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Sagen aus der Provinz Sachsen I

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Textdaten
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Autor: Fr. Adler, Rose, Grafe, Chr. Adler
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Titel: Sagen aus der Provinz Sachsen I
Untertitel:
aus: Zeitschrift für Volkskunde, 1. Jahrgang, S. 19–22
Herausgeber: Edmund Veckenstedt
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Alfred Dörffel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Google, Commons
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[19]
Sagen aus der Provinz Sachsen.
1. Die Kuh aus der Fuchshöhle und die Beschützerin der Kühe.

Einige Meilen die Elbe aufwärts von Magdeburg aus liegt das Städtchen Barby. Um dasselbe breiten sich rings fruchtbare Felder und fette Wiesen aus. Der Hirte von Barby hatte so lange jeden Tag das Vieh auf die Weide zu treiben, als es das Wetter irgend zuliess. Sobald er nun auf der Wiese mit seiner Herde war, bemerkte er, wie sich derselben eine Kuh gesellt hatte, welche grösser und schöner war als alle übrigen Kühe der Herde. Wenn der Hirte des Abends die Herde heimtrieb, so war die Kuh plötzlich verschwunden.

Der Hirt hatte ein gutes Herz und so liess er denn die fremde Kuh ruhig bei seiner Herde, ohne dass er sie belästigte. Dafür wurde er aber auch belohnt, denn es ereignete sich jeden Mittag, dass er auf einem Anwall am Elbwall das schönste Essen von der Welt fand. Das Essen lag in prächtigen Schüsseln, die in der Sonne nur so funkelten. Hatte aber der Hirt gegessen, so war das Geschirr alsogleich verschwunden.

Eines Tages fiel es dem Hirten ein, er wolle doch einmal sehen, wo die Kuh des Abends bliebe. Als er nun gegen Abend seine Herde nach der Stadt zurücktrieb und sein ganzes Augenmerk auf die Kuh gerichtet hatte, sah er, wie sich dieselbe dem Anwall näherte. In demselben befand sich ein Fuchsloch. Sobald die Kuh dem Fuchsloch nahe gekommen war, erweiterte sich dasselbe so, dass die Kuh bequem in dasselbe hineingehen konnte. Als die Kuh in der Höhlung verschwunden war, zog sich die Oeffnung wieder so zusammen, dass in dem Anwall nur noch ein Fuchsloch zu sehen war.

Obschon nun das Alles gar nicht mit richtigen Dingen zuging, so liess der Hirt sich doch nichts davon merken und belästigte die fremde Kuh auch an den folgenden Tagen so wenig wie zuvor. Da geschah es denn, dass auch die Beschützerin der Kühe sich in der Herde zuweilen sehen liess. Dieselbe war eine wunderschöne, hellblau gekleidete Frau; sie ging in der Herde umher und streichelte das Vieh, besonders aber die fremde Kuh.

Daraus schloss der Hirt, dass sie zu der Kuh besonders nahe Beziehungen hatte.

Woher die schöne Frau kam und wo sie wieder verschwand, hat der Hirte nie erkunden können.

[20] Die Wiese und der Anwall, wo sich dies alles zugetragen hat, sind noch heute bei Barby zu sehen.

Fr. Adler.     


2. Die Fischer auf dem Kirchsee und dem Scharrlachsee.

In Dornburg giebt es viele Fischer, welche sowohl auf der Elbe wie auf den Seen dem Fange nachgehen. Wenn sie mit ihren Netzen auf dem Kirchsee oder auf dem Scharrlachsee sind und sie ziehen dieselben ein, um damit nach Hause zu rudern und dort Netze und Fang zu bergen, so geschieht es öfter, dass die Heimfahrt gewaltsam gehemmt wird. Liegen die Seen eben noch ruhig und spiegelglatt da, so geschieht es dann, dass das Wasser mit einem Male so gewaltig aufwallt, dass die Kähne umzuschlagen drohen. Dann kommen die Fischer in grosse Not und haben alle Hände voll zu thun, um das Wasser aus dem Kahne zu schöpfen, welches über Bord geschlagen ist.

