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Sagen aus der Provinz Sachsen II

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Textdaten
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Autor: Frau Adler sen., Rose, Anna Veckenstedt
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Titel: Sagen aus der Provinz Sachsen II
Untertitel:
aus: Zeitschrift für Volkskunde, 1. Jahrgang, S. 73–78
Herausgeber: Edmund Veckenstedt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Alfred Dörffel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[73]
Sagen aus der Provinz Sachsen.
Der Dråk (Drache).

Ein Knecht und eine Magd, welche bei einem reichen Bauer dienten, der auf einem Dorfe wohnte, nicht weit von Magdeburg, hatten schon längst ihre Betrachtung darüber gehabt, wo des mittags immer das schöne Essen herkam. Die Bäuerin liess nämlich das Mädchen keinen Sonntag in die Küche kommen, um dort Feuer anzumachen oder ihr beim Kochen zu helfen. Der Knecht sah auch nicht, dass der Schornstein rauchte, und doch war das Essen immer zur rechten Zeit auf dem Tisch, wenn die Kirche aus war, ob nun der Bauer und die Bäuerin in der Kirche gewesen waren oder nicht. Da beschloss denn der Knecht, der Sache auf den Grund zu kommen, und dazu sollte ihm das Mädchen behilflich sein. Er sagte also am nächsten Sonntag bei dem Frühstück, dass er in die Kirche gehen wolle. Einige Tage zuvor hatte aber die Magd in der Küche ein Fass ausräumen und dann umstülpen müssen, so dass der Boden des Fasses nach oben stand. Die Bäuerin hatte nicht weiter auf das Fass geachtet und so stand denn dasselbe am Sonntag noch ruhig da an Ort und Stelle. Als der Knecht gesagt hatte, dass er in die Kirche gehen wolle, meinte das Mädchen, sie wolle auch in die Kirche gehen und sich dazu anziehen. Darauf stand sie auf, ging aber nicht auf den Boden in ihre Kammer, sondern huschte heimlich in die Küche. Alsobald stand auch der Knecht auf, und als er im Flur an der Küche vorbeikam, stahl er sich heimlich hinein. Die Magd stand schon bereit und stülpte sofort das Fass über den Knecht, welcher sich niedergeduckt hatte, dann schlüpfte sie wieder aus der Küche und ging auf den Boden, zog sich an und begab sich in die Kirche.

Die Glocken hatten längst geläutet, das Haus war leer, denn auch der Bauer war in die Kirche gegangen, und noch immer sass der Knecht ruhig unter seinem Fasse. Endlich hörte er, dass jemand in die Küche kam. Er dachte sich gleich, das werde die Bäuerin sein, und so war es auch, wie er bald merken sollte. Erst hörte er nämlich, wie mit [74] einer grossen Schüssel hantiert wurde, dann trat die Frau an den Herd und rief den Schornstein hinauf:

„Dråk, kelkse.“

Da antwortete eine Stimme von oben den Schornstein herunter:

„Hä kickt.“

Darauf rief die Bäuerin wieder nach oben hinauf:

„Dråk, kelkse.“

Aber der Drache rief wieder von oben herunter:

„Hä kickt.“

Da wurde die Frau ärgerlich und rief scheltend hinauf: „Ach watt, et is jo keener hier; wat Du man wilt. Et sind jo alle nå de Kirche. Maak fix un kelkse. Die Kirche is balle ut, wenn se kåmen, denn willen se ok äten, un ick häbbe keen Fier. Kelkse man, die Schettel steiht unnen.“

Alsobald kamen die Klump- und Speckstücke den Schornstein nur immer so herunter gepoltert in die Schüssel hinein, wie der Knecht an der Art des Geräusches und an dem Geruch merkte, welcher bis zu ihm unter die Tonne drang.

Endlich rief die Bäuerin:

„Et ist guet, de Schettel is vull.“

Darauf wurde alles still und die Bäuerin ging mit ihrer Schüssel fort.

Der Knecht kroch alsobald unter seinem Fass hervor und schlüpfte in den Stall. Als die Kirche aus war, machte er sich auf dem Hof zu schaffen und that so, als ob er eben aus der Kirche gekommen sei. Dann rief ihn die Magd zum Essen.

