RE:Agoranomoi

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Marktaufsichtsbehörde mit Polizeigewalt
Band I,1 (1893) S. 883 (IA)–885 (IA)
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Agoranomoi (ἀγορανόμοι), Name einer Polizeibehörde, die sich durch mehr als 200 Inschriften in 120 Städten vom 4. Jhdt. v. Chr. bis zum 3. Jhdt. n. Chr. nachweisen lässt. Diese Städte sollen in zwei Gruppen getrennt besprochen werden; die erste Gruppe umfasst Städte des griechischen Festlandes, der Inseln, Kleinasiens und Grossgriechenlands, die zweite Städte Ägyptens. Für die erste Gruppe mögen einige Belege für die Zeit v. Chr. angeführt werden: Thasos 350 v. Chr. (Cauer del.² 527); Chios 332 v. Chr. (Monatsb. Akad. Berl. 1863, 265f.); Athen 320 v. Chr. (Dittenberger Syll. 337); Delos 377–167 v. Chr. (CIG 2266); Rhodos 3. Jhdt. v. Chr. (Bull. hell. VII 97); Melitaea in Thessalien 200 v. Chr. (Le Bas II 1179); Berytus 152 v. Chr. (CIG 4531). Die meisten Inschriften gehören der römischen Zeit an; in denselben dient das Wort ἀγορανόμος auch als Übersetzung des römischen aedilis, wie es in der Litteratur seit Polybios gebraucht ist, z. B. Dion. H. VI 90. Zonar. VII 15 p. 342 (vgl. Aedilis). Nach Hesychios (s. ἐμπέλωρος) hiessen sie in Sparta in früherer Zeit ἐμπέλωροι; zu Thespiae in Boeotien haben sie den Namen ἀγώναρχοι (Bull. hell. VIII 414). Nach dem Schol. Aristoph. Acharn. 733 (vgl. 896). Schol. Demosth. XXIV 112. Bekker Anecd. 330, 17 sollen sie in der römischen Zeit den Namen Logisten geführt haben, was jedoch auf einer Verwechslung der Ämter beruht; über die verschiedene Bedeutung des Wortes λογιστής vgl. Art. Λογισταί.

Die Zahl der Agoranomen und die Art ihrer Einsetzung war verschieden, bald wird ein einzelner erwähnt, gewöhnlich aber erscheinen sie als ein Collegium: in Athen von 10, 5 für den Peiraieus, 5 für die Stadt, und durchs Los bestellt: Aristot. Ἀθην. πολ. 51. In der Kaiserzeit werden nur zwei erwähnt: CIA III 461. Ἀρχ. δελτίον 1888, 189. In Halikarnass waren 9: Bull. hell. IV 400. Sparta hat ein Collegium von 8, der Vorsteher heisst πρέσβυς: CIG 1277. Le Bas II 168 b. c. Olbia hat ein Collegium von 5: CIG 2078 = Latyschew 76. 75. Drei finden sich in Delos (CIG 2266), Larissa Kremaste (Le Bas II 1160), Tarmia in Carien (Athen. Mitt. XI 203). Zwei in Mesembria (Dittenberger Syll. 339), Tralles (Bull. hell. I 55), Abdera (Bull. hell. V 89), Akrai in Sicilien (Kaibel IGI 209. 211. 212). Sie wurden in der Kaiserzeit regelmässig gewählt. Die Amtsdauer war ursprünglich ein Jahr; in der späteren Zeit kürzer, z. B. 4 Monate in Erythrai (Le Bas [884] III 1541), so dass einjährige Dauer als Ausnahme erscheint, wie in Tralles CIG 2929.

