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Διαδικασία[1] heisst allgemein Entscheidung (Demosth. VIII 57. CIA IV 2, 841 b 26 und so διαδικάζεσθαι Demosth. XXX 2. Plat. Leg. XI 936 d), aber es steht auch technisch neben δίκη und εὔθυνα Demosth. XX 147. XXIV 54 für den Rechtsstreit, bei welchem von zwei oder mehreren Personen jede grösseren Anspruch auf ein Recht oder mindere Verpflichtung zu einer Leistung zu haben behauptete, Etym. M. Hesych.Suid. Bekker Anecd. I 236, 16. Der streitige Gegenstand heisst διαδίκασμα, Lys. XVII 10. Das streitige Recht konnte zunächst das Eigentumsrecht an einer einzelnen Sache sein, obwohl gewiss nicht jeder Eigentumsstreit auf Grund einer Vindicationsklage (Meier-Lipsius Att. Proz. 674) zu den δ. gehörte. Doch lässt sich bei dem Verlust der bezüglichen Reden nichts sagen. Dagegen entstand eine δ. mit dem Staat, wenn jemand behauptete, dass in ein eingezogenes Vermögen eine ihm gehörige Sache zu Unrecht einbegriffen sei (Lys. XVII). So wird das Wort auch auf Besitzstreitigkeiten zwischen Staaten übertragen, [Demosth.] VII 7. 41f. Um ein Nutzungsrecht scheint es sich in der Rede des Deinarchos πρὸς Ἀμεινοκράτην δ. περὶ καρπῶν χωρίου Dionys. Din. 12 zu handeln, während die a. O. 11 genannte δ. Ἀθμονεῦσι περὶ τῆς μυρρίνης καὶ τῆς μίλακος dunkel bleibt. Ferner wird And. I 27 eine δ. zwischen mehreren Angebern um die vom Staate ausgesetzte Belohnung erwähnt. Sodann gehören hierher die δ. zweier Geschlechter oder Personen über das Anrecht auf Priesterstellen und
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deren Einkünfte, Arist. resp. Ath. 57, 2, Lykurgos δ. Κροκωνιδῶν πρὸς Κοιρωνίδας, Deinarchos δ. τῆς ἱερείας τῆς Δηματρὸς πρὸς τὸν ἱεροφάντην, welche Sauppe Or. A. II 339 mit der Κροκωνιδῶν δ. vereinigt. Auch die von Meier Att. Proz.² 562 geforderte δ. über das Anrecht auf eine Vormundschaft wird durch Arist. a. O. 56, 6 bestätigt (εἰς ἐπιτροπῆς διαδικασίαν). Ja selbst über die Berechtigung zu einem Amt konnte eine δ. entstehen, [Xen.] resp. Ath. 3, 4. Lex. Cantabr. 665. Demosth. XXXIX 10. 19. XL 34. Kirchhoff Vom Staate der Athener 22. Der häufigste Fall der δ. war bei Erbstreitigkeiten, wenn mehrere zugleich auf eine Hinterlassenschaft Anspruch erhoben, [Demosth.] XLIV 40. 50, und erklärlicherweise wurde die Bezeichnung auch auf den Fall übertragen, wo jemand eine einem anderen zugesprochene Erbschaft für sich in Anspruch nahm, [Demosth.] XLIII 7. 15. 34. 61, ja sie findet sich sogar bei einem Angriff auf die διαμαρτυρία (s. d.) μὴ ἐπίδικον εἶναι τὸν κλῆρον, [Demosth.] XLIV 7. Die δ. über die Verpflichtung kam vor bei Choregie, [Xen.] resp. Ath. 3, 4. Suid. (wahrscheinlich auch bei Gymnasiarchie), Proeisphora und Trierarchie, [Xen.] a. O. Demosth. XXVIII 17. Arist. resp. Ath. 61, 1 (s. Ἀντίδοσις), wenn jemand einen anderen zur Leistung mehr verpflichtet glaubte. Reste von Aufzeichnungen über die in solchen δ. gefällten Entscheidungen bieten CIA II 945–947. Bei der Trierarchie entstand auch eine δ. mit dem Staat, wenn der Trierarch aus irgend welchem Grunde, z. B. Sturmschaden, der Verpflichtung überhoben zu sein behauptete, Schiff und Gerät in brauchbarem Zustand zurückzuliefern, [Xen.] a. O. Boeckh Seeurkunden 210. Hierher gehören auch die δ. CIA II 803 d 90. 811 c 42 und im weiteren Sinne auch Demosth. XXIV 13. Ausserhalb Attikas hören wir von δ. nur aus Zeleia in der Troas, Dittenberger Syll.² 154, 20 in Besitzstreitigkeiten zwischen Privatpersonen und dem Staat. Vgl. Meier-Lipsius Att. Proz. 471. G. A. Leist Der attische Eigentumsstreit im System der Diadikasien 1886, welcher die δ. mit Unrecht als Vorprocesse betrachet. Mitteis Reichsrecht und Volksrecht 501f., wo Isai. X 24 arg missverstanden ist.