Caelus (oder Caelum, vgl. Serv. Aen. V 801. Neue-Wagener Formenl. I² 416) gehört nicht als Götterfigur der römischen Religion an, sondern ist nur Übersetzung des griechischen Uranos (s. d.). Daher ist er schon bei Ennius (ann. frg. 25 Baehr. und Euhem. frg. 513. 514. 521 Baehr.) Vater des Saturnus-Kronos und Grossvater des Iuppiter-Zeus (Cic. n. d. II 63. III 44. Serv. Aen. V 801. Mythogr. Vat. I 204. II 1. Macr. Comm. I 2, 11), dann weiter Sohn des Aether-Aither und der Dies-Hemera (Cic. n. d. III 44. Hyg. fab. praef. p. 9, 17 Schm.; Uranos ist Sohn des Aither nach Titanomach. frg. 1 Kink.), nach andrer Überlieferung des Okeanos und der Tethys (Mythogr. Vat. I 204 Ophion et secundum philosophos Oceanus, qui et Nereus, de maiore Thetide genuit Caelum, wahrscheinlich blosse Entstellung der hesiodeischen Genealogie, theog. 132ff., nach der umgekehrt Okeanos und Tethys Kinder von Uranos und Gaia sind); ihm opfert Iuppiter-Zeus vor dem Kampfe mit den Titanen (Fulg. myth. I 25. Myth. Vat. II 198. III 3, 4); aus seinem herabträufelnden Blute (als er von seinem Sohne Saturnus-Kronos entmannt wurde, Cic. n. d. II 63. Myth. Vat. II 30. III 1, 7) sollte Silenus entsprungen sein (Serv. Ecl. 6, 13), und in dem grossen genealogischen Lehrgebäude der kurz vor Cicero entstandenen ‚Differenzierungs-Theologie‘ (s. über diese jetzt R. Hirzel Ber. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1896, 277ff.) war Caelus-Uranus als Vater des zweiten Iuppiter (Cic. n. d. III 53), des ersten Volcanus (Cic. n. d. III 55. Lyd. de mens. IV 54), des ersten Mercurius (Cic. a. a. O. 56. Serv. Aen. IV 577. I 297. Schol. Stat. Theb. IV 482. Arnob. IV 14. Ampel. 9, 5) und der ersten Venus (Cic. a. a. O. 59. Ampel. 9, 9. Lyd. de mens. IV 44) aufgeführt. Die kosmogonische Speculation der Stoiker stellte Himmel und Erde an die Spitze der Theogonie und identificierte die Hauptgötter der verschiedenen Religionen mit ihnen; vgl. Varro de l. l. V 57: Principes dei Caelum et Terra. hi dei idem qui Aegypti Serapis et Isis… idem principes in Latio
[1277] Saturnus et Ops. Non. p. 197 Varro rerum divinarum VI (deum significans non partem mundi): sic pater magnus, mater magna (mater magna Iunius, materna Hss.) his sunt Caelus ⟨Tellus⟩ (zugefügt von Quicherat).
Nirgends ist hier von einem Kulte des C. die Rede, und darum kann sich die Vorschrift des Vitruv. I 2, 5 Iovi Fulguri et Caelo et Soli et Lunae aedificia sub diu hypaethra constituentur, was C. anlangt, nicht auf heimisch römische Verhältnisse beziehen, sondern nur auf einen eingedrungenen Fremdkult. Alle Weihinschriften, die den C. erwähnen, gehören in den Bereich der orientalischen Superstition; darauf weist schon das Beiwort aeternus (Optimus maximus Caelus aeternus Iuppiter CIL VI 81 = Cumont Mithras inscr. nr. 59, Caelus aeternus auch CIL VI 83. 84; über die Bedeutung des Beiwortes aeternus s. Cumont Rev. archéol. 1880 I 184ff. und oben Bd. I S. 696f.) und die enge Beziehung des Himmelskultes zur Mithrasreligion (die erwähnte Inschrift CIL VI 81 ist zusammen mit einer Weihung an Mithras, ebd. 82, gefunden; vgl. auch CIL VI 754 = Cumont Mithras inscr. nr. 13, wo ein Eingeweihter des Mithrasdienstes caelo devotus et astris heisst, und s. u. Caelestinus Nr. 1), die am deutlichsten auf einer im dritten Mithraeum von Heddernheim gefundenen Stele (Cumont Mithras Monum. fig. nr. 253 j, Abbild. 289–291, vgl. Westd. Ztschr. XIII 1894, 96f.) hervortritt; während die Vorderseite die Felsgeburt des Mithras darstellt, zeigen die Nebenseiten je unter einem Fackelträger einerseits Oceanus, andererseits einen auf der Himmelskugel sitzenden blitztragenden Adler mit der Unterschrift Celum (Accus.). Aus diesem Gedankenkreise heraus wird auch die Aufnahme von Caelus allein (CIL II 2407 = Cumont Mithras inscr. nr. 520) oder Caelus und Terra (Altar der equites singulares, Ann. d. Inst. 1885, 260 nr. 23 = Cumont a. a. O. nr. 130) in grössere Götterreihen zu erklären sein, während die Weihung Caelo aeterno, Terrae matri, Mercurio menestratori (CIL VI 84) vielleicht den samothrakischen Göttern gilt (Terra enim et Caelum, ut Samothracum initia docent, sunt dei magni, Varro de l. l. V 58; der dienende Mercur ist der Hermes Kadmilos). Über bildliche Darstellungen des Himmels in Gestalt eines mit halbem Leibe auftauchenden bärtigen Mannes, der ein Gewand bogenförmig über seinem Haupte hält (z. B. auf dem Panzer der Augustusstatue von Prima Porta, Monum. d. Inst. VI. VII 84), s. Visconti Museo Pio-Clem. IV 137. O. Jahn Arch. Beitr. 85, 28; Ber. sächs. Gesellsch. d. Wiss. 1849, 63ff.