Richtig stand die Schüssel mit Klump und Speck auf dem Tisch. So schön das Essen nun auch aussah und roch, so widerstand es doch dem Knecht zuzulangen. Die Bäuerin wunderte sich darüber und fragte ihn, warum er nicht zulange. Nun konnte aber der Knecht nicht mehr an sich halten und rief:

„Ei pfui Deuwel, det frät Ji man silwst,
Der Dråk het den Klump und den Speck utekelkst.“

Da merkte die Bäuerin, dass der Drache doch recht gehabt habe, als er gerufen hatte: „Hä kiekt.“ Sie liess sich zwar an dem Tage nichts merken, aber schon den folgenden Tag lohnte sie den Knecht ab. Aber auch die Magd mochte nicht auf dem Gehöft bleiben, denn der Knecht hatte ihr alles erzählt. Sie kündigte und nahm einen andern Dienst an.

Mitgeteilt von Frau Adler sen.     


Koboldsagen.
I.

Dass weiss ein jeder, dass mancher Bauer einen Kobold hat, welcher sich bei ihm auf dem Gehöfte aufhält, aber nicht jeder hat es erfahren, wie der Kobold den Leuten gar manchen Streich spielt. So befand sich einmal bei einem Bauer, von dem man sich erzählte, dass er den [75] Kobold habe, ein Arbeiter in der Scheune noch um Mitternacht, wie das wohl bei der Erntearbeit einmal vorkommt. Das Fuder war abgeladen, alle hatten bereits die Scheune verlassen und auch unser Arbeiter rüstete sich zum Heimgang. Er zog die Jacke an und setzte die Mütze auf. Da war es ihm plötzlich, als streife etwas seine Mütze vom Kopfe. Er sah sich um, aber er bemerkte nichts. Sonderbar aber war es, dass die Mütze vom Kopfe fort war: soviel er auch darnach suchte, jetzt und die folgenden Tage, er fand die Mütze nicht wieder. So mochten etwa vierzehn Tage vergangen sein und der Arbeiter hatte seine Mütze immer noch nicht wieder gefunden: da ging er eines Tages auf die Banse, um die Garben auf die Diele zu werfen, denn es sollte das erste Getreide im Jahre gedroschen werden – siehe da lag die Mütze oben auf den Garben. Das war aber um so merkwürdiger, als der Arbeiter doch verschiedene Male die ganze Banse nach seiner Mütze abgesucht hatte, und nun lag sie frank und frei dort. Da merkte der Arbeiter, dass ihm der Kobold des Bauers einen Schabernack gespielt hatte.

Rose.     


II.

Der Kobold spielt den Leuten gern einen Schabernack und zwar besonders den Arbeitern und Knechten des Bauers, auf dessen Gehöft er sich aufhält, wenn dieselben auf ihn nicht gut zu sprechen sind. So geschah es gar oft, dass bei einem Bauer, welcher den Kobold hatte, sich die Pferde des nachts von dem Halfter losrissen und auf dem Hofe herumjagten, denn man liess die Thür zum Stalle des Nachts der Hitze wegen offen stehen, da in dem Sommer die Hitze besonders gross war.

Wenn das geschah, so mussten die Knechte mitten in der Nacht heraus und die Pferde wieder in den Stall treiben. Das Allersonderbarste war aber, wenn die Knechte in den Stall kamen, um die Pferde wieder an den Halfter zu legen, dann standen dieselben da und frassen ihr Heu von der Raufe: sie hatten den Halfter um und niemand merkte, dass sie eben noch auf dem Hof herumgejagt waren.

Auch mit den Färsen ist in mancher Nacht gleiches geschehen. Die Knechte hatten ihren schweren Aerger darüber, dass ihnen der Kobold den Schabernack spielte – denn wer sollte das sonst gewesen sein? – und darum hüteten sie sich endlich, wieder von dem Kobold schlecht zu sprechen. Da ist des nachts Ruhe auf dem Gehöft gewesen.

Rose.     


III.

In einem Dorfe bei Magdeburg hauste auf dem Gehöft eines Bauern ein Kobold, welcher den Knechten gar manchen Schabernack zu spielen pflegte. Am ärgsten trieb er es aber mit dem Knecht, welcher den Häcksel für das Vieh zu schneiden hatte. Oft hatte er bald die halbe Futterlade leer geschnitten, ohne dass auch nur eine Handvoll von dem [76] Häcksel vor der Lade lag, denn derselbe flog nach jedem Schnitt auf dem Boden umher, dann wieder fiel er unter die Futterlade oder ganz zur Seite auf einen Haufen. Da der Knecht wusste, dass er gegen den Kobold und seine Streiche nichts machen konnte, so stellte er seine Arbeit ein, wenn er merkte, dass der Kobold sich mit ihm zu schaffen machte.

