RE:Faustulus

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Nährvater der Zwillinge Romulus und Remus
Band VI,2 (1909) S. 20902091
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Faustulus (Faustus Serv. Aen. I 273 = Ps.-Acr. zu Hor. sat. I 2, 126), in der Romuluslegende Nährvater der göttlichen Zwillinge Romulus und Remus (quis Faustulum nescit pastorem fuisse nutricium, qui Romulum et Remum educavit Varro de r. r. II 1, 9). Nach der Version (A) der Romulussage bei den älteren Annalisten (s. Mommsen Röm. Forsch. II 9f.) ist er ein angesehener Mann, Oberaufseher der Schweineherden des Königs Amulius von Alba, auf dem Palatin ansässig; als die Hirten die Zwillinge unter der Wölfin aufgefunden haben, kommt er gerade aus Alba zurück, wo er von der Niederkunft der Ilia und dem Befehl zur Aussetzung der Zwillinge gehört hat; er läßt sich die Zwillinge geben und überbringt sie seiner Frau, die eben ein totes Kind geboren hat (Dion. Hal. I 79, 9f., vgl. Plut. Rom. 6). Später klärt er Romulus über seine Herkunft auf (Dion. Hal. I 80, 3f., vgl. Liv. I 5, 5f. [Aurel. Vict.] origo 21, 4) und macht sich, die Wanne, in der die Zwillinge ausgesetzt worden waren, als Beweisstück mit sich führend, selbst nach der Stadt auf, wo er aber von den Wächtern des Amulius gefangen und vor den König geführt wird (Dion. Hal. I 82, 3–83, 2, vgl. Plut. Rom. 8). Die jüngere Annalistik (B), in erster Linie Licinius Macer (Mommsen a. a. O. 14), die alles Wunderbare aus der Erzählung zu beseitigen bestrebt war, ließ Numitor selbst die Zwillinge zu ihrer Rettung dem F., der hier Arkader und Nachkomme der Gefährten des Euander heißt, übergeben, der sie auf Bitten seines Bruders Faustinus, der die Oberaufsicht über die Herden des Numitor am Aventin führt, aufnimmt; ihre Amme wird seine Frau (Acca) Larentia, die von ihrer Vergangenheit als Lohndirne den Spitznamen lupa führt (Dion. Hal. I 84, 3f. Plut. Rom. 4. 6. [Aur. Vict.] origo 19, 7). Dieser Version gehört auch die Erzählung an, daß beim Streite des Romulus und Remus F. vermitteln will und erschlagen wird, sei es allein (Dion. Hal. I 87, 2. [Aur. Vict.] origo 23, 5, der als Gewährsmann ausdrücklich Licinius Macer nennt), sei es zusammen mit seinem Bruder (Plut. Rom. 10, wo für Πλειστῖνος zu schreiben ist Φαυστῖνος). Nach einigen Gewährsmännern des Dionys a. a. O. sollte der steinerne Löwe, ὃς ἔκειτο τῆς ἀγορᾶς τῆς τῶν Ῥωμαίων ἐν τῷ κρατίστῳ χωρίῳ παρὰ τοῖς ἐμβόλοις, das Grabdenkmal des F. darstellen; desselben Monuments gedenkt auch Festus p. 177 a 32 (nach der Ergänzung von D. Detlefsen Annali d. Inst. 1860, 137; de arte Roman. antiquissima III 2): niger lapis in comitio locum funestum significat, ut ali, Romuli morti destinatum, sed non usu obv[enisse, [2091] ut ibi sepeliretur, sed Fau]stulum nutri[cium eius, ut ali dicunt, Hos]tilium avum Tu[lli Hostilii Romanorum regis] usw.; beide Stellen haben neuerdings besondere Bedeutung gewonnen für die Erklärung des im J. 1809 freigelegten Denkmälerkomplexes am sog. Niger lapis, vgl. zur Orientierung Chr. Hülsen Röm. Mitteil. XVII 1902, 22ff. XX 1905, 29ff.: Das Forum Romanum² (1905) 96ff. 229. In einer dritten Form der Erzählung (C) wird F. selbst sei es von Amulius (Plut. Rom. 3. [Aur. Vict.] origo 21, 1 unter Berufung auf Valerius [Antias]), sei es von dessen Tochter (Cass. Dio frg. 3, 12 Melb.) mit der Ertränkung der Zwillinge beauftragt, übergibt sie aber (auf Bitten des Numitor, [Aur. Vict.] a. a. O.) seiner Frau Acca Larentia (deren Name aus Version B übernommen ist) zum Aufziehen. Die geläufigste Tradition hat die Versionen A und B in der Weise verschmolzen, daß sie F. selbst die Zwillinge unter der Wölfin finden und zusammen mit seiner Frau Acca Larentia (s. d. Art. Bd. I S. 131ff.) sie aufziehen läßt (Liv. I 4, 6f. Ovid. fast. III 56. IV 854. V 453. Paul. p. 119. Iustin. XLIII 2, 6. Flor. I 1, 3. Aur. Vict. v. ill. 1, 3; origo 20, 3f. Macrob. Sat. I 10, 17. Serv. Aen. I 273 = Ps.-Acr. zu Hor. sat, I 2, 126. August. c. d. XVIII 21 u. a. m.). F. neben der Wölfin mit den Zwillingen und dem ruminalischen Feigenbaum ist dargestellt auf dem Revers der gegen Ende des 2. Jhdts. v. Chr. geprägten Denare des SEX•PO(mpeius) FOSTLVS (Babelon Monn. de la républ. Rom. II 336f.). Das auf dem Palatin am oberen Ende der scalae Caci gelegene tugurium Faustuli (Solin. 1, 18, vgl. Conon 48) ist mit der palatinischen casa Romuli identisch, s. Bd. III S. 1633f. und Hülsen-Jordan Rom. Topogr. I 3, 39. Der Name des F., gebildet wie Romulus, Caeculus, Proculus u. a. (Mommsen Histor. Schrift. I 8), hat mit dem Gotte Faunus, mit dem man ihn gern zusammenbringt, direkt nichts zu tun, und nichts weist darauf hin, daß F. nur eine Verkleidung dieses Gottes sei, wie Preller (Röm. Myth. II³ 28) u. a. annehmen. Über die weiteren Zusammenhänge der Sage und die Denkmäler, auf denen F. erscheint, s. Art. Romulus.