RE:Diokles 53
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | ||
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Bedeutendster Vertreter der dogmatischen Schule des 4. Jhs., Arzt | ||
Band V,1 (1903) S. 802–812 | ||
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53) Diokles, des Archidamos Sohn (Herm. XXXV 369), von Karystos auf Euboia, ist der bedeutendste Vertreter der dogmatischen Schule im 4. Jhdt. Er erlangte eine solche Berühmtheit, dass die Athener ihn einen zweiten Hippokrates nannten (Vindicianus c. 2: Diocles, sectator Hippocratis, quem Athenienses iuniorem Hippocratem vocaverunt. Plinius n. h. XXVI 10: qui secundus aetate famaque extitit. Gal. XIV 683; vgl. das günstige Urteil des Galen über ihn V 751). Seine Zeit bestimmt sich dadurch, dass Praxagoras und Aristoteles bereits an seine Lehren anknüpften (M. Wellmann Das älteste Kräuterbuch der Griechen 23, 2; Die Fragmente der sikelischen Ärzte Akron, Philistion und des Diokles von Karystos [Berlin 1901] 21. 67. 76, 5) und dass er selbst die Ansicht des Diogenes von Apollonia über die Natur des menschlichen Samens bekämpfte (M. Wellmann Fragm. der sik. Ärzte 51ff.); er gehört also dem ersten Drittel des 4. Jhdts. an. In der Litteratur ist Theophrast der erste, der ihn citiert (περὶ λίθων c. 5, 344,40 W.); auffälligerweise findet er dagegen weder bei Aristoteles noch in Menons ἰατρικά Erwähnung (vgl. Fredrich Hippokr. Unters., Phil. Untersuchungen XV 78f.). Er hat sicher in Athen gelebt (Vind. a. a. O.); wie Plato stand er unter dem Banne der damals in Athen in ärztlichen Kreisen herrschenden sikelischen Schule, speciell des Empedokles-Philistion, dessen Dogmen er mit denen des grossen Koers vereinigte (M. Wellmann a. a. O. 69. 74f.). Im Gegensatz zu den meisten Ärzten seiner Zeit schrieb er attisch; nach unserer Überlieferung ist er der erste Arzt, der bereits eine Sammlung der hippokratischen Schriften benützt hat (M. Wellmann a. a. O. 54. 51f.). Bisher waren wir für die Reconstruction seiner Lehre auf mehr oder weniger kurze Erwähnungen bei spätern Schriftstellern, insbesondere bei Galen, Athenaios, Caelius Aurelianus-Soran angewiesen; in neuerer Zeit hat der von E. Fuchs im Rh. Mus. XLVIII 5352ff. edierte medicinische Anonymus des Cod. Paris, suppl. gr. 636 und der unter dem [803] Namen des Octavius Horatianus umgehende Tractat des Vindicianus (herausgegeben bei M. Wellmann a. a. O. 208ff.) für seine Physiologie und Aetiologie neues Material gebracht.
In seiner Physiologie, die sich naturgemäss nahe mit der des Philistion von Lokroi berührt, ging er wie dieser von den vier Urelementen des Empedokles, Feuer, Wasser, Luft und Erde, und deren Grundqualitäten aus (Gal. II 110f. V 684f. X 462. XV 346). Der menschliche Körper besteht aus diesen vier Grundstoffen mit ihren bestimmten Kräften, dem Warmen, Feuchten, Kalten, Trockenen; von diesen Grundqualitäten, die im Körper zu- und abnehmen und als deren Hauptkräfte er mit Empedokles-Philistion das Warme und Kalte betrachtete (M. Wellmann a. a. O. 69f), sind die Krankheiten abhängig, je nachdem ein Übermass oder ein Mangel von ihnen im Körper vorhanden ist (frg. 30). Insbesondere ist das Warme von grossem Einfluss auf die Bildung der Säfte (Gal. II 111. 117. 140), die im Körper als Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle auftreten (frg. 9). Diese Säfte, deren Vierzahl vermutlich von der sikelischen Schule aufgebracht worden ist, entstehen durch Einwirkung der eingepflanzten Wärme (ἔμφυτος θερμασία) auf die von den Venen übernommenen Nahrungsstoffe (Gal. II 117. 140): das Blut bei normalem Mischungsverhältnis, die Galle, wenn das Warme im Übermass vorhanden ist, der Schleim, wenn es zu gering ist. Die Galle ruft Entzündungen, der Schleim Katarrhe hervor (Gal. XV 347. V, 685; ebenso Platon im Timaios 83 C. 85 B). Die Krankheiten machte er ferner wie Philistion (Diels Pap. Lond. XX 25ff.) auch von äusseren Ursachen abhängig (frg. 31. M. Wellmann a. a. O. 81), d. h. Verwundungen und Geschwüre, Witterungsverhältnisse und die Beschaffenheit der Nahrung können auch auf die Gesundheit einwirken. Auch darin berührt er sich mit diesem Arzte und mit. Platon (Tim. 84 D), dass er dem Pneuma eine für Gesundheit und Krankheit des Körpers bedeutsame Stelle anweist. Pneuma und eingepflanzte Wärme sind ihm verschiedene Kräfte: während die eingepflanzte Wärme dem Menschen von Natur innewohnt, gelangt das Pneuma von aussen durch Luftröhre, Speiseröhre und die Poren der Haut in den Körper. Innerhalb desselben hat es seinen Sitz im Herzen, dem ἡγεμὼν τοῦ σωματος (Fuchs a. a. O. 5, 543. Tertullian. de anima c. 15. Diels 204 A. 391), ebenso wie die Wärme, und führt den Namen ψυχικὸν πνεῦμα oder ψυχικὴ δύναμις (Fuchs 2, 541. 