RE:Liberius 3
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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röm. Papst 352-366 n. Chr. | |||
Band XIII,1 (1926) S. 98–101 | |||
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3) L., römischer Papst (17. Mai 352 - 24. September 366), spielt eine bedeutende Rolle in der Kirchengeschichte des 4. Jhdts. Erhalten sind von ihm eine Anzahl Briefe, die in Coustants Epist. Rom. pont. 1721 (p. 421. 468 und App. p. 88-102) vereinigt sind (Nachdruck Migne P. L. VIII 1349-1410): die meisten entstammen dem Opus historicum des Hilarius (s. o. Bd. VIII S. 1603, jetzt herausgegeben von A. Feder im Wiener Corpus Vol. LXV 1916), nämlich nr. 4 (p. 89 Feder). App. p. 95 (p. 155 F.) nr. 13 (p. 156). 7 (p. 164). 2 (p. 166), 1 (p. 167), 10 (p. 168), 11 (p. 170), 12 (p. 172). Drei andere sind zuerst von Baronius in seinen Annales publiziert, ep. 3 (ad annum 353 n. 20), 5 (a. 354 n. 6) und 6 (a. 354 n. 8), und zwar aus der Bibliothek von Vercelli. Ein Brief (ep. 15) ist griechisch bei Socr. hist. eccl. IV 12, 21-37 erhalten. L. war Römer von Geburt, sein Vater [99] hieß Augustus (Lib. pont. 37, 1). Als er die Cathedra Petri bestieg, tobte der Kampf des mit der athanasianischen Orthodoxie verbündeten Abendlandes gegen das Morgenland in voller Stärke, und Kaiser Constantius war, nachdem ihn der Tod des Magnentius (353) zum unbestrittenen Alleinherrscher gemacht hatte, fest entschlossen, durch Anwendung aller Druckmittel die Einigung beider Parteien auf einer mittleren Linie zu erzwingen. L. versuchte dem zu begegnen, indem er eine Gesandtschaft an Constantius nach Arles schickte und die Einberufung eines Konzils nach Aquileia vorschlug: aber der Kaiser ließ sich darauf nicht ein, sondern zwang die Legaten, Vincentius von Capua und einen anderen kampanischen Bischof Marcellus, in Arles auf einer ad hoc berufenen Synode der Exkommunikation des Athanasius zuzustimmen, worüber L. sich sehr entrüstet äußert (ep. 1-4. Hilarius ad Const. lib. I 8 p. 187 F.). Aufs neue versuchte L. den Kaiser zu einer Synode zu bewegen: er schickte den Lucifer von Calaris, der sich selbst dazu erboten hatte (ep. 3, 1), mit einem ausführlichen Sehreiben (ep. 4) zu Constantius und bat auch den Eusebius von Vercelli, sich dieser Gesandtschaft anzuschließen (ep. 5), was dieser auch tat (vgl. ep. 6). Es kam nun wirklich zu einer großen Synode in Mailand 355 (Labbé Concil. II 771ff. (Baluze Nova Coll. p. 29ff. (Mansi III 233ff., vgl. (Hefele Conciliengesch.² I 652ff.), aber ihr Ergebnis entsprach den Wünschen des Kaisers: es kam zu einer Zwangsunion. Die wenigen standhaften Häupter der Opposition, Eusebius, Lucifer, Dionysius von Mailand, wurden verbannt (ep. 7. Athanas. hist. Arian. ad monach. 33). Aber alle Versuche, auch L. zu gewinnen, schlugen fehl (Athan. hist. Ar. 34-38), selbst als er gewaltsam nach Mailand geholt und dem Kaiser vorgeführt wurde, blieb er standhaft (Athanas. hist. Ar. 39. Theodoret hist. eccl. II 16. Ammian. Marc. XV 7, 6-10), und wurde schließlich abgesetzt und nach Beroea verbannt. Das gleiche Schicksal erlitt der greise Hosius von Corduba und selbstverständlich auch Athanasius. Obwohl der Kaiser als römischen Bischof nun den bisherigen Archidiakon Felix weihen ließ, wurden die Versuche, L. als den eigentlichen Träger der abendländischen Autorität zu gewinnen, unermüdlich fortgesetzt. Und sie führten endlich zum Erfolg: ὁ δὲ Λιβέριος ἐξορισθεὶς ὕστερον μετὰ διετῆ χρόνον ὤκλασε καὶ φοβηθεὶς τὸν ἀπειλούμενον θάνατον ὑπέγραψεν schreibt Athanas. hist. Ar. 41. Das von Athanasius vermutete Motiv braucht dabei nicht so sehr in Anschlag gebracht zu werden: es genügt die Annahme, daß L. im Orient Verständnis für die theologischen Bedenken der Morgenländer bekommen hat und deshalb zu einer Vermittlungsaktion geneigt wurde. In vier Briefen (App. p. 95 studens paci, n. 11. 12. 13, alle bei Hilarius opus hist. p. 155. 168. 170. 172 F.) gibt sich dieser Umschwung der Gesinnung des L. kund. Er rückt jetzt energisch von Athanasius ab, akzeptiert die (erste ?) sirmische Formel (ep. 10. 2) und bittet, ihm die Rückkehr nach Rom zu ermöglichen. Der heftige Streit um die Echtheit dieser Schreiben dürfte sich wohl in positivem Sinn entscheiden, denn die Überlieferung ist die [100] denkbar beste, und die inneren Schwierigkeiten sind nicht unüberwindlich (vgl. jetzt Feder Hilariusstudien I 153ff. = S.-Ber. Akad. Wien phil.-hist. Cl. CLXII 1909 nr. IV und ders. in Theol. Revue 1910, 105ff.).