Rose.     


IV.

Eines Tages fuhr ein Bauer, welcher mit seinem Gespann in Zerbst gewesen war, seinem Dorfe zu. Da sah er mitten auf dem Wege einen Sack liegen, welcher so aussah, als ob er mit Korn gefüllt wäre. Das schien dem Bauer ein guter Fund zu sein. Schnell stieg er ab und lud den Sack auf seinen Wagen. Der Sack war schwer, aber der Bauer liess sich die Mühe nicht verdriessen; so billig war er noch nie zu einem Sack voll Getreide gekommen, denn das solches darin war, fühlte er bei seiner Arbeit ganz deutlich.

Als er mit seinem Funde glücklich zu Hause angekommen war, spannte er erst die Pferde aus und brachte sie in den Stall, dann lud er den Sack mit Getreide ab und stellte ihn unter der Treppe auf dem Flur hin. Dann wollte er in die Stube gehen. In demselben Augenblicke sprang ihm etwas auf den Rücken, fasste ihn in den Nacken und schüttelte den Bauer nur so. Derselbe griff voll Schrecken darnach. Da sprang es wieder vom Rücken herab. Der Bauer blickte sich um und sah gerade noch, wie ein dreibeiniger Hase unter die Treppe schlüpfte. Nun merkte er, dass er in dem gefundenen Sack sich den Kobold in das Haus geholt habe. Aber der Bauer mochte von einem Kobold nichts wissen. Deshalb beschloss er, sich desselben zu entledigen. Er ging also nicht in die Stube, sondern nach dem Raum, wo er unter der Treppe den Sack hingesetzt hatte. Derselbe stand auch ruhig da, sowie er dort abgeladen war, der dreibeinige Hase war aber verschwunden.

Der Bauer lud den Sack wieder auf den Wagen, zog die Pferde aus dem Stall, spannte an, und fuhr nach der Stelle hin, wo er den Sack gefunden hatte. Er lud ihn dort wieder ab, kehrte dann mit dem Gefährt um und kam mit dem leeren Wagen glücklich nach Hause. Fortan hat er von dem Kobold nie mehr etwas gesehen.

Anna Veckenstedt.     


V.

In einem Dorfe bei Magdeburg lebte ein Bauer mit seiner Frau, welche so vorwärts gekommen waren, dass sie für wohlhabend gelten konnten: man wusste aber auch, auf welchem Wege sie zu ihrer Wohlhabenheit gekommen waren, denn sie hatten einen Kobold. Nun hatte sich ihr Sohn verheiratet, denn er war in die Jahre gekommen, und zur rechten Zeit stellte sich denn auch bei den jungen Leuten ein Kind ein. Da wurde grosse Taufe gemacht. Als der Schmaus soweit war, [77] dass man zu Butter und Käse griff, sah der eine von den Taufgästen, wie die alte Bäuerin plötzlich hinter den Ofen ging und darauf mit einem Butterstück wieder hinter demselben hervortrat. Das Stück Butter war noch nicht angeschnitten. Bevor es die alte Frau auf den Tisch setzte, machte sie drei Kreuze darüber. Daran merkte der Taufgast, dass dieses Butterstück vom Kobold sei und dass die alte Frau die drei Kreuze darüber gemacht hatte, damit niemand merke, dass man ihnen Koboldbutter vorsetze. Er griff nun wohl auch darnach und schmierte sich davon eine Stulle, aber als er davon abbiess, kam ihm der Gedanke wieder in den Kopf, dass er Butter essen solle, welche der Kobold ausgekelkst hatte. Da blieb ihm der Happen in der Kehle stecken: er würgte und würgte daran herum, aber es war vergeblich, der Happen rutschte nicht hinunter: er kam in die Gefahr zu ersticken. Endlich gab er den Happen wieder von sich und hütete sich, von der Koboldbutter wieder zu essen.

Frau Adler sen.     


VI.

In einem Dorfe bei Zerbst lebte ein Bauer, welcher sehr wohlhabend war und dabei alle Jahre reicher wurde. Obgleich er gar nicht viel Acker und Wiesen hatte, so war doch seine Scheune stets mit Korn gefüllt und alle Böden über den Ställen waren voll Futter. Dabei gedieh das Vieh auf dem Hofe und der Bauer konnte mehr fette Kühe verkaufen, als die andern Bauern alle zusammengenommen. Darum merkten die Bauern im Dorfe, dass auf dem betreffenden Gehöft der Kobold sein müsse, welcher dem Bauer alles zutrage.

