-Zeitung“ zu Theil, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie sich mit dem „Journal de Francfort“ zu einer einzigen Zeitung verschmelze, welche in demselben Blatte sowohl deutsch wie französisch erschien. Das paßte aber keinem dieser beiden Blätter. Beide suchten um das Recht der abgesonderten Existenz nach. Aber sie mußten lange betteln, bis ihnen diese gewährt ward. Und auch dann geschah es nur unter der Bedingung, daß ihr Inhalt stets genau derselbe sein müsse.

Auch diese grausame Maßregel entsprang in erster Linie dem Bequemlichkeitsbedürfniß. Die Herren in Paris wollten absolut nicht mehr als eine Zeitung aus diesem halbfranzösischen deutschen Großherzogthum lesen müssen, und zu diesem Zwecke gestattete [844] man zwar aus besonderer Gnade zwei Blätter, aber beide mußten, unbeschadet der Verschiedenheit der Sprache, genau den nämlichen Inhalt haben; dann brauchte man eben nur eines zu lesen.

Daß dieser Gesichtspunkt maßgebend sei, daß man sich weder um die Rechte der Herausgeber und der Eigenthümer, noch um die Interessen des Publicums kümmere, daß die bloße Bequemlichkeit einer hohen Polizei hocherhaben stehe über allen Rechten und Interessen der Einzelnen und der bürgerlichen und wirthschaftlichen Gesellschaft, sowie über allen Bedürfnissen der Belehrung und Aufklärung der Massen, das hielt man gar nicht nöthig zu vertuschen. Nein, man proclamirte rückhaltslos als obersten Grundsatz, daß vor Allem die hohe Polizei nicht incommodirt werden dürfe.

Die übrigen in der Stadt Frankfurt erscheinenden Blätter, desgleichen alle diejenigen, welche außerhalb der Stadt, aber innerhalb des großherzoglichen Gebietes erschienen, wie die Hanauische, die Wetzlarische Zeitung etc., wurden einfach todtgeschlagen. Man verschmähte damals die Umwege und die raffinirteren Unterdrückungsmodalitäten, welche späterhin aufkamen, wie die ewig wiederholten polizeilichen Beschlagnahmen und Confiscationen einzelner Nummern, die endlose Kette von Verurtheilungen oder wenigstens von Anklagen und Verfolgungen, die tendenziöse Entziehung von Inseraten, das Verbot des Haltens, abhängigen Leuten gegenüber, das Verbot des Auflegens in Gastwirthschaften etc. Man hatte die Gewalt. Man war entschlossen, einen möglichst brutalen Gebrauch von derselben zu machen. Also schlagen wir einfach todt. „Todte Hunde beißen nicht mehr,“ sagt Sancho Pansa.

Um aber vor aller Welt klar und offenkundig zu machen, wie es mit der „Souverainetät“ bestellt war, welche Napoleon der Erste den Rheinbundsfürsten aus eigener Machtvollkommenheit verliehen, indem er sie von Kaiser und Reich gewaltsam loslöste, gingen alle jene Gewaltacte und Unterdrückungen in dem Gebiete des Großherzogthums Frankfurt über den Kopf des Großherzogs hinweg, direct von den Pariser an die Frankfurter Behörden, gerade als wenn das gedachte deutsche Großherzogthum eine französische Präfectur wäre und von Paris aus regiert würde. Der Fürst-Primas, der ein gut- und schwachmüthiger Herr war und dem solche Mißhandlungen seiner Unterthanen gar nicht gefielen, reclamirte dagegen. Er erhielt keine Antwort. Man gab ihm zu verstehen, er thue besser, zu schweigen.

In Hamburg erschienen drei, nach damaligem Maßstabe große Zeitungen: der „Correspondent“, die „Neue Zeitung“ und die „Börsenhallen-Liste“. Die beiden letzteren wurden ohne Weiteres unterdrückt. Dem „Correspondent“ wurde zwar das Leben geschenkt, jedoch nur unter der Bedingung, daß er zweisprachig erscheine, das heißt daß er neben seinem deutschen Text eine vollständige französische Uebersetzung abdrucke – natürlich auch das nur, um einer hohen französischen Obrigkeit das Lesen zu erleichtern. Dadurch wurden die Kosten des Blattes mehr als verdoppelt, seine Abonnenten aber vermindert, sodaß es eine Zeitlang vorzog, gar nicht zu erscheinen. Und der „Hamburger Correspondent“ war doch schon seit etwa hundert Jahren ein sehr angesehenes Blatt, das in ganz Europa gelesen wurde, besonders um seiner Handels- und Schifffahrtsnachrichten willen.

