RE:Tiristis
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Kap an d. Küste d. Schwarzen Meeres in Moesia inferior | |||
Band VI A,2 (1937) S. 1446–1447 | |||
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Tiristis, ein Kap an der Küste des Schwarzen Meeres in Moesia inferior (später Scythia) im Südosten der heutigen Dobrudscha.
1. Name. Tiristis promunturium Mela II 22. Τίριζις ἄκρα Strab. VII 319 Τιριστὶς ἄκρα Ptolem. III 10, 3. Τίριζα ἄκρα Anonym. peripl. p. E. 75. Trissa Tab. Peut. VIII 4. Tirissa Geogr. Rav. IV 6, 181, 13. Τετρισιάς Arrian. per. p. E. 35. Anonym. peripl. p. E. 75. Turisia Geogr. Rav. V 11, 370, 17; in späterer Zeit häufig das Appellativum allein in Gebrauch. Anonym. peripl. p. E. 75 Τετρισιάδα ἤτοι Τίριζαν ἄκραν λεγομένην, νῦν δὲ λεγομένην Ἄκραν, daher Ἄκρα Anonym. peripl. p. E. 75. Steph. Byz. 62 Meineke (vgl. o. Bd. I S. 1187 Nr. 4). Ἀκρίς Ioh. Ant. (Müller FHG V 33, 7). Ἄκραι Hierocl. 637.
Der Name ist thrakisch (Tomaschek D. alten Thraker II 2, 90. Jokl Reallex. d. Vorgesch. XIII 279; Wurzel ter, tir = eindringen, skr. tira Ende, Spitze, Rand) und erinnert an den in der Umgebung sitzenden Stamm der Terizi (o. Bd. V A S. 728). Infolge seiner herrlichen Lage erhielt das Kap in späterer Zeit den Namen Γaλιάκρα, der zum ersten Male in byzantinischen Quellen des 14. (Acta patr. I 95. 528) vorkommt, in italienischen Quellen tritt die Bezeichnung Caliacra ader Chaliakra, in türkischen Gelaré entgegen. Der in wissenschaftlichen Veröffentlichungen [1447] häufig vorkommende Name Gülgrad ist im Lande selbst unbekannt (Jirecek Arch.-epigr. Mitt. X 189); seiner Bildung dürfte das ältere türkische Kilagra zugrunde liegen, wo-bei der zweite Teil dieses Wortes durch seinen phonetischen Gleichklang unrichtigerweise mit dem slavischen grad = Burg in Verbindung gebracht worden ist (Jirecek 189).
2. Lage. Das Kap liegt an der von Bizone (Kawarna) nach Südosten ziehenden Küste des Schwarzen Meeres und ist von diesem nach Arrian 60 Stadien, nach dem Anonym. per. p. E. 60 Stadien 8 Meilen entfernt. Es springt in äußerst scharfem Winkel nach Süden vor und zeigt damit den Beginn eines neuen anders gerichteten Küstenstriches an (Mela II 23 Tiristis promunturium, quod praetervectos alter Ponti angulus accipit, adversus Phasiaco et, nisi amplior foret, similis). Der Anonymus würdigt allein die maritime Stellung des Platzes (Τίριζαν ἄκραν ....ὕφορμον τοῖς ἀφ’ ἑσπέρας ἀνέμοις). Seine natürliche Festigkeit, der er seine Bedeutung von der ältesten Zeit bis in die byzantinische verdankt, ist durch seinen Steilabfall zum Meere auf drei Seiten gegeben (Strab. VII 319 χωρίον ἐρυμνόν). Die Beantwortung der Frage, ob das Kap mit der seit dem 3. Jhdt. in den Itinerarien genannten Station gleichen Namens identisch sei, ist dadurch erschwert, daß sich der Verlauf der Straße Callatis–Dionysopolis, an der T. zu suchen ist (Geogr. Rav. IV 6 Dionysopolis, Bizoi, Timum, Tirissa, Callatis; V 11 Turisia, Bycoris, Tumo, Dionysopolis) nicht feststellen läßt. Die strategische Bedeutung der Station, deren Entfernung von Callatis 24, von Bizon nach der Tab. Peut. 12 röm. Meilen beträgt, bestimmt Kiepert FOA XVII (ebenso Smith Dict. Greek and Rom. geogr. III 1211 offenbar im Anschlusse an ihn), sich gegen die Identifizierung auszusprechen, womit er in Widerspruch zu Tomaschek D. alten Thraker II 2, 90. Jirecek 189, zuletzt Weiss 73 steht.
3. Geschichte. Schon den Terizoi diente es als Feste. Später barg hier König Lysimachos seine Schätze (Strabo); Jirecek 189 vermutet, daß sie eine der Höhlenkammern der Südspitze aufgenommen habe; aus dem Wortlaute der Stelle Strab. Τίριζις χωρίον ἐρυμνόν, ᾧ πότε καὶ Λυσίμαχος ἐχρήσατο γαζοφυλακίῳ geht hervor, daß es ihm nur darum zu tun gewesen sei, ein Beispiel für viele anzuführen. Im Aufstande des Vitalianus gegen den byzantinischen Kaiser Anastasius im J. 514 waren die Rebellen Herren der Feste und hielten den kaiserlichen General Hypatios nach dessen Niederlage in der Nähe hier gefangen (Ioann. Antioch.). Über die Geschichte von T. im Mittelalter und in neuerer Zeit vgl. Weiss D. Dobrudscha im Altertum 74. Jirecek 189f.