Eines Tages nun geschah es, dass auf das Gehöft des Nachbars von diesem Bauer eine fremde bunte Katze kam. Da sich der Kobold oft als Katze zeigt und niemand das Tier kannte, welches auf dem Gehöft des Bauers war, so dachte sich dieser, die Katze müsse der Kobold des reichen Bauern sein, der auf sein Gehöft gekommen sei. Das schien ihm eine günstige Gelegenheit zu sein, den reichen Bauer um sein Glück zu bringen. Er machte sich daran, die Katze zu fangen, und als ihm das glücklich gelungen war, steckte er sie in einen Sack, welchen er schon dazu bereit gehalten hatte. Darauf rief er sein ganzes Gesinde herbei und sagte den Leuten, was er für einen Fang gethan habe. Nun wurde der Sack fest zugebunden, dann warf ihn der Bauer mitten auf den Hof hin und nun schlug alles mit Dreschflegeln, Knüppeln und dicken Stöcken auf die Katze los, bis sich nichts mehr im Sacke rüppelte und regte.

Als die Katze tot war, ging der Bauer mit dem Sack nach dem Mist und schüttelte ihn dort aus. Da lag nun die Katze tot da und alle freuten sich, dass es nun mit dem Glück des reichen Bauers vorbei wäre. Darauf gingen alle wieder an ihre Arbeit. So mochte etwa eine Stunde vergangen sein. Der Bauer wollte nach der Scheune gehen und kam dabei an dem Mist vorbei. Wer beschreibt aber sein Erstaunen, als er sah, dass die Katze verschwunden war! Da merkte er [78] denn, dass er den Kobold wirklich im Sacke als Katze gehabt habe, aber auch, dass man einem Kobold nichts ernsthaftes anhaben kann.

Anna Veckenstedt.     


VII.

In einem Dorfe bei Magdeburg hatte ein Bauer einen Kobold. Der Bauer mochte aber den Kobold nicht leiden, soviel ihm derselbe auch zutrug. Man sagte auch, dass der Kobold eigentlich nicht auf das Gehöft des Bauers gehöre, denn derselbe sei erst bei der Hochzeit dorthin gekommen. Der Bauer hatte nämlich von einem andern Dorfe her geheiratet. Seine Braut war ein reiches Mädchen, und damit es auch mit der neuen Wirtschaft gut gehe, hatte der Bauer seiner Tochter den Kobold mit auf das Gut gegeben, wo sie als Bäuerin war. Später zog der alte Bauer ganz und gar zu den jungen Leuten hin, denn seine Frau war gestorben und er hatte keine Lust, sich allein auf seiner Wirtschaft noch herumzuquälen. Dieser alte Bauer muss auch sonst noch mancherlei gekonnt haben, wovon andre Leute nichts wissen. So kam einmal einer von den Arbeitsleuten des Bauers vom Felde heim. Er musste an dem Gehöft des Bauers vorbei. Als er an das Haus kam, sah der alte Bauer aus einem Fenster heraus, welches an dem einen Ende des Hauses war. Der Arbeiter wollte mit dem alten Bauer über etwas sprechen und redete ihn darum an, aber derselbe antwortete nicht. Da der Arbeiter schon wusste, dass es mit dem alten Bauer nicht seine Richtigkeit habe, so ging er ruhig weiter. Aus dem Fenster am andern Ende des Hauses blickte der junge Bauer heraus. Derselbe rief dem Arbeiter zu, er solle einmal herein kommen, denn er habe ihm was zu sagen. Der Arbeiter trat ein. Aber wer beschreibt seinen Schreck, als er in der Stube, auf der Bank am Ofen, den alten Bauer sitzen sah, den er eben noch auf der andern Seite des Hauses aus dem Fenster hatte blicken sehen. Der alte Bauer sass ruhig da und rauchte seine Pfeife.

Aber es hat mit dem alten Bauer kein gutes Ende genommen, denn eines Tages hat er sich tot gefahren und auch der junge Bauer ist früh gestorben. Dem mag es wohl der Kobold angethan haben, weil er denselben nicht leiden mochte.

Rose.     

Anmerkungen (Wikisource)

Die Sagen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:

  1. Der Dråk (Drache)
  2. Koboldsagen