Dieser wilde Aufruhr des Wassers pflegt wohl eine Stunde anzuhalten, dann legt sich derselbe wieder so plötzlich, wie er gekommen ist. Dann rudern die Fischer eilig dem Ufer zu und kommen oft ohne Fische und ohne Netze, in Schweiss gebadet, zu Hause an und sind nur froh, dass sie das Leben gerettet haben.


3. Der nächtliche Hund.

In früheren Zeiten wurden die Pferde nicht nur bei Tage gehütet, sondern auch des Nachts auf der Weide gelassen. Das geschah auch in Dornburg, und zwar auf der Gemeindewiese am Scharrlachsee. Aber auf die Dauer ging das nicht an, denn wenn auch die Pferde bis die Nacht um zwölf ruhig geweidet hatten, so wurden sie plötzlich wild und stürmten dem Dorfe zu, sodass man sie dann doch in die Ställe bringen musste.

Da beschloss man, die Wiese mit einem Zaune zu umgeben, denn man hoffte, es so zu erreichen, dass die Pferde auf der Weide blieben. Aber auch das hat nichts geholfen, und ein Hirtenjunge hat in der nächsten Nacht auch gesehen, weshalb nicht. Als er nämlich in der Nacht bei den Pferden wachte, erschien bei der Herde ein Hund von der Grösse eines einjährigen Rindes. Der Hund ging auf die Pferde zu, welche vor ihm zurückwichen und sich ängstlich in der Ecke eines Zaunes zusammendrängten. Unter dem Druck der Pferde zerbrach der Zaun und die scheuen Tiere eilten in wilder Flucht dem Dorfe zu.

Seit der Zeit hat man die Pferde nicht mehr des Nachts auf der Gemeindeweide zu lassen gewagt, sondern dieselben jeden Abend den heimischen Ställen zugetrieben.


4. Der gespenstige Jagdschlitten.

Gegenüber von dem Städtchen Barby, am rechten Ufer der Elbe, liegt das Dorf Dornburg. Bei Dornburg befinden sich zwei Seen, der [21] Kirchsee und der Scharrlachsee. Mit den Seen hat es nicht seine Richtigkeit, denn viele Leute in Dornburg erzählen, dass früher jeden Abend ein Schlitten hinter den Gärten des Dorfes entlang, von dem Kirchsee zum Scharrlachsee und zurück gefahren sei. Man habe ganz deutlich den Schlitten fahren hören, und zwar einen Jagdschlitten, sowie das Geläute und Geklingel von Schellen, wie sie die Pferde vor den Schlitten im Winter zu tragen pflegen, aber doch sei es Niemand gelungen, dem Schlitten so nahe zu kommen, dass man denselben deutlich gesehen habe.

Rose.     


5. Der gebannte Verwalter.

In dem Vorwerke bei Barby war ein Verwalter gestorben, der fortan jede Nacht die Ruhe des Viehes zu stören pflegte. Da man den umgehenden Verwalter nicht los werden konnte, so liess man einen Scharfrichter kommen, damit derselbe ihn banne. Der Scharfrichter war auch in der Nacht auf dem Platze und als der Verwalter in den Stall kam, bannte er ihn so, dass derselbe sich nicht bewegen konnte. Darauf nahm der Scharfrichter den Gebannten auf die Schultern und trug ihn nach dem See vor dem Gute. Dort wollte er den Verwalter versenken, wo der See am tiefsten war. Aber der Verwalter bat den Scharfrichter, er möchte ihn doch nicht gerade an der tiefsten Stelle versenken, oder wenigstens zulassen, dass er jedes Jahr einmal auf das Gut kommen dürfe. Da er ausserdem versprach, dass er sich auf dem Gute ruhig verhalten werde, so machte ihm der Scharfrichter das Zugeständnis.

Seit der Zeit hat das Vieh auf dem Gute des Nachts seine Ruhe, aber in den Nächten in der Zeit von Weihnachten bis Neujahr zeigt sich der Verwalter in jedem Jahre bis auf den heutigen Tag.

Fr. Adler.     


Riesensagen.

Auf der grossen Wiese, welche auf der Ostseite des Dorfes Vehlitz liegt, haben sich früher drei grosse runde Aufschüttungen befunden, dieselben sind jetzt abgetragen und dem Rasen gleich gemacht. Aber man kann noch immer die Orte unterscheiden, wo die Aufschüttungen gewesen sind.