3, 541. 5, 543. 18, 549) und verbreitet sich von da vermittels der Adern durch den ganzen Körper (Fuchs 5, 543). Es ist die δύναμις, welche den Körper trägt, während der Körper das getragene ist (frg. 17). Es ruft Krankheit hervor, wenn es nicht ungehindert durchgeht, sondern sich staut (ἔμφραξις τοῦ πνεύματος frg. 40. 43. 51. 59. 63; vgl. περὶ ἱερρ. νούς. c. 4. M. Wellmann Pneum. Schule 140), völlige Hemmung der Atmung, d. h. der Bewegung des Pneuma im ganzen Körper, führt den Tod herbei. Diese Verstopfung des Pneuma (ἔμφραξις τοῦ πνεύματος) wird durch die Einwirkung von Schleim und Galle auf das Blut in den Adern herbeigeführt. Da der Schleim eine widernatürliche Abkühlung im Gefolge hat, so wird das Blut fest (πῆξις τοῦ αἵματος), [804] durch die Galle dagegen wird es zum Sieden gebracht (ζέσις τοῦ αἵματος) und wird infolgedessen dick. In beiden Fällen wird das Pneuma in seiner Bewegung gehindert (ἐμφράττεται), und diese ἔμφραξις hat Fieber im Gefolge, das also immer ein secundäres Leiden (ἐπιγέννημα) ist (vgl. M. Wellmann a. a. O. 179f.). Ergänzt wird es durch das mit der Nahrung dem Körper zugeführte Pneuma (Orib. III 171), durch die Atmung, welche der inneren Wärme zur Abkühlung dient (Gal. IV 471; ebenso Philistion, Platon) und durch die sinnlich nicht wahrnehmbare Perspiration vermittels der auf der Haut befindlichen Poren (Gal. XI 473. XVII² 421. Orib. III 170). Die sinnlich wahrnehmbaren Aussonderungen durch die Poren, den tropfbaren Schweiss, fasste er als widernatürlichen Zustand auf (frg. 12). Ob er schon den der Stoa geläufigen Tonosbegriff des Pneuma gekannt hat, lässt sich aus seinen Bruchstücken nicht entnehmen, doch ist es bei der notorischen Abhängigkeit des Praxagoras von seiner Pneumalehre mehr als wahrscheinlich (vgl. Fuchs 34, 556. 10, 546). Die Lehre von der Unterhaltung des πνεῦμα ψυχικόν durch die reinen Ausdünstungen (ἀναθημιάσεις) des Blutes scheint er gleichfalls gekannt zu haben (M. Wellmann a. a. O. 78). Im Anschluss an die Lehre der sikelischen Schule machte er das Herz zum Sitz der φρόνησις (frg. 14; derselben Meinung sind Praxagoras, die Stoiker und die Pneumatiker, M. Wellmann a. a. O. 14f. 77), vom Herzen und von der Arterie geht die Bewegung der Glieder aus (Fuchs 20, 550), das vom Herzen zu den Sinnesorganen strömende Pneuma vermittelt die sinnliche Wahrnehmung (M. Wellmann a. a. O. 20. 46f.). Die Delirien, welche die Phrenitis im Gefolge hat, erklärte er folgerichtig daraus, dass sich die Entzündung des Zwerchfells dem Herzen mitteilt (Fuchs 1, 540). Das Herz ist der Mittelpunkt für alles Blut; er unterschied zwischen der Arterie, die er wie Praxagoras παχεῖα ἀρτηρία genannt zu haben scheint (Fuchs 4, 542. 20, 550), und den φλέβες. Die Arterie, welche sich zu den Nieren und der Blase erstreckt (Gal. XIV 744), enthält Blut und Pneuma und erhält das Blut vom Herzen (Fuchs 2, 541. 17, 548), das Pneuma nicht nur vom Herzen, sondern überall her (Gal. IV 731). Wie die Arterie, führen alle anderen Blutgefässe Blut und Pneuma: er benennt sie mit dem gemeinsamen Namen φλέβες und kennt die κοῖλαι, βύθιοι φλέβες des Kopfes (Fuchs 5, 543. Gal. XV 135), die φλέβες, die sich an den Rippenknorpeln hinziehen (Fuchs 8. 544), die φλέβες der Leber (Fuchs 29, 553. 