Rast an der Quelle
Rast an der Quelle.
Der Sommer liegt auf dem waldigen Thal;
Durch die Blätter blitzt sein heißer Strahl.
Zwei Rosse traben selbander so sacht
Durch der Buchenhallen gründämmernde Pracht.
Auf dem dunkelfarb’nen der junge Genoß.
„Wie stumm, mein Knappe!“ – „Herrin, verzeiht,
Ich trage im Herzen gar heimliches Leid.“ –
„Und doch war allzeit beredt Dein Mund?
„Ihr habt zu gebieten; es sei Euch zu Dank
Die Märe, die Meister Gottfried einst sang!“ – -
Von den Lippen rollt’s ihm wie flüssiges Gold;
Er erzählt von Tristan und von Isold,
Obwohl sie von Cornewals König die Braut.
Wär’ die Seel’ auch verloren und himmlisches Glück,
Sie mußten sich lieben – das war ihr Geschick.
Sie konnten nicht lösen den süßen Bann,
Der Knab’ hat geendet: nun flüstert er bang:
„Glaubt, Herrin, Ihr an den Zaubertrank?“
Sie lächelt: „Ich wär’ ihn zu trinken gewillt,
Wenn er den Durst mir, den brennenden, stillt.“
Von der Felswand sickern den silbernen Quell.
Er schwingt sich vom Sattel in glühender Hast,
Und Rosse und Reiterin halten Rast.
Statt des Bechers erfaßt sein Barett er im Nu –
Nun schlürft sie durstig mit rosigem Mund
Das glitzernde Naß vom sammtenen Grund;
Dann schaut sie dem Knaben in’s Angesicht –
Das leuchtet so seltsam; sein Auge spricht:
Der Isolde und Tristan zusammenzwang!“
Und wie sie es liest in des Blickes Gluth,
Da wallt ihr wärmer zum Herzen das Blut;
Erröthend hat sie sich zu ihm geneigt – –
Anton Ohorn.