In Hamburg, wo, wie bemerkt, Davoust sein Schreckensregiment aufgerichtet hatte, erschien damals unter Anderem auch ein nicht politisches Blatt, betitelt: „Fahnenberg’s Magazin für die Handlung“. Der Herausgeber stand unter dem Druck der verhängten Maßregeln. Vielleicht war er auch persönlich bedroht worden. Kurz, er hielt sich und sein Blatt für gefährdet und glaubte etwas thun zu müssen, um den Neid der Götter zu versöhnen. Gerade damals spielte ihm der Zufall die Schrift Luther’s „von Kaufhandlung und Wucher“ in die Hand, die, sich an die bisherige canonische Weltanschauung anlehnend, in lebhafter Weise gegen den Ankauf ausländischer Artikel und Waaren ankämpft.

– „Ah,“ dachte der Herausgeber, „das wäre Wasser auf die Mühle der jetzigen Gewalthaber, welche die ausländischen Artikel verbieten, verfolgen und verbrennen. Das entspricht dem herrschenden System; bringen wir also Luther’s Worte in einem hübschen Artikel! Damit werden wir uns Ablaß für vergangene und zukünftige Sünden erwerben und unsere gefährdete Existenz wieder sichern.“

Gesagt, gethan! Aber in der Eile des Anstreichens der zum Abdruck bestimmten Stelle aus der Schrift Luther’s hatte der gute Mann übersehen, daß jene Strafpredigt mit den Worten schließt: „Wir Deutsche müssen Deutsche bleiben. Wir lassen nicht ab, wir müßten denn.“

Hätte er bedacht, daß es damals, 1811, in Deutschland verboten war, von Deutschland oder von Deutschen zu sprechen, dann hätte er die Schlußwendung gestrichen. In dem Wiederabdruck dieser Worte Luther’s wurde, obwohl sich die Stelle im Uebrigen recht wohl zu einer Beschönigung der Continentalsperre hätte verwenden lassen, „ein Aufruf zur Rebellion“ erblickt, und das Blatt wurde gemaßregelt aus Anlaß seines Bestrebens, durch Befürwortung der Napoleonischen Handelsfeindseligkeiten sich bei dem herrschenden Systeme einzuschmeicheln.

In Gotha lebte 1810 der alte Rudolf Zacharias Becker (geb. 1751, gest. 1822), damals in ganz Deutschland bekannt als Verfasser des „Noth- und Hülfsbüchleins für Bauersleute“ und des „Mildheimischen Liederbuches“, als ein Mann, der unermüdlich und mit gutem Erfolge durch Schrift und That sich bestrebte, für die Aufklärung und das Wohl der unteren und mittleren Schichten des Volkes zu sorgen. Politiker war er eigentlich nicht, und daß er überhaupt, auch nach damaligen Begriffen, kein „gefährlicher Mensch“ war, dafür bürgen zwei Thatsachen: Erstens war er schon 1786 fürstlich schwarzburg-rudolstädter Rath und dann 1802 auch desgleichen Hofrath geworden. Zweitens hatte ihn im October 1806 Seine Königliche Hoheit, der Fürst-Primas Großherzog von Frankfurt am Main, jener gegen Napoleon stets bis zum Uebermaße dienstbeflissene Präsident des Fürsten-Collegiums des Rheinbundes, dessen ich schon oben gedachte, zu seinem Geschäftsträger an den herzoglich-sächsischen Höfen ernannt. Allerdings hat der gute Becker von diesem „Charakter“ thatsächlich keinen Gebrauch machen können. Denn kurz darnach verbot Napoleon – von seinem Standpunkte aus mit gutem Grunde – seinen Rheinbundsfürsten jede diplomatische Vertretung bei und unter einander. Sie sollten ihm gehorchen und nicht unter einander conspiriren. Natürlich mußte sich der Fürst-Primas dieser Anordnung fügen.

Becker gab in Gotha drei Blätter heraus.

Erstens die „Nationalzeitung der Deutschen“. Diese wurde unterdrückt, nachdem sie eine Zeit lang ihr Dasein durch die Behauptung gefristet, sie sei keine politische Zeitung, sondern eine „moralische Wochenschrift“.

Zweitens den „Allgemeinen Anzeiger der Deutschen“. Dieser wurde – er war in der That nicht politisch – geduldet, unter der Bedingung der Streichung der Worte „der Deutschen“.

Er unterwarf sich natürlich dieser Bedingung.

