RE:Farrago

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Grünfutter für Zugtiere aus Gerste, Wicke und andern Hülsenpflanzen
Band VI,2 (1909) S. 19992000
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Farrago, wofür sich im Mittelalter auch die wohl nur korrumpierte Form ferrago findet (Corp. gloss. lat. III 200, 6. IV 342, 20; vgl. Veget. mulom. II 28, 26), bezeichnete eine Art (Weide- oder) Grünfutter für Zugtiere, die bald nur aus einem Halmgetreide, bald aus einem Gemenge des letzteren mit Hülsenpflanzen bestand. Den Namen wollte Varro (r. r. I 31, 4) teils davon herleiten, daß das aus Gerste, Wicke und andern Hülsenpflanzen bestehende und zwischen dem 9. Mai und der Sommerwende gewonnene Grünfutter mit einem Eisen, ferrum, geschnitten werde, teils wohl richtiger davon, daß diese F. ursprünglich aus Spelt, far, bestanden habe. Dem Vergil (Georg. III 205) ist F. ein sehr kräftiges Pferdefutter, welches die Pferde leicht übermütig mache und welches sie erst im vierten Frühlinge ihres Lebens, nach der Zähmung, erhalten dürften. Man braucht auch hier wohl kaum an Körnerfutter deshalb, weil dieses eine kräftigere Nahrung abgibt, zu denken, da in ähnlichen Vorschriften Grünfutter gemeint ist. So sollte nach der Zähmung einem dreijährigen Pferde F. zur Reinigung (Varro r. r. II 7, 13; vgl. Geop. XVI 1, 11) und jedem Pferde zur Erhaltung der Gesundheit im Sommer wiederholt F., d. h. Bündel grüner Gerste, gegeben werden (Veget. mulom. II 28, 26). Von Festus (ep. p. 91, 14) wird F. als Mengefutter für Zugtiere erklärt. Nach Plinius ist sie eine zum Futter der Vierfüßler dienende Weizenart (XVIII 50), wird dazu Ausschußspelt, dem mitunter Wicke beigemischt ist, sehr dicht gesät, nur in Afrika Gerste (ebd. 142), und die F. bei der Saat nur durch Eggen untergebracht (ebd. 140). Columella empfiehlt die F. aus Gerste als ein gutes Futter für das Vieh (II 7, 2. 10, 24), speziell (als Grünfutter) für Rinder während der Monate November bis März (XI 2, 99ff.); man solle sie auf einem ungebrachten, aber schon vorher einmal gepflügten Acker mit dem Pfluge unterbringen; am zweckmäßigsten nehme man dazu sechszeilgc Gerste, indem man davon zehn Modien (sonst nach II 9, 14 nur fünf), d. h. 87,3 l, auf das iugerum um das Herbstäquinoktium aussäe; im Winter schneide man sie am besten und verfüttere sie an Rinder und anderes Vieh, sie könne aber auch bis in den Mai abgeweidet werden; doch müsse, wenn man auch Körner davon haben wolle, das Vieh schon vom 1. März an ferngehalten werden (II 10, 31f.; ebenso Pall. X 8). Wiederum Vegetius erklärt zwar auch einmal F. als Grünfutter aus Gerste (mulom. II 28, 26), gibt aber einem im Frühjahr zur Ader gelassenen Pferde dieses nur, wenn keine F. aus Weizen vorhanden sei (ebd. I 22, 7; vgl. Nemesian. cyn. 283). Doch Isidoros (orig. XVII 3, 14) leitet zwar F. von far ab, versteht aber darunter noch grünes Gerstengras, dessen Körner sich noch nicht entwickelt [2000] hätten. Das Verfahren, welches Columella schildert, war nach L. Granata (Economia rustica II, Napoli 1830, 181) noch unlängst in den Gebirgsgegenden Süditaliens gebräuchlich und wurde dort dieses Gerstenfutter farragine genannt. Heute wird vielfach statt dessen ein Mengefutter unter dem Namen ferrana gebraucht. Dieser ist wie farragine aus F. hervorgegangen (G. Körting Lat.-roman. Wörterb. 1891, 316).

Während die Römer außer der F. noch verschiedene Leguminosen (s. Legumina) und den Hafer (Col. II 10, 32), auch das Laub von Bäumen zu Grünfutter benutzten, scheint bei den Griechen das Gerstenfutter, γράστις, das fast allein gebräuchliche Grünfutter gewesen zu sein. Zwar wird einmal F. mit χιλή (= χιλός) geglichen (Corp. gloss, lat. III 261. 35), doch bezeichnet χιλός wie lat. pabulum jedes Viehfutter. Gewöhnlich wird denn auch F. als gleichbedeutend mit γράστις (ebd. II 70, 35. 265, 6. III 261, 35. V 160) und als grünes Heu (ebd. II 265, 6) erklärt. Statt γράστις sagten die Attiker (nach Aelius Dionysius bei Eustath. Il. 1220, 46. Moiris s. κράτις. Hesych.) oder die älteren Schriftsteller (nach Eustath. Il. 633, 47; vgl. Suid.) κράσης, daher so Aristophanes und Deinarchos (bei Harpokration s. κράστις) sowie Aristoteles (hist. an. VIII 66). Das Wort γράστις ist von γράω = nage gebildet (Eustath. ebd. u. 852, 9. W. Prellwitz Etymol. Wörterb. d. griech. Spr. 1892, 63). Erklärt wird γράστις (Eustath. Il. 633, 47, vgl. 1220, 44) oder κράστις (Etym. M. 535, 23. Bekk. anecd. 273, 28) auch als ein aus halbtrockenem Heu bestehendes Tierfutter, jenes auch als ungetrocknete Gerste (Phrynichos bei Bekk. ebd. 87, 7). In erster Reihe auf Gerste, vielleicht aber auch auf Spelt oder Weizen sind die Worte des Aristoteles zu beziehen (hist. an. VIII 66), daß die κράστις, solange sie noch nicht geschoßt habe, die Haare der Pferde und Esel glatt mache, aber diesen unzuträglich sei, wenn sie harte Grannen habe. Als Grünfutter für die Pferde wurde später die γράστις von Weizen der von Gerste vorgezogen (hippiatr. p. 235). Heute dient die Gerste, deren Körner zugleich an Stelle des bei uns gebräuchlichen Hafers das gewöhnliche Pferdefutter sind, mit kaum entwickelten Ähren im April als Grünfutter unter dem Namen γρασίδι, und, in diesem Zustande getrocknet, ersetzt sie, σανό genannt, das Heu der nördlichen Länder (Th. v. Heldreich Die Nutzpflanzen Griechenlands 1862, 4; vgl. A. Philippson Der Peloponnes 1891/2, 540).

[Olck.]