RE:Dorieus 4

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Rhodier aus d. Geschlecht d. Eratiden
Band V,2 (1905) S. 1560 (IA)–1561 (IA)
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4) Rhodier, Sohn des Diagoras (s. d. Nr. 1), aus dem Geschlechte der Eratiden und einer berühmten Athletenfamilie (über diese Pind. Ol. VII. Paus. VI 7, 1ff. Aristot. frg. 569 R.², dazu Boeckh Pind. II 2, 165ff. H. Rückeshäuser a. u. a. O. 5ff. Purgold-Dittenberger Inschr. von Olympia zu nr. 151. H. van Gelder Gesch. der alten Rhodier 77ff. 435). Nach Pausanias gewann D. drei aufeinanderfolgende olympische Siege im Pankration, ausserdem acht isthmische, sieben nemeische und einen pythischen Sieg, letzteren ohne Kampf (ἀκονιτί); Pausanias Angabe wird durch eine in Olympia gefundene Inschrift (IGA 380) bestätigt, welche zuerst von Foucart (Bull. hell. XI 289ff.) überzeugend auf D. bezogen wurde, was Dittenberger-Purgold (Inschriften von Olympia nr. 153) in erneuerter Untersuchung bekräftigten. Da D. den zweiten olympischen Sieg Ol. 88 (428) errang (Thuc. III 8), so müssen die drei Siege in die Zeit Ol. 87–89 fallen (G. H. Förster Die olympischen Sieger I 19). Wie Dittenberger und Purgold in ansprechender Weise vermuten, sind die an den anderen Festplätzen gewonnenen Siege des D. früher anzusetzen, und bildete der dritte olympische Sieg den Abschluss seiner ganzen Laufbahn als Athlet; Pausanias Nachricht (VI 7, 4), dass D. als Thurier zum Sieger ausgerufen wurde, kann demnach nicht richtig sein (anders van Gelder a. O. 75. 80). D., welcher aus angesehenem Geschlechte stammte und wie seine Familienangehörigen durch seine Siege in ganz Griechenland weltberühmt geworden war, scheint sich von da ab den öffentlichen Angelegenheiten zugewandt zu haben und wurde Führer der Athen feindlichen Partei auf Rhodos. Es kam daselbst im vorletzten Jahrzehnt des 5. Jhdts. zu einer Bewegung, welche auf die Losreissung der Insel von Athen abzielte, bei welcher aber D. unterlag und samt seinen Verwandten von den Athenern kraft der ihnen über die Bundesgenossen zustehenden Gerichtshoheit (Busolt Griech. Gesch. III 1, 229) zum Tode verurteilt wurde (Xen. hell. I 5, 19, ungenau Paus. VI 7, 4). Er entzog sich der Ausführung des Urteils durch die Flucht und begab sich nach Thurioi, wo er das Bürgerrecht erlangte (Paus. ebd. Xen. hell. I 5, 19). Da in Thurioi die Feinde Athens 412 die Oberhand gewannen (Ps.-Plut. vit. X orat. 835 D. E), und D., wie das Folgende lehrt, sogleich nach diesem Umschwung sich dorthin begab, so wird auch der Versuch eines Umsturzes auf Rhodos nicht viel früher anzusetzen sein (Dittenberger-Purgold a. a. O.). D. erlangte in seiner neuen Heimat sogleich eine bedeutende Stellung, und es ist sicherlich seinem Einfluss zuzuschreiben, dass noch im Winter 412/1 die Thurier den Spartanern nach Kleinasien eine Flottenabteilung von zehn Schiffen zu Hülfe sandten, mit deren Befehl D. selbst betraut ward (Thuc. VIII 35, 1). Zunächst hatte er die Aufgabe, das von den Athenern bedrohte Knidos zu schützen; doch wurde die Hälfte seiner Escadre von dem Feinde abgefangen (Thuc. VIII 35, 2ff.). [1561] Bei dem bald darauf folgenden Übertritt von Rhodos zu den Spartanern (Thuc. VIII 44) hat D., obwohl er nicht ausdrücklich genannt wird, sicherlich seine Hand im Spiele gehabt. Im Sommer 411 befand er sich bei der peloponnesischen Flotte vor Milet und geriet dort mit dem spartanischen Admiral Astyochos wegen dessen säumiger Soldzahlung in Conflict (Thuc. VIII 84, 2). Mindaros, Astyochos Nachfolger, sandte D. mit dreizehn Schiffen nach Rhodos, um dessen drohenden Abfall zu verhüten (Diod. XIII 38); nachdem er mit Erfolg eingeschritten war, fuhr er nach dem Hellespont, um sich mit Mindaros zu vereinigen, wurde aber auf der Höhe von Sigeion von den Athenern erspäht, welche auf ihn Jagd machten; aus dem zwischen beiden entstehenden Kampf entwickelte sich die Schlacht von Abydos (Xen. hell. I 1, 2ff. Diod. XIII 45, Herbst 411). D. blieb auch die folgenden Jahre hindurch bei der peloponnesischen Flotte und wurde bald nach dem Treffen von Notion (407) samt zwei thurischen Schiffen von den Athenern gefangen (Xen. hell. I 5, 19), von deren Befehlshaber aber ohne Lösegeld freigelassen; Pausanias Erzählung (VI 7, 4. 5), er sei nach Athen geführt und vor die Ekklesie zur Aburteilung gestellt worden, welche ihn freisprach (angenommen von Freeman Hist. of Sicily III 435), ist eine spätere Erweiterung von Xenophons einfachem Bericht. Ob, wie Xenophon und Diodor wollen, es nur Mitleid mit dem angesehenen Manne war, welches seine milde Behandlung bewirkte, kann füglich bezweifelt werden; vielleicht gab er formelle Garantien dafür, dass er keine thätige Rolle mehr gegen Athen spielen würde, wenigstens verschwindet der bisher rastlos thätige Mann von jetzt ab von dem Schauplatz. Aller Wahrscheinlichkeit nach nahm er seinen Sitz auf der Heimatinsel Rhodos. Sein Ende fällt in viel spätere Zeit; Androtion (frg. 49 M.) berichtet, D. sei bei einem Aufenthalt in der Peloponnes, da Rhodos während seiner Abwesenheit von Konon dazu gebracht wurde, sich von den Spartanern loszusagen (395, vgl. Judeich Kleinasiatische Studien 64. van Gelder a. O. 85), von den letzteren festgenommen und hingerichtet worden. Die näheren Umstände seines Todes bleiben unklar. Über D. vgl. noch Aristot. Rhet. 1357 a, 18ff. und Ps.-Simonid. frg. 187 B.

Litteratur: Zu den oben genannten Schriften kommt noch H. Rückeshäuser Die Eratiden auf Rhodos (17. Jahresbericht der landwirtschaftlich. Lehranstalt Francisco-Josephinum in Mödling 1886) und van Gelder a. O. 86ff.