Drittens eine Zeitschrift, betitelt „Jason“. Der wirkliche Redacteur und Hauptmitinhaber dieser Zeitschrift war Christian Ernst Graf von Benzel-Sternau, vormals in kurmainzischen und dann in badischen Diensten, auch damals Vertrauensmann des Fürst-Primas. Er hat sehr viel geschrieben, darunter auch zwei lange Romane „Das goldene Kalb“ und „Der alte Adam“; sie zeigen viel Witz, Welt- und Menschenkenntniß, werden aber dadurch etwas ungenießbar, daß der Verfasser zu sehr nach Jean Paul’scher Originalität hascht. In Folge dessen sind sie heute, vielleicht mit Unrecht, gänzlich vergessen.

Genug, in diesem „Jason“, Jahrgang 1811, erschien eine Abhandlung unter dem anspruchsvollen Titel: „Ansichten eines Reisedenkers“. Sie enthielt eine Lobrede über den Tabak und eine tadelnde Kritik der Art, wie unter König Ludwig dem Vierzehnten die Verpachtung des Tabaksgeschäfts betrieben wurde.

Der Aufsatz gab sich als Original. Er war es aber nicht, sondern nur eine Uebersetzung aus dem französischen Buche von Robin, das unter dem Titel „Reisen im Innern von Louisiana“ 1807 in Paris erschienen und von der kaiserlichen Censur nicht beanstandet worden war, im Gegentheil dem Verfasser Lob und Ehren Seitens der Regierung eingebracht hatte. Am 20. December 1811 gelangte ein Schreiben des Napoleonischen Polizeiministers an den „souverainen“ Herzog von Gotha, in welchem derselbe in der Weise, wie ein französischer Präfect an seinen Maire schreibt, ersucht wurde, den etc. Becker zu arretiren, seine sämmtlichen Papiere mit Beschlag zu belegen und gegen denselben wegen dieses den allerhöchsten kaiserlichen Interessen zuwiderlaufenden Aufsatzes in der in seiner Buchhandlung erscheinenden Zeitschrift „Jason“ das strafrechtliche Verfahren einzuleiten.

Diesem Ersuchen konnte jedoch nicht mehr entsprochen werden, weil der Generalgewaltige Napoleon’s, der Fürst Eckmühl, schon am 30. November durch ein Aufgebot von mehreren Hunderten [846] französischer Kürassiere, mit roßschwanzumwehetem Helme und blinkendem Harnisch sowie mit geladenen und gespannten Pistolen, den armen alten, gebrechlichen Becker in seiner friedsamen Hütte hatte aufheben und fortführen lassen.

Als der Herzog von Gotha, dem man auch hier wieder die äußerste Geringschätzung und die schnödeste Mißachtung seiner landesherrlichen Rechte zu erkennen gegeben hatte, nach dem Schicksale und dem Aufenthalte seines Unterthanen fragte, gaben ihm die Franzosen zur Antwort, Becker sei auf Befehl des Kaisers verhaftet worden; er werde als Gefangener „au grand secret“ behandelt, und folglich sei von nun an seine Existenz, sein Aufenthalt etc. für Jedermann, und also auch für seinen deutschen Herzog, das größte Geheimniß. In der That hat der gute alte Becker als „höchst gefährliches Subject“ vom 2. December 1811 bis zum 29. April 1813 in französischer Gefangenschaft in Magdeburg geschmachtet. Er war zum „Oublié“ geworden, und nur einem günstigen Zufalle verdankte er seine endliche Befreiung, freilich erst zu einer Zeit, da das Napoleonische Regiment schon sichtbarlich wankte.

Vielleicht werde ich ein anderes Mal über diese seine höchst interessante Leidensgeschichte berichten. Becker beklagt sich in seiner naiven Weise über die Wandelbarkeit der Ansichten des Kaisers über den Tabak.

„Weil der Kaiser 1810,“ schreibt er, „sich zum alleinigen Tabaksfabrikanten des ganzen Reichs erklärt hatte, so waren Robin’s Ideen vom Tabake falsch und anstößig geworden, indem die Wahrheit in despotischen Staaten nicht durch die Natur und das Verhältniß der Dinge, sondern durch den Willen des Herrschers bestimmt wird. Ich wäre also wegen einer nicht von mir gemachten, ohne mein Wissen gedruckten Uebersetzung einer Stelle eines französischen, in Paris mit kaiserlicher Censur und Genehmigung gedruckten Buches einer rechtsförmlichen Untersuchung unterworfen worden, wenn nicht der Marschall Davoust dem rechtlichen Verfahren durch seine widerrechtliche Gewaltthat zuvorgekommen wäre.“

Die Davoust’sche Gefangenschaft bewahrte ihn also vor der gothaischen Untersuchung. Da war denn doch am Ende die Arznei schlimmer als die Krankheit, die Hülfe schlimmer als das Uebel.