Die Male sollen davon herühren, dass früher die Riesen auf dieser Wiese Ball gespielt haben. Da bildete denn das eine Mal das Schenkmal, das andere das Sprungmal, das dritte das Rennemal.


Eines Tages kam ein Riese von dem Orte Dalchau her und ging auf das Städtchen Möckern zu. Der Weg führte ihn über eine Ackerfläche, welche ganz fetten, schwarzen Boden hat, man nennt dergleichen Acker Klei. Nun geschah es, dass sich dieser Klei an den Stiefeln des Riesen festsetzte. Es blieb ihm nichts weiter übrig, wenn er fortkommen wollte, als denselben von den Stiefeln abzuschütteln.

[22] Die Stelle, wo der Klei von dem einen Stiefel liegen blieb, heisst der Dorberg, die andere, wo der Riese den fetten, schwarzen Boden von dem anderen Fusse abschüttelte, aber der Kallowberg.

Dort erheben sich noch jetzt auf den Sand- und Kiesbergen diese Aufschüttungen; die schwarze Erde ist mit Knochen gemischt.


Auf den Steinstücken, welche etwa eine Viertelstunde weit auf der Ostseite von dem Dorfe Vehlitz liegen, befand sich bis in die dreissiger Jahre hinein ein grosser Stein, auf welchen sich ein Riese zu setzen pflegte. Oben auf dem Steine und zwar in der Mitte der Oberfläche desselben sah man eine runde, schüsselförmige Aushöhlung. Dieselbe rührte von dem Gesäss des Riesen her. Stand nun der Riese von seinem Sitze auf, so streckte er die Arme nieder und stützte sich dabei mit seinen Fingern auf den Stein um sich zu heben.

Von diesem Vorgang waren auf der Oberfläche des Steines an seinem Rande rings runde Löcher.


Unfern des Dorfes Wallwitz liegt ein altes Hühnen- oder Riesenbett. Wenn die Knechte beim Pflügen auf dem angrenzenden Ackerstücke mit den Pferden sich dem alten Hühnenbett nähern, so fangen dieselben an unruhig zu werden; sie sind an dem Hühnenbett nicht vorbei zu bringen, so dass die Knechte vorher wenden müssen. Wie man erzählt, liegt dort ein berühmter Krieger begraben.

Gleiches berichtet man von dem Steintisch bei Körbelitz.

Grafe.     


Drachensagen.

Eines Abends fuhren verschiedene Bauern von Möckern, von wo sie aus der Haide Holz geholt hatten, ihrem Heimatsdorfe Vehlitz zu. Als sie mit ihren schwer beladenen Gefährten in die Niederung bei dem Dorfe Wallwitz gekommen waren, sahen sie, wie eine Feuerkugel über sie hinweg flog, welche einen langen Schein wie einen Schwanz hinter sich herzog. Da wussten alle, welche das gesehen hatten, dass ihnen der Drache (Dråk) erschienen war.

Chr. Adler.     


Wenn sich in einem Hause ein Drache (Dråk) festgesetzt hat, so zeigt sich derselbe bald als schwarze Katze, bald als dreibeiniger Hase, bald als einbeiniges Huhn. So war auch in Barby auf dem Gute der Drache. Sobald es nämlich des Abends anfing dämmerig zu werden, sah man auf dem Hofe einen dreibeinigen Hasen hin- und herlaufen. Nun wusste Jeder, dass man einem Drachen nichts anhaben darf, aber auf dem Hofe war ein Knecht, welcher sich das nicht gesagt sein liess, sondern nach dem dreibeinigen Hasen schlug.

Aber der Drache liess sich das nicht gefallen, sondern wischte dem Knecht gehörig eins aus.

Fr. Adler.     

Anmerkungen (Wikisource)

Die Sagen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:

  1. Die Kuh aus der Fuchshöhle und die Beschützerin der Kühe
  2. Die Fischer auf dem Kirchsee und dem Scharrlachsee
  3. Der nächtliche Hund
  4. Der gespenstige Jagdschlitten
  5. Der gebannte Verwalter
  6. Riesensagen
  7. Drachensagen