34, 556), der Lunge (Cael. Aur. a. m. II 28) und die φλέβες des Magens (Gal. VIII 186). In seiner Erklärung des Atmungsprocesses schloss er sich wie Philistion-Platon (Tim. 79 A) eng an Empedokles an. Er stellte sich denselben als einen durch die Blutbewegung vermittelten Kreislauf vor. Als Luftcanäle galten ihm nicht blos Mund und Nase, sondern auch die Poren der Haut. Wenn nun Mund und Nase die Luft nach aussen abgeben, dringt Luft durch die Poren der Haut in den Körper ein, wenn dagegen Mund und Nase dem Körper Luft zuführen, geben die Poren sie nach aussen ab (M. Wellmann a. a. O. 82). Die Nahrungsstoffe werden im Körper durch die φλέβες [805] verbreitet, welche vom Magen ausgehen (Gal. VIII 186. Fuchs 34, 556) und im normalen Zustande die περιττώματα an den Darm abgeben (Gal. a. a. O.). Übermässige Erhitzung (ζέσις Fuchs 17, 548) verdickt das Blut in den Adern und ruft Verstopfung (ἔμφραξις) hervor, welche zur Folge hat, dass die Nahrung im Magen unverdaut bleibt (Gal. a. a. O.). Wird die eingepflanzte Wärme in ihnen durch kalte Säfte übermässig abgekühlt, so können sie die Nahrung nicht verarbeiten, und das Blut gerinnt oder wird in Wasser umgewandelt (Fuchs 2, 541. 34, 556). Der Verdauungsprocess beruht auf der Wärme des Magens, welche bewirkt, dass die Nahrungsstoffe in ihm einen Gährungs- oder Fäulnisprocess durchmachen (frg. 22). Befördert wird die Verdauung durch die gleichmässige Mischung der Nahrungsstoffe und der in ihnen enthaltenen Pneumata im Magen (Orib. III 171), während die Trennung derselben Verdauungsstörungen (κλύδαξις, δυσπεψία) hervorruft). Die abgesonderte Galle dringt aus der Leber durch Gänge (πόροι d. h. Lebergang und Gallenblasengang) in die Gallenblase (χοληδόχος κύστις Fuchs 30, 554), durch Verstopfung dieser Gänge entsteht die Gelbsucht (M. Wellmann a. a. O. 23). Die Nieren sondern durch den Urinleiter (οὐρητήρ) den Urin ab (Gal. II 30). Die Theorie der Sympathie ist ihm bekannt: so behauptete er, dass durch gute Verdauung der Speisen im Magen die Sinne geschärft würden (Orib. III 171; vgl. Hipp. de alim. II 20; de art. III 226). Die Lehre von der εὐκρασία lässt sich gleichfalls aus seinen Bruchstücken nachweisen. Wenn er (Orib. III 181) im Sommer vor warmer und trockener, im Winter vor kalter und feuchter Nahrung warnt, so lässt sein therapeutischer Grundsatz contraria contrariis (frg. 41 43. 48. 70. 77) darauf schliessen, dass er den einzelnen Jahreszeiten eine bestimmte Qualitätenmischung zugeschrieben hat (Sommer warm-trocken, Winter kaltfeucht). Ebenso wie für die einzelnen Jahreszeiten hat er auch für die verschiedenen Geschlechter und Lebensalter eine besondere Qualitätenmischung angenommen. Dies folgt daraus, dass er bei den Diätvorschriften Unterschiede im Alter machte (frg. 84. 141).
In der Entwicklungslehre schloss er sich an Empedokles an. Mann und Frau sondern Samen ab und beider Samen dient zur Bildung des Fötus (frg. 172; ebenso Empedokles Diels Doxogr. 190). Der Same kommt vom Gehirn und Rückenmark (frg. 170; ebenso Platon); daher schadet übermässiger Beischlaf den Augen und dem Rückenmark (frg. 141 S. 185). Im Gegensatz zu Diogenes von Apollonia vertrat er die Ansicht, dass der Same ein Product der Nahrung sei, eine Ansicht, die er durch Berufung auf die hippokratische Schrift περὶ τροφῆς (c. 7. IX 100 L.) zu stützen versuchte (frg. 9. 11. M. Wellmann a. a. O. 51ff.). Die völlige Ausbildung des Embryo, von dem sich schon nach 27 Tagen in einer schleimigen Haut schwache Spuren des Kopfes und Rückgrats finden (frg. 175. Athenaios benützt ihn, Wellmann Die pneumatische Schule 152), dauert 40 Tage. Dieselbe unterste Grenze hat auch Empedokles angegeben (Orib. III 78: συμφωνεῖ δὲ τοῖς χρόνοις τῆς παντελοῦς τῶν [806] ἐμβρύων διακρίσεως καὶ ὁ φυσικὸς Ἐμπεδοκλῆς sc. τῷ Διοκλεῖ), mit dem er auch in der Behauptung übereinstimmt, dass die Knaben sich schneller im Uterus entwickeln, als die Mädchen (frg. 175. 176. Gal. IV 631.), eine Behauptung, für die er vermutlich dieselbe Begründung beibrachte, wie Empedokles, weil sie sich im rechten, d. h. im wärmeren Teile des Uterus bilden (Gal. XVII¹ 1002. Aet. plac. V 7, 419 D.). Er vertrat die auf pythagoreischer Lehre beruhende Theorie, dass die Siebenzahl eine bedeutsame Rolle im ganzen Menschenleben seit seiner Embryonalbildung spiele (frg. 177; das D.-Citat scheint aus Straton zu stammen: da die dort vorgetragene Lehre im Widerspruch steht zu dem, was Oribasius bezw. Athenaios nach D. berichtet, so ist unsicher, worauf das D.