Über die Geschäfte dieser Behörde im allgemeinen s. Plat. Leg. VI 764 B. VIII 849 A. IX 881 C. XI 913 D. 917 B f. VI 753 A. Aristot. Pol. VII (VI) 8. Harpokration s. κατὰ τὴν ἀγορὰν ἀψευδεῖν. Wie schon der Name sagt, erstreckt sich ihre Competenz auf den Marktplatz selbst, daher ihnen im Peiraieus die Instandsetzung des Marktplatzes aufgetragen wird: Dittenberger Syll. 337, 8f. Ferner haben sie die Aufsicht über den Verkehr am Markte, besonders den Kleinhandel, die καπηλεία: es sind ihnen die Waren unterstellt, in Athen aber war das Getreide ausgenommen und dafür besondere σιτοφύλακες bestimmt. (Lys. XXII 16. Arist. Ἀθην. πολ. 51). Ihre Aufsicht äusserte sich in der Sorge für die εὐκοσμία und das μὴ ἀψευδεῖν durch Aufrechterhaltung der Ordnung, Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Verkäufern und Käufern, Untersuchung der Waren nach Qualität und Quantität, Überwachung des Gebrauchs richtiger Masse und Gewichte, überhaupt durch Erlassung einer bestimmten Marktordnung über Zeit und Ort des Verkaufes (Plaut. Mil. gl. 727f. Aristoph. Acharn. 724. 824. 968; vesp. 1406. Plat. Leg. XI 917 E. Aristot. Pol. II 5. Inschrift von Andania: Dittenberger Syll. 388, 99f.). In Athen bestand für die Überwachung der Masse und Gewichte eine besondere Behörde, die μετρονόμοι. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung stand ihnen Bürgern gegenüber das Recht der ἐπιβολή zu, welche in Andania 20 Drachmen betrug; den Sklaven und vielleicht auch Fremden gegenüber hatten sie das Recht der körperlichen Züchtigung (in Andania 50 Hiebe), weshalb sie Geisseln führten (Aristoph. Acharn. 723f.; vgl. Pollux X 177). In Athen hatten sie noch die Aufsicht über gewisse Abgaben: a) das ξενικὸν τέλος, Standgeld, das jeder Fremde entrichten musste, der in Athen Handel treiben wollte (Demosth. LVII 31) und worüber sie besondere Aufzeichnungen führten. Demosth. a. O. 34; b) das ἀγορᾶς τέλος, Marktzoll (Aristoph. Acharn. 896 mit Schol.); dieser Marktzoll war nach einem besonderen Tarif, ἀγορανομικὸς νόμος, geregelt (Schol. Hom. Il. XXI 203); c) das πορνικὸν τέλος, Hetärensteuer: Suid. s. διάγραμμα; vgl. Aeschin. I 119. Die eingehenden Gelder hatten sie zunächst für die Bedürfnisse des Marktes zu verwenden, den Überschuss an die Staatskasse abzuführen. Dittenberger Syll. 337. In anderen Städten sorgen sie für Beschaffung von Getreide und Brot zu wohlfeilen Preisen, z. B. Astypalaea CIG 2483. 2484; Paros CIG 2374 c; Istros Arch.-ep. Mitt. VI 76 u. s. w. In Paros sorgen sie für die Einhaltung der Verträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern CIG 2374 e; in Thasos für die Erüllung des Pachtvertrages, Cauer 527. Wegen des mit religiösen Festlichkeiten verbundenen Marktverkehrs finden wir Agoranomen erwähnt an Kultusorten, z. B. Olympia (Arch. Ztg. XXXIV 56 u. ö.), Andania (Dittenberger 388), in Erythrai einen ἀγορανόμος πανηγύρεως, Le Bas III 655. Mit ihrer Wirksamkeit stehen im Einklange zahlreiche Widmungen an den Marktgott Ἑρμῆς ἀγοραῖος, z. B. in Olbia, Pergamon u. s. w., sowie die Aufstellung geaichter Masse, σηκώματα [885] wie in Gytheion, Le Bas II 241 b. In Processen, die sich auf ihren Wirkungskreis bezogen, hatten sie den Vorsitz; von sonstigen gerichtlichen Functionen der Agoranomen berichtet die Inschrift aus Melitaea Le Bas II 1179, sowie aus Akmonia in Phrygien Le Bas III 751. Zu erwähnen ist noch der ἀγορανόμος αἰώνιος in Sparta (CIG 1363. 1364b. 1375. 1379. Le Bas II 162j); er ist kein „lebenslänglicher“ Magistrat, sondern bekleidet die ἀγορανομία αἰώνιος, d. i. eine solche, für welche durch eine Stiftung die Kosten gedeckt wurden. Zur Ausübung ihrer Functionen hatten sie ein eigenes Amtslocal, ἀγορανόμιον, am Markte, wie es Plat. Leg. XI 917E verlangt und inschriftlich nachgewiesen ist für Athen (Peiraieus, Dittenberger Syll. 337. Ἀρχ. δελτίον 1888, 189); Istros (Arch.-ep. Mitt. VI 36 nr. 78); Samos (Bull. hell. V 478); Rhodos (Bull. hell. VII 97); Ephesos (Anc. gr. inscr. 656); Tralles (Bull. hell. I 55); Astypalaea (CIG 2483).

Die zweite Gruppe bilden die A. von Ägypten, für welche neben einigen Inschriften vorzüglich Papyri in Betracht kommen, die Kaufverträge und dergleichen enthalten. Die Agoranomen hatten danach eine andere Stellung: sie haben nach Strabo (XV 707) das Land zu vermessen und die Gräben zu beaufsichtigen, durch die das Wasser verteilt wurde. Ausser der Führung des Grundbuches hatten sie noch andere polizeiliche Geschäfte; sie werden gewöhnlich mit unseren „Sensalen“ und Notaren verglichen.

Litteratur: G. Gilbert Handb. d. gr. Staatsaltert. I 246. II 331f. Haederli Die hellenischen Astynomen und Agoranomen, Leipzig 1886, dazu Schulthess Wochenschr. f. cl. Phil. V (1888) 33. 39. 120f. Boeckh Staatshaushalt³ I 62. 404. Hartel Über die griech. Papyri Erzherzog Rainer 65f. Wessely die aegyptischen Agoranomen als Notare.

Nachträge und Berichtigungen

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S. 883, 16 zum Art. Agoranomoi:

Dass A. im Thessalischen eine andere Bedeutung hatte, nämlich den Beamten, welcher die Verhandlungen einer Volksversammlung leitete, bezeichnete, und dass ἀγορανομεῖν daher dem athenischen ἐπιστατεῖν entsprach, zeigt B. Keil Herm. XXXIV 196.

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Agoranomoi

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