RE:Gelasius 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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von Kyzikos, Kirchenhistoriker um 475 n. Chr.
Band VII,1 (1910) S. 965966
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2) Gelasius von Kyzikos um 475. Im J. 1599 gab der Schotte Balfour (Balforeus) zu Paris griechisch und lateinisch heraus: Γελασίου τοῦ Κυζικηνοῦ σύνταγμα τῶν κατὰ τὴν ἐν Νικαίᾳ ἁγίαν σύνοδον πραχθέντων, aufgenommen in Mansi Coll. Cone. II 753ff. und in Migne Patr. gr. 85, 1179–1360. Die Sammlung war von mehreren Byzantinern benützt worden, genaueren Bericht darüber hat Photius uns erstattet. Bibl. c. 15 nennt er ein πρακτικόν der ersten (nicänischen) Synode in drei τόμοι, mit dem Autornamen G., das allerdings besser ἱστρικόν zu nennen wäre. c. 88 beschreibt er ein anderes Exemplar des gleichen in drei τόμοι geteilten Buchs ὡς ἐν ἱστορίας τύπῳ τὰ κατὰ τὴν ἐν Νίκαιᾳ σύνοδον πραχθέντα, aber in diesem fehlte jede Bezeichnung des Autors. Wieder in einem anderen Exemplar war das Werk dem Bischof G. von Caesarea Palaestinae zugeschrieben, und zwar als ἱστορίας ἐκκλησιαστικῆς λόγοι γ'. Da Photius das Initium zitiert, so besteht über die Identität mit dem von Balfour edierten kein Zweifel, ebensowenig aber nach den Inhaltsangaben des Photius über die Unvollständigkeit jener Editio princeps. Sie enthält nur die zwei ersten Bücher in der Hauptsache. Inzwischen sind denn auch [966] von dem dritten Buch ansehnliche Bruchstücke publiziert worden (s. Ceriani Monumenta sacra et profana I 129ff., 1861). Um die Tradition seines dritten Manuskripts zu retten, schlägt Photius vor, drei oder mindestens zwei Bischöfe des Namens G. in Caesarea Palaestinae anzunehmen, da er wohl gesehen hat, daß der Autor dieses dreibändigen Werkes unter Basiliscus d. h. im J. 475/76 geschrieben hat, somit nicht der bekannte Bischof G. um 390 sein kann. In seinem Buche geriert er sich selber gar nicht als Bischof, nicht einmal als Kleriker: er sei ein Bithynier, Sohn eines Presbyters aus Kyzikos. Weil nun ein mit der Synode in Nicaea sich beschäftigendes Geschichtswerk unter dem berühmteren Namen des Cäsareensers G. (s. d.) umlief, lag die Übertragung seiner Überschrift oder eines Teils derselben auf unser vielleicht anonym erschienenes oder durch Zufall namenlos gewordenes Sammelwerk nahe, und wir haben nicht einmal Grund, die Möglichkeit zu erwägen, ob nach 475 der Kyzikener G. auch auf die Cathedra von Caesarea erhoben worden sei. Dürfte es doch schon bezweifelt werden, ob er überhaupt G. hieß; da Photius ein Exemplar mit bloßem Γελασίου kennt, werden wir dem sonst Unbekannten wohl den Namen G. belassen, zumal die Verwechslung mit dem palästinischen Namensvetter in diesem Falle am leichtesten von statten ging. Das Syntagma ist eine schriftstellerisch erbärmliche Leistung. Ungeschickt sind Auszüge aus den Kirchengeschichten Eusebs, Rufins, des Sokrates und des Theodoret aneinandergeschoben, Verständnis und Urteil fehlen dem Verfasser ebenso wie der Geschmack, und darum ist denn auch seine Arbeit wenig beachtet, fast nur mit Verachtung genannt worden; seine Angabe, er habe wichtige Aktenstücke aus einem alten Buch entnommen, das Bischof Dalmatius von Kyzikos einst seinem, des Verfassers, Vater geschenkt habe, hielt man für Schwindel. Aber O. Seeck fand, daß G. nicht bloß aus uns noch zugänglichen Quellen geschöpft habe, und G. Loeschcke (D. Syntagma des Gelasius Cyzicenus. Bonn 1906) hat diese Quellen näher zu bestimmen versucht und die Glaubwürdigkeit fast für alles, was nicht redaktionelle Zutat des G. ist, in Anspruch genommen. Bei einer Reihe wichtiger Urkunden, z. B. Reden und Briefen des Constantin, ist ihm der Beweis gelungen; aber ein so kritikloser Schreiber wie G. rückt die törichtesten Fabeleien neben unersetzliche Dokumente: auch in dem uns sonst nicht mehr bekannten Teil der von ihm benützten Quellen kann sehr Gutes neben ganz Schlechtem gestanden haben wie bei G. (s. Theol. Lit.-Ztg. 1906, 654ff.). Hoffentlich verschafft uns Loeschcke bald einen vollständigen und kritisch-zuverlässigen Text jenes Werks, dessen Titel nicht einmal feststeht, und das sich teils als eine Spezialgeschichte der nicänischen Synode gibt, teils als eine Geschichte der Kirche unter der Regierung Constantins. Dann erst wird die kritische Verwendung der Überlieferungen des Kyzikeners mit sicherem Erfolg auszuführen sein.