-Citat zu beziehen ist; vgl. M. Wellmann a. a. O. 41f.). Wie Empedokles behauptete er, dass der Embryo bereits im siebenten Monate lebensfähig sei (frg. 174. Emped. bei Aet. plac. V 18, 427 D.), das im achten Monat geborene Kind sei zwar lebensfähig, aber meistens schwach, und viele gingen wegen ihrer Schwäche zu Grunde (frg. 174). Die Unfruchtbarkeit der Frauen, welche den Beischlaf zu oft vollziehen, erklärte er aus dem völligen Mangel des Samens oder aus seiner geringen Menge oder aus dem Mangel des fötusbildenden Elementes im Samen oder aus dem Mangel an Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit oder aus der Lähmung der Gebärmutter (frg. 172). Die Unfruchtbarkeit der Männer leitete er aus denselben Ursachen her (frg. 173); ausserdem arber noch aus einer abnormen Richtung, oder einem abnormen Grössenverhältnis der Rute zur Gebärmutter. Im Anschluss an Empedokles beschäftigte er sich mit der Frage nach der Ursache der Unfruchtbarkeit der Maulesel, die er aus der Kleinheit, Enge und verkehrten Lage der Gebärmutter erklärte (frg. 29). Aus diesem Bruchstück ergiebt sich das wichtige Factum, dass er Maultiere seciert hat: ἐν ταῖς ἀνατομαῖς πολλάκις ἑωράκαμεν τοιαύτην μήτραν τῶν ἡμιόνων. Der Schluss liegt nahe, dass sich seine nach dem Urteil des Galen (II 716. 900) unvollkommenen anatomischen Kenntnisse auf Sectionen von Tieren stützten. Den Ausdruck κοτυληδόνες fasste er nicht im landläufigen Sinne, sondern verstand darunter wie Hippokrates (Aph. V 45. IV 548 L.) und Praxagoras die Mündungen der zum Uterus führenden Blutgefässe, die zu beiden Seiten der Gebärmutter liegen (frg. 27). Für seine auf Tiersectionen beruhenden anatomischen Studien spricht die von ihm vertretene Annahme, dass diese Blutgefässe in zitzenförmige Auswüchse endigen (κεραῖαι von ihm genannt), die in der Gebärmutter liegen, auf dem Grunde breit, nach oben zu spitz sind und wie Saugwarzen die Ernährung des Embryo vermitteln (frg. 27). Er behauptete nach dem Vorgange des Empedokles, dass die Menstruation bei allen Frauen in dieselbe Zeit falle (frg. 171); sie trete zum erstenmal im 14. Lebensjahre auf (frg. 171. 177), dauere bis zum 60. Lebensjahr und nehme bei allen Frauen mit grosser Regelmässigkeit bis zu einem gewissen Alter zu, dann ab. Kälte in den Schenkeln und das Gefühl der Schwere im Rücken sind nach ihm Zeichen des bevorstehenden Abortus (frg. 180. 181). Breite Hüften, Sommersprossen, [807] rotblondes Haar, männliches Aussehen hielt er für untrügliche Zeichen der Fruchtbarkeit; er glaubte auch wie Euryphon (Sor. περὶ γ. πατθ. I 9, 35) durch Anwendung von Räucherungen die Fruchtbarkeit feststellen zu können (frg. 179). Zu den Ursachen der schweren Geburt rechnete er kümmerlich entwickelte und tote Leibesfrucht, schiefe Lage, Verhärtung und Verschluss des Muttermundes, feuchte und warme Constitution; ausserdem behauptete er, dass die jüngeren Frauen, besonders zum erstenmal, schwerer gebären (frg. 178). Über sein Verfahren bei hysterischen Stickkrämpfen und bei Vorfall der Gebärmutter berichtet Soran Genaueres (frg. 182. 184). Um die Semiothik hat er sich gleichfalls verdient gemacht und hat seine Ansichten in einer eigenen Schrift (προγνωστικόν Cael. aur. m. ch. IV 8, 112) niedergelegt. Nach dem Zeugnis des Galen (V 141ff.) stimmte er in der sich aus der Beschaffenheit des Harns ergebenden Prognose mit Hippokrates (προγν. c. 12, 89 K.) überein und schrieb der Lehre von den kritischen Tagen einen grossen Einfluss auf die Prognose zu (frg. 104. 105). Die Krankheitsstoffe durchlaufen drei Zustände, den der ἀπεψία, der πέψις und der κρίσις oder λύσις (frg. 107). Der 7., 14., 21., 28. Tag galten ihm als kritische Tage. In dieser Theorie zeigt sich wieder deutlich der grosse Einfluss, den die pythagoreische Lehre von der Siebenzahl, die auch der Verfasser von περὶ ἑβδομάδων vertreten hat, auf ihn ausgeübt hat (vgl. M. Wellmann a. a. O. 42; ausserdem frg. 106—110). Phrenitis tritt niemals am 1. Tage ein (frg. 110); manche Fieber entscheiden sich in einem Tage und einer Nacht (frg. 107). Er betrachtete es als ein schlimmes Zeichen, wenn lebende Spulwürmer mit dem Kote abgingen (frg. 101. 102).
