RE:Arsagalitae

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Volk in NW-Indien
Band II,1 (1895) S. 12671268
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Arsagalitae, Volk des nordwestlichen Indiens, von Plinius (n. h. VI 78) in der Aufzählung der indischen Völker erwähnt, als deren Quelle Schwanbeck (Megasthenis Indica 51ff., s. auch 161ff. frg. LVI) die Indica des Megasthenes nachgewiesen hat. Die A. erscheinen dort unmittelbar nach den Peucolitae, die nördlich vom Kâbulfluss (bei den Alten Κωφήν) auf der Westseite des Indus ihre Sitze hatten (s. u. Peukelaotis). Lassen (Indische Altertumskunde III 139) hat in den beiden ersten Silben von A. den Namen des indischen Landes Uraça (der Name der Hauptstadt Uraçâ) erkannt, den Ptolemaios (VII 1, 45) durch Οὔαρσα (Nobbe Ἄρσα) wiedergiebt. Uraça lag im jetzigen District Hazara, annähernd zwischen dem 34° und 35° nördlicher Breite, begrenzt im Westen vom Indus, im Osten von Kašmîr. Der alte Name ist bis auf den heutigen Tag erhalten in dem des Bezirkes Raš, in der westlich von Muzaffarâbâd am Dor, einem Nebenflüsschen des Indus, gelegenen Landschaft Dhantâvar (s. Cunningham The ancient Geography of India 103; auf Mountstuart Elphinstones Karte zu An account of the Kingdom of Caubul Dhumtour; im Text II 6. 8 ungenauer Drumtour, Drumtore); das Nähere s. u. Uarsa. Uraça war also nur durch den Indus von dem Gebiet der Peucolitae getrennt; seine Lage stimmt somit aufs beste zu der Stelle, welche die A. in der Aufzählung des Megasthenes bei Plinius einnehmen. Der zweite Teil des Namens A. soll nach Lassen (a. a. O.) im Sanskrit galita gelautet und die Bedeutung ,vertrieben‘ gehabt haben, so dass der Sinn des Ganzen ,die aus Uraçâ Vertriebenen‘ gewesen sei. An diese Erklärung, die sicherlich falsch ist, – denn galita kann unmöglich die angegebene Bedeutung gehabt haben – hat Lassen eine höchst phantastische Vermutung geknüpft. Da nämlich bei Ptolemaios (a. a. O.) Οὔαρσα einen grösseren Umfang hat als das Uraça der einheimischen Überlieferung [1268] (s. u. Uarsa) und das südlicher gelegene Taxila (s. d.), jetzt Šâh-dheri im District Raval Pindi, mitumfasst, so sollen es die A., jene angeblich aus Uraçâ Vertriebenen, gewesen sein, die sich Taxilas bemächtigt und einen König ihres ehemaligen Vaterlandes bei der Eroberung dieses Landes unterstützt haben. Um zu einer richtigen Erklärung des Namens A. zu gelangen, ist das schliessende itae nicht als Suffix der einheimischen Namensform zu fassen, sondern als das Gentilia bildende griechische -ιτης, man vgl. z. B. das unmittelbar vor A. stehende Peucolitae (Pâli Pukkhala, vielleicht auch gleich Pukkhalaoti), das ebenfalls jene griechische Ableitungssilbe aufweist, oder doch als dadurch gebildet empfunden worden ist; dann bei Ptolemaios (VII 1, 66) das dem indischen Volksnamen Bhilla entsprechende Φυλλῖται (s. d. u. Lassen a. a. O. III 176) u. a. m. Ferner ist es nicht unwahrscheinlich, dass das l von A. ein durch das l von Peucolitae entstandener Fehler ist, indem Plinius, oder vielleicht auch schon Megasthenes, glaubte, dass die Schlusssilben der beiden aufeinander folgenden Völkernamen gleichlautend sein müssten. Der Buchstabe, an dessen Stelle das l getreten ist, wird ein n gewesen sein. Das ergäbe ein einheimisches Uraçagaṇa, d. h. ,Uraça-Schar‘, oder wenn wir das hier befremdlich erscheinende ǧaṇa durch ǧana ersetzen, das im Indischen thatsächlich mit Völkernamen verbunden wird, Uraçaǧana, d. h. ,Uraça-Volk‘. Die Wiedergabe eines indischen ǧ durch g ist allerdings ungewöhnlich, lässt sich aber noch an einem anderen, ganz sicheren Beispiele nachweisen, denn Γαγασμίρα (s. d.), wofür bei Ptolem. VII 1, 50 Ἀγασμίρα zu lesen ist, entspricht zweifellos dem heutigen Aǧmîr (sanskr. Aǧamîḍha; das cerebrale ḍh wurde in der jüngeren Sprache zu einem -Laut); s. Lassen II² 896, 5. III 151 u. H. Kieperts Karte v. Alt-Indien zu Lassens Altertumskunde. Die sachlich unanfechtbare Zurückführung der Namensform A. auf indisches Uraçaǧana erscheint somit auch in formeller Beziehung durchaus gerechtfertigt. Eine ganz abweichende Ansicht hat infolge eines völligen Mangels an Sachkenntnis J. Oppert (Les inscriptions des Achéménides 13 = Journal Asiatique 4ième série XVII 1851, 263) aufgestellt; er hält den Namen der A. für iranisch und setzt als einheimische Form Arsagaritâ an, dessen beide Anfangssilben das in so vielen iranischen Namen auftretende Arša sein sollen, dessen Schlusssilben aber garnicht erklärt werden.