Schicksale einer deutschen Lehrerin in Frankreich
[115] Schicksale einer deutschen Lehrerin in Frankreich. Das Los der
nach Frankreich verschlagenen und dort ansässigen Deutschen ist nicht immer
beneidenswerth: die Feindseligkeit der Franzosen gegen die Deutschen macht
sich zum mindesten in allen den Fällen bemerkbar, wo die Deutschen, und sei
es auch ganz ohne Schuld, in eine mißliche und schiefe Lage gerathen. So
erging es, wie die Tageszeitungen berichten, einer aus Westfalen stammenden
Lehrerin, welche Erzieherin in einer französischen Grafenfamilie geworden war.
Nachdem ihr diese Stellung gekündigt, suchte sie sich durch Unterricht in der
deutschen Sprache in Paris ihren Unterhalt zu erwerben: es fiel ihr dies
schwer, da sie keine Empfehlungen besaß. So wurde sie, durch die Noth gezwungen,
Arbeiterin in einer Posamentirfabrik. Eines Tags, als sie in einer
Wirthschaft zu Mittag gegessen, konnte sie nicht bezahlen: sie hatte ihr
Portemonnaie zu Hause liegen lassen. Darauf wurde sie verhaftet, wegen
Zechprellerei verurtheilt und an die deutsche Grenze geschafft. Fast ohne
alle Mittel wollte sie zu Fuß nach Metz wandern, wurde indeß in Vic
als Landstreicherin verhaftet. Von der Metzer Strafkammer aber, welche
ihrer Erzählung vollständigen Glauben schenkte, wurde sie gänzlich freigesprochen.
Jedenfalls ist es mit Gefahren verbunden, wenn sich gebildete
deutsche Mädchen oder Frauen gegenwärtig in Frankreich als Lehrerinnen
ihr Brot verdienen wollen; man kann ihnen nur rathen, sich, besonders
in Krankheitsfällen, an den deutschen Hilfsverein in Paris zu wenden,
von dem wir in Nr. 43, Jahrgang 1882 berichteten. †