Grosses Gewicht legte D., der Schultradition folgend (Akron und Philistion schrieben περὶ διαίτης, vgl. Plat. Tim. 89 C) auf die Diät. Er hat wie Philistion ein diätetisches Werk ὑγιεινὰ πρὸς Πλείσταρχον in mehreren Büchern verfasst, in dem er die im hippokratischen Corpus erhaltene Schrift περὶ διαίτης benutzt und berichtigt hat (vgl. Fredrich a. a. O. 171. 174. 189ff. 196f.). Das erste Buch behandelt die Lebensmittel; er vertritt in offener Polemik gegen den Verfasser von περὶ διαίτης den Standpunkt, dass es bei der Behandlung derselben nicht auf die Angabe der Ursachen für die einzelnen Eigenschaften derselben ankomme, sondern auf ihre erfahrungsgemäss festgestellten Wirkungen auf die Ernährung, Verdauung, den Magen, den Urin und die Säfte (Gal. VI 455f.). Ganz vortrefflich sind die von ihm im zweiten Buch seiner Diätetik vorgetragenen Vorschriften für die Lebensweise des Menschen (frg. 141. Fredrich a. a. O. 174): er ist darin ein würdiger Vorläufer der Pneumatiker. Vor allem nimmt es für den Mann ein, dass die übertriebenen gymnastischen Regeln seines älteren Zeitgenossen Herodikos von Selymbria bei ihm keine Beachtung gefunden haben (Fredrich 221); wir müssen dem Galen recht geben, wenn er ihn zu den ὄντως γυμναστικῆς ἐπιστήμονες rechnet (Gal. V 879. 898). Geleitet von dem Grundsatz, dass alles Übermass dem menschlichen Körper schade, verwirft er das gewohnheitsmässige Vomieren nach der Mahlzeit, [808] weil die Natur für die Überschüsse von Speise und Trank und für die sonstigen natürlichen Absonderungen des Körpers genügende Entleerung geschaffen habe (frg. 141 S. 185). Doch lässt er die Verwendung von Brechmitteln für bestimmte Fälle zu und giebt Vorschriften über die Zubereitung derselben (frg. 139). Den Beischlaf empfiehlt er kalten, feuchten, melancholischen Constitutionen; sonst sei Mass zu halten, besonders in den Jahren der Pubertät und im Alter. Die übermässige Ausübung des Coitus schade der Blase, den Nieren, der Lunge, den Augen und dem Rückgrat (frg. 141 S. 185). Sein Hauptaugenmerk ist darauf gerichtet, körperliche Bewegung und Nahrungszufuhr in das richtige Verhältnis zu bringen unter steter Berücksichtigung der Jahreszeiten und der verschiedenen Körperconstitutionen. Nach dem Aufstehen soll man erst zu Stuhl gehen, sich dann den ganzen Körper mit Öl einreiben, Gesicht und Augen mit reinem, kaltem Wasser anfeuchten und mit reinen Händen waschen, dann die Zähne und das Zahnfleisch reinigen, in Ermangelung einer Zahnbürste mit den Fingern und unter Anwendung eines Zahnpulvers. Zur Pflege des Kopfes empfiehlt er Einreibungen, Salben, Massage, das Kämmen und Scheeren des Haares bis auf die Haut. Das Schlafen auf dem Rücken verwirft er, weil es Atemnot, Beklemmungen, Krämpfe und Pollutionen herbeiführte. Im Sommer (warm-trocken) soll die Diät kalt und feucht sein, im Winter (kalt-feucht) warm und trocken. Die feuchten Constitutionen sollen zusammenziehende Speisen nehmen, die trockenen abführende, die an Harnverhaltung leidenden urintreibende, die Schmächtigen nahrhafte. Mit den Jahreszeiten soll man die Lebensweise nicht plötzlich ändern, sondern allmählich. Vorschriften über die Zubereitung der Nahrungsmittel, die Verbesserung des Wassers, über die gebräuchlichsten Abführmittel, über die Lebensweise von Reisenden hat Oribasius aus seinem diätetischen Werke erhalten (frg. 138—140. 142).
Die pathologischen Principien dieses grossen Arztes stehen im vollen Einklang mit seinen physiologischen Theorien: das Pneuma, Anomalien der Säfte und der sie bedingenden Grundstoffe des Körpers spielen in seiner Pathologie eine wichtige Rolle. Das Wesen des Fiebers suchte er in der vermehrten Hitze; es tritt infolge von Wunden, Entzündungen, Bubonen und von Verstopfung des Pneuma auf (frg. 31. 40). Er unterschied zwischen continuierenden und intermittierenden Fiebern und liess im Gegensatz zu der hippokratischen Schule (Epid. I c. 24) nur die kürzeren Perioden der intermittierenden Fieber gelten, d. h. Quotidian-, Tertian- und Quartanfieber (M. Wellmann a. a. O. 91). In seiner Therapie galt ihm als oberster Grundsatz das altüberlieferte contraria contrariis (frg. 35 mit den Anmerkungen); auf Constitution, Alter, sowie auf die Jahreszeiten nahm er bei der Behandlung der Krankheiten stetig Rücksicht. Im übrigen entspricht sie durchaus der Therapie, die uns in dem Corpus der hippokratischen Schriften entgegentritt. Als Sitz der Phrenitis betrachtete er wie der Verfasser von περὶ παθῶν c. 10 (VI 218 L.) das Zwerchfell und die Galle als