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RE:Lenocinium

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kuppelei, auch als öffentliches Gewerbe
Band XII,2 (1925) S. 19421943
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Lenocinium. 1. Als öffentliches Gewerbe (πορνοβοσκεία, πορνοβοσκόρ). Schon frühzeitig gab es in Rom Häuser, die teils ausschließlich Freudenhäuser oder Bordelle waren (lupanaria), teils nebenbei diesen Zweck verfolgten, z. B. tabernae cauponiae und balnea. Deren Besitzer (lenones) waren wegen ihres unsittlichen Gewerbes sowohl durch die öffentliche Meinung als durch das prätorische Edikt mit infamia belegt, s. Pauly R.E. IV 150. 151. Dig. XXIII 2, 43. Suet. Tib. 35. Diese Häuser waren von jeher meist in der Subura gelegen, Liv. III 13. Mart. VI 66. Pers. Sat. V 32, und durften nicht vor der 9. Stunde geöffnet werden. Ein Verbot, solche Häuser zu besuchen, bestand lange Zeit ebensowenig (s. Pauly R.E. IV 1866 und VI 1465. Meretrix und Stuprum) als Strafbestimmungen gegen die lenones. Diese unterlagen nur einer besonderen Steuer, die unter den ersten Kaisern aufgelegt wurde und sich auch später erhielt, Suet. Cal. 40. Hist. aug. Alex. Sev. 24. Tertull. de fuga 13. Die Frauenzimmer, die der leno oder die lena im Hause hielt, waren entweder gekaufte Sklavinnen (Quint. V 10, 47. Cod. Theod. XV 8, 1) oder Freigelassene und Angehörige der niederen Stände, die der Unternehmer zu dem unsittlichen Zweck in den Dienst genommen oder deren Benützung er von den Eltern erkauft hatte (ministra cauponae), Quint. VII 1, 55. Cod. Theod. IX 7, 1. Wollte ein solches Mädchen das unzüchtige Haus verlassen, so mußte sie losgekauft werden, Hist. aug. Hel. 25 und 31. Den Verkauf von Sklavinnen zu unzüchtigen Zwecken an Kuppler hatte schon Kaiser Hadrian verboten, Hist. aug. Hadr. 18; das Verbot wurde von Theodosios II. und Leo wiederholt, Cod. I 4, 12 und 14; XI 41, 6 und 7. Die christlichen Kaiser Theodosius und Valentinianus I. bedrohten die Väter, die ihre Töchter, und die Eigentümer, die ihre Sklavinnen der Unzucht preisgaben, mit der Strafe der Bergwerksarbeit und der Relegation; sie verboten das Gewerbe der lenones überhaupt, Cod. XI 40, 6 und 7. Cod. Theod. XV 8, 2. Durch Iustinians Nov. 14 wurden Hausbesitzer, die das unzüchtige Gewerbe duldeten, mit Geldstrafe, und Kuppler, die Mädchen mit List oder Gewalt ihrem Gewerbe dienstbar machten, mit den härtesten Strafen bedroht, s. Pauly R.E. IV 1866 und VI 1465. Vgl. o. Bd. VIII S. 1340.

2. L. (Kuppelei) ist die vorsätzliche Beförderung oder Duldung des Ehebruchs oder der Unzucht [1943] unter anderen Personen. Solange der Ehebruch nicht mit öffentlicher Strafe bedroht war, blieb auch die Beihilfe straflos. Erst die Lex Julia de adult. bedrohte die Beihilfe zum Ehebruch (adulterium) und zur Unzucht (stuprum) als Verbrechen und zählte die als L. anzusehenden Handlungen auf; die Kaiser, zuletzt Iustinian, verschärften die Strafdrohungen. Dig. XLVIII 5, 2, 2. Nov. CXXXIV 10. Die Strafen waren die gleichen wie für Ehebruch und Unzucht; im Verfahren extra ordinem konnte der Richter willkürliche Strafen verhängen. Des L. machte sich schuldig:

a) Der Ehemann, der aus dem Ehebruch seiner Frau Gewinn zog, sei es, daß er die Frau vorsätzlich gegen Entgelt verkuppelte, sei es, daß er den Ehebruch seiner Frau gegen Entgelt duldete, Dig. XLVIII 5, 2, 2. 29, 3 und 4.

b) Der Ehemann, der die im eigenen Hause auf dem Ehebruch ertappte Frau behielt oder wiederaufnahm und wenn er den Ehebrecher entkommen ließ, ohne daß er sich entschuldigen konnte. Dig. XLVIII 5, 2, 2 und 6. 30 pr. 34, 1. Paull. II 26, 8. Suet. Tib. 35, 3.

c) Der Ehemann, der mit dem Ehebrecher über die Kriminalklage wegen Ehebruchs einen Vergleich abschloß, Dig. XLVIII 5, 12 pr. Cod. IX 9, 10.

d) Wer eine wegen Ehebruchs verurteilte Frau heiratete, Dig. XLVIII 5, 30, 1. Mart. VI 22.

e) Wer den Ehebrechern behilflich war, den nachteiligen Folgen der Lex Iulia zu entgehen, indem er sich z. B. für sein Schweigen bezahlen ließ, Dig. XLVIII 5, 15 pr. 30, 2. Quint. decl. 275. Auson. epigr. 90.

f) Wer für sein Mitwissen um den außerehelichen Beischlaf irgend ein Entgelt annahm, Dig. XLVIII 5, 30, 2. Cod. IX 9, 10.

g) wurde quasi adulter bestraft, wer sein Haus für Zwecke des Ehebruchs, der sonstigen Vollziehung des außerehelichen Beischlafes oder der Päderastie hergab, Dig. XLVIII 5, 9. 10, 1. — Literatur : Mommsen Röm. Strafrecht (1892) 699ff. Rein Das Kriminalrecht d. Römer (1844) 880ff.