Im Sommer 358 kehrte L. nach Rom zurück: er sollte nach dem Wunsch des Kaisers gemeinsam mit Felix die römische Kirche leiten, aber die erregte Stimmung zwang den Gegenbischof, Rom zu verlassen (Sozom. hist. eccl. IV 15, 4-5. Theodoret. hist. eccl. II 17, 3—7). Nach dem Tode des Constantius (361) sehen wir L. wieder eine gemäßigte nicänische Politik treiben: er verbindet die Ablehnung der Vermittlungsformel von Ariminum mit der Forderung nachsichtiger Behandlung ihrer Unterzeichner, wofern sie nur jetzt das Nicaenum bekennen. Das wird sowohl den Italienern (ep. 13) wie den Orientalen gegenüber (ep. 15) betont. Diese Briefe sind die letzte uns bekannte kirchenpolitische Kundgebung des Papstes; am 24. Sept. 366 ist er gestorben (Libellus precum 4 = Epist. imperat. pontif. ed. Guenther I p. 2, vgl. Lib. pont. ed. Duchesne I p. 210 n. 20). Erhalten ist ferner von ihm eine Predigt, die er bei der Nonnenweihe der Marcellina, der Schwester des hl. Ambrosius, hielt, in dessen Werk de virginibus (III 1-3); H. Usener hat sie zur Bestimmung der Chronologie des Weihnachtsfestes verwertet (Das Weihnachtsfest² 272ff. Dazu vgl. jetzt Th. Michels im Jahrb. f. Liturgiewiss. 1923, 105ff.). Denn daß L. für die Ausbildung der stadtrömischen Liturgie von Bedeutung gewesen ist, zeigt auch die Gründung der Marienkirche (S. Maria Maggiore), die im Altertum Basilica Liberii heißt (Lib. pont. 37, 8, ed Duchesne I p. 209 n. 18) und Stationskirche für die Weihnachtsmesse ist. Usener hat (Weihnachtsfest² 301-328) es ferner wahrscheinlich gemacht, daß demselben Papst die Einführung der Litaniae maiores am 25. April anstelle der alten Robigalia zuzuschreiben ist: wie denn noch der im 12. Jhdt. schreibende Liturgiker Beleth (Divini officii explicat. c. 123) notiert: apa etiam Liberius instituit, ut pro fame, pro bello, pro peste, pro clade et huiusmodi adversitatibus imminentibus semper litanias faceremus. Fälschungen sind der Briefwechsel mit Athanasins (Coustant App. p. 95-102) und die im Beginn des 6. Jhdts. unter Papst Symmachus fabrizierten Gesta Liberii (ebd. p. 87-94, vgl. Lib. pont. ed. Duch. I p. CXXIIff.). Eine Homilie über das Fasten in koptischer Sprache geht unter seinem Namen auch kaum mit Recht: s. Th. Lefort Le Muséon N. S. XII (1911) 1-22. Schwerlich zutreffend bezieht de Rossi eine lange metrische Grabschrift auf L. (Inscr. urbis Romae christ. II 83ff. Diehl Inscr. lat. christ. vet. I n. 967, vgl. Lib. pont. ed. Duch. I p. 209f. F. X. Funk Kirchengesch. Abh. I 391ff. Mommsen Ges. Schrift. VI 578ff.). Inschriftliche Erwähnungen des L. s. bei Diehl Inscr. lat. christ. vet. I n. 966. 972; sehr unsicher, ob der römische L. gemeint ist, die Erwähnung in n. 965. über den unter L. entstandenen ,Catalogus Liberianus' s. den Art. Liber pontificalis.
Literatur: Art. L. von G. Krüger in Haucks Realencyklop. f. protest. Theol.³ XI 450-456. J. Grisar in Wetzer-Welte’s Kirchenlexikon VII [101] 1945-1959. O. Bardenhewer Gesch. d. alt-kirchl. Lit. III² 585-588. J. Langen Gesch. d. röm. Kirche I 460-494.