Krankheitserreger, da nach seiner Theorie jede Entzündung [809] durch Galle hervorgerufen wird (Fuchs a. a. O. 1, 540). Durch die Entzündung des Zwerchfells wird das Herz in Mitleidenschaft gezogen. Daraus erklärte er die von dem Verfasser von περὶ παθῶν gleichfalls erwähnten Delirien (παρακοπαῖ), welche die Krankheit im Gefolge hat, da das Herz, wie erwähnt, Sitz des Denkens ist (M. Wellmann a. a. O. 18; frg. 38). Er verordnete Aderlass, den er nach 6 bezw. 7 oder 8 Tagen an der Armvene und an der Vena sublingualis vornehmen liess (vgl. Aret. cur. m. ac. I 1), doch beschränkt er ihn auf starke und vollblütige Constitutionen. Ferner empfahl er scharfe Klystiere und Bäder (frg. 39. 96). Die Lethargie beruht nach seiner Ansicht auf einer Erkältung des im Herzen und Gehirn befindlichen Pneuma, wodurch Gerinnung des Blutes hervorgerufen wird (frg. 44). Bei dieser Krankheit verbot er Bäder, dagegen empfahl er scharfe Getränke, Frottierungen und Niessmittel (frg. 45). Als Ursache der Epilepsie betrachtete er den Schleim, der in der Arterie Verstopfung hervorruft und dadurch die Perspiration des ψυχικὸν πνεῦμα verhindert (M. Wellmann a. a. O. 29; frg. 51; dieselbe Ansicht vertritt der Verfasser von περὶ φυσῶν c. 14. VI 112 L.; ähnliches Praxagoras, während der Verfasser von περὶ ἱερ. ν. den Sitz des Leidens in den Kopf verlegt). Unter den veranlassenden Momenten erwähnt er übermässigen Wein- und Fleischgenuss (frg. 52); ausserdem kennt er wie der Verfasser von περὶ ἱερ. ν. c. 12 den habituellen Charakter der Krankheit. Im ersteren Falle verordnet er Aderlass; im andern Falle legt er bei der Behandlung das Hauptgewicht auf Beseitigung der Krankheitsursache. Ausserdem empfiehlt er urintreibende Mittel, körperliche Bewegung, Aderlass, Pillen zum Abführen, Brechmittel, Essig, Niessmittel vor dem Schlafengehen u. s. w. (frg. 52. 83). Die Apoplexie hat ihren Sitz in der Aorta. Die Entstehungsursache sind kalte und dicke Schleimzuflüsse, welche die Perspiration des Pneuina in der Aorta verhindern (frg. 55). Unter Apoplexie versteht er die Lähmung des ganzen Körpers, unter Paralyse eine solche eines Körperteiles (frg. 56. Herm. XXXVI 151). Als Ursache des Kopfschmerzes betrachtete er die Verstopfung der Venen des Kopfes. Das Leiden wird gefährlich, wenn das Herz in Mitleidenschaft gezogen wird (frg. 59). Unter Brustfellentzündung (πλευρῖτις) verstand er wie die Pneumatiker (M. Wellmann Pneum. Schule 42) eine Entzündung der die Rippen bekleidenden Haut, welche durch Verstopfung der an den Rippenknorpeln hinlaufenden Venen hervorgerufen wird. Die charakteristischen Merkmale dieser Krankheit sind bis zum Schlüsselbein sich erstreckende Schmerzen, Husten und Auswurf. Stellt sich der Auswurf nicht an bestimmten Tagen ein, so führt die Entzündung zum Empyem (frg. 63. 64). Die Behandlung leitet er mit einem Aderlass ein; ausserdem verordnet er Abführmittel. Nahrung empfiehlt er jugendlichen Constitutionen erst am elften Tage zu reichen, deren Beschaffenheit sich nach der Jahreszeit richtet (frg. 65). Als Sitz der Lungenentzündung (περιπνευμονία) betrachtet er die Lungenvenen (frg. 66). Kindern verordnet er in dieser Krankheit Gerstenschleimsaft; älteren Constitutionen drastische Klystiere, Aderlass, Abführmittel, [810] Riechmittel u. s. w. (frg. 67). Er unterscheidet zwei Formen der Darmverschlingung, den εἰλεός und χορδαψός (frg. 73) und verlegte den Sitz des ersteren in den Dickdarm, den des letzteren in den Dünndarm (frg. 74. M. Wellmann a. a. O. 29ff.). Die Symptome des εἰλεός sind heftige Schmerzen, die ihren Sitz in den oberen Teilen der Gedärme haben, Aufstossen, Blähungen ohne Abgang von Kotmassen, der Unterleib erscheint nicht notwendig hart und behält ein Klystier bei sich. Beim χορδαψός sitzt der Schmerz im Dünndarm; im ersten Stadium stellt sich Erbrechen von Schleim ein; nimmt die Krankheit zu, so erbricht der Kranke Kot, der Darm behält kein Klystier bei sich, der Unterleib erscheint hart und aufgetrieben nach Art eines Geschwulstes, der Magen ist unbeweglich und fest (vgl. περὶ νούσων III c. 14. VII 134 L.). Die Krankheit entsteht durch Verstopfung der Eingeweide infolge von harten Kotmassen oder von schleimigen Säften oder infolge einer durch Verstopfung des Pneuma hervorgerufenen Entzündung (M. Wellmann Fragm. des Diokles 33; Die pneumatische Schule 39f., vgl. frg. 72); darin stimmte er mit der landläufigen Ansicht überein, ihm eigentümlich ist die Ansicht, dass dem Leiden Abcessbildungen im Darme zu Grunde liegen können (Gal. XVIII 1, 68. Fuchs 14, 547). In der Therapie dieses Leidens spielen Aderlass, Umschläge, Klystiere, warme Bäder, Bähungen und strenge Diät eine Rolle (frg. 75). Die μανία hat ihre Ursache in einer übermässigen Erhitzung und der dadurch herbeigeführten Kochung des im Herzen befindlichen Blutes. Das Fieber fehlt bei dieser Krankheit, weil keine Verstopfung der Blutgefässe eintritt (frg. 40). Seinem Grundsatze contraria contrariis entsprechend empfiehlt er kühlende Mittel (frg. 41, vgl. M. Wellmann a. a. O. 21). Die Melancholie wird durch die schwarze Galle hervorgerufen, die sich im Herzen festsetzt und Veränderungen des ψυχικὸν πνεῦμα herbeiführt (frg. 42, vgl. M. Wellmann a. a. O. 20). Eine besondere Art der Melancholie (ἡυποχονδριακόν, φυσῶδες, μελαγχολικὸν νόσημα) hat ihren Sitz im Unterleib (Gal. VIII 185ff. XVII 2, 29). Er hat die Symptome dieser Krankheit genau beschrieben und sieht die Entstehungsursache in der übermässigen Erhitzung und der dadurch herbeigeführten Verstopfung der Venen, welche die Nahrung dem Darm und dem Körper zuführen (Gal. a. a. O.). Von der Wassersucht kennt er wie Hippokrates (περὶ δ. ὁξ. νόθα c. 52, 172 K.) zwei Arten, den ὑποσαρκίδιος und ἀσκίτης (frg. 47). Der Askites wieder führt die Namen ἡπατῖτις oder σπληνῖτις, je nachdem die Krankheit in der Leber oder Milz ihren Sitz hat (vgl. περὶ τῶν ἐντὸς παθῶν c. 24. 25). Die Entstehungsursache sind kalte, d. h. schleimige Säfte, welche die in dem Organ befindliche Wärme abkühlen und Abkühlung der Venen herbeiführen. Dadurch wird die Verdauung der Nahrung gestört und die genossene Nahrung nicht in Blut, sondern in Wasser umgewandelt (frg. 46, vgl. M. Wellmann a. a. O. 25). In der Behandlung legte er das Hauptgewicht auf die Beseitigung der Wassemenge; daher empfahl er Spaziergänge, schweisserregende Mittel, Erbrechen, urintreibende Arzneien, trocknende und mässig wärmende Umschläge, Abführmittel. Ausserdem liess er Frottierungen [811] des Körpers vornehmen mit Ausnahme der unteren Extremitäten. Zur Nahrung reichte er in Essig aufgeweichtes Brot, eingepöckelte, gesottene und gebratene Fische, Rettig, Knoblauch, Dosten, Raute, Saturei, Weisswein ohne Zusatz von Wasser, und Wildbret (frg. 48). Die Gelbsucht entsteht nach seiner Ansicht, wenn infolge einer Entzündung der Gänge, die von der Leber zur Gallenblase führen, der Abfluss der Galle aus der Leber in den Darm ganz gehindert ist (M. Wellmann a. a. O. 23 fig. 53; Archigenes berührt sich wieder auffällig mit ihm, Aret. m. chr. I 15). Sie ist nur dann tödlich, wenn sie Fieber im Gefolge hat (Cels. III 24). Die Paralyse wird durch ein dickes und kaltes Phlegma hervorgerufen, das sich um die vom Herzen und der Aorta aus gehenden ἀποφύσεις festsetzt und dadurch die Bewegungsfähigkeit des Körpers beeinträchtigt (frg. 57). Er behandelte die Paralyse ebenso wie die Epilepsie (frg. 58). Die Entzündung der Leber hat ihren Grund in der Verstopfung der in ihr befindlichen Adern und Absperrung der eingepflanzten Wärme (frg. 68). Die Zäpfchenentzündung (σταφυλή) beschrieb er genauer (frg. 81). Unter der Synanche verstand er vermutlich der allgemeinen Ansicht folgend eine Entzündung der Mandeln, der Epiglottis und des Kehlkopfes (Fuchs 6, 543). Er verordnete Aderlass an beiden Armbeugen, bei Blutarmut des Kranken begnügte er sich mit Schröpfköpfen (frg. 61; vgl. περὶ νούσων II 26. 28). Ferner empfahl er Gurgelmittel, Einreibungen mit Stiergalle, Läusekraut, Natron, knidischem Korn, den Hals bähte er wie der Verfasser von περὶ νούσων mit Schwämmen und Wachspflastern, den Kranken liess er Pfeffer unter der Zunge halten und verordnete Abführmittel. Gegen den Starrkrampf (τέτανος), der durch Blutstauungen in der Arterie entsteht (Vind. c. 35), empfahl er urintreibende Mittel (frg. 60. 86) und Abführmittel. Er kannte wie der Verfasser von περὶ τῶν ἐντὸς παθῶν c. 52 (VII 298) das Auftreten des Tetanos nach Verwundungen und gab in diesem Falle Wassermet. Er verordnete Enthaltung von Speisen, zum Trinken süssen Wein, trockene und feuchte Bähungen, Einreibungen mit der Wachssalbe und Auflegen von Wolle auf die leidenden Teile (vgl. περὶ τῶν ἐντὸς παθῶν c. 52). Die ausserdem von ihm behandelten Krankheiten sind die Cholera (frg. 70), die Hämorrhagie (frg. 62), die Schwindsucht (frg. 50), die κοιλιακή) (frg. 71), die Ischias (frg. 77), die Arthritis (frg. 78), Dysenterie, Leienterie und Tenesmos (frg. 37. 76). Er unterschied drei Arten von Blasen, die sich auf der Haut ohne offenkundige ürsacbe bilden, den τέρμινθος, die σταφυλή und die ἐπινυκτίς (frg. 82).
In der Geschichte der Pharmacie gebührt ihm ein ehrenvoller Platz, weil er der erste gewesen ist, der in seinem ῥιζοτομικόν Pflanzen beschrieben und ihre Wirkungen auf den menschlichen Körper behandelt hat. Dies Wurzelbuch ist die letzte Quelle für alle folgenden Arbeiten auf diesem Gebiet bis auf Dioskurides. Insbesondere hat Theophrast in seiner Pflanzengeschichte dieses Werk reichlich ausgebeutet. Vgl. M. Wellmann Das älteste Kräuterbuch der Griechen, Festgabe für Fr. Susemihl 1ff. Auch in der Anatomie scheint er nicht unbedeutendes geleistet zu haben, [812] wie er denn nach unserer Überlieferung der erste Arzt ist, der eine ἀνατομή betitelte Schrift verfasst hat (vgl. M. Wellmann 96ff. frg. 23—29). Ich möchte glauben, dass Aristoteles auf seinen anatomischen Errungenschaften weiter gebaut hat. In der Chirurgie schloss er sich eng an die hippokratische Schule an: seine Schrift περὶ ἐπιδέσμων ist weiter nichts als eine attische Paraphrase der hippokratischen Schrift περὶ ἄνδρων. Von den unter dem Namen des Hippokrates umlaufenden Schriften sind ihm sicher folgende bekannt: προγνωστικόν, περὶ χυμῶν, ἐπιδημιῶν α, ἀφορισμοὶ (β, ε), περὶ φύσιος παιδίου, περὶ διαίτης, περὶ ἀρθρῶν, περὶ διαίτης ὀξέων I, II, περὶ ὀκταμήνων, περὶ τροφῆς (vgl. M. Wellmann a a. O. 51ff.). Daraus folgt, dass er ein Corpus hippokratischer Schriften gehabt hat. Vermutlich ist er der Schöpfer dieses Corpus, und möglicherweise ist es dasselbe, das später dem Aristoteles-Menon ) vorgelegen hat. Dem Titel nach sind uns folgende Schriften von dem Karystier bekannt: περὶ πυρὸς καὶ ἀέρος (Vind. c. 31), ἀνατομή (Gal. II 282), Ὑγιεινὰ πρὸς Πλείσταρχον (Athen. VII 316 c. II 68 d. e. Gal. VI 455) in mindestens 2 Büchern, deren Bruchstücke hauptsächlich bei Athenaios (aus Herakleides συμπόσιον stammend) und bei Galen περὶ τροφῆς δυνάμεως vorliegen (über Anlage, Inhalt und Tendenz des Werkes Genaueres bei Fredrich a. a. O. 174ff.); περὶ πέψεως (Fuchs a. a. O. 11, 547); περὶ πυρετῶν (Cael. Aur. a. m. I 12, 28); περὶ γυναικείων (Gal. XVII 1, 1006) in mindestens drei Büchern (Sor. II 17, 53 p. 348 R.); περὶ ἐπιδέσμων (Gal. XVIII 1, 519. Apoll. von Cit. ed. Schöne 13, 2. Orib. IV 289); περὶ τῶν κατ’ ἰητρεῖων (Gal. XVIII 2, 629. 666. Erot. 52, 16) προγνωστικόν (Cael. Aur. m. chr. II 8, 392), de egestionibus (Cael. Aur. a. a. O.); περθεραπειῶν in mindestens drei Büchern (Cael. Aur. a. m. III 8, 154); πάθος αἰτία θεραπεία (Gal. VIII 185ff.), ῥιζοτομικά (Schol. Nic. Ther. 647); περὶ λαχάνων (Gal. XVIII¹ 712); περὶ θανασίμων (Athen. XV 681 b); Ἀρχίδαμος (Gal. XI 471ff.), eine Schrift, in der er die Ansicht seines Vaters Archidamos über die Bedeutung des Öls beim Reiben und Salben des Körpers auseinandersetzt und teilweise bekämpft hat. Die von Athenaios XII 516 c erwähnten ὀψαρτυτικά sind, wie es scheint, ein Teil seiner Ὑγιεινά. Unecht ist der von Paulus von Aegina am Ende des zweiten Buches unter seinem Namen erhaltene Brief an den König Antigonos: Διοκλῆς ἐπιστολὴ προφυλακτική. Vgl. Fredrich 196. 222, 1.
Die Bruchstücke des D. sind gesammelt von C. G. Kühn Opusc. acad. II 86f. und vollständiger in der Berliner Dissertation von M. Fränkel Dioclis Carystii fragmenta quae supersunt, Berlin 1840. M. Wellmann Fragmentsammlung der gr. Ärzte I 117ff., vgl. Sprengel Versuch einer pr. Gesch. d. Arzneikunde I 463ff. Fuchs Rh. Mus. XLIX 540. Fredrich a. a. O.