Segler der Lüfte

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Autor: Adolf und Karl Müller
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Titel: Originalgestalten der heimischen Vogelwelt. 7. Segler der Lüfte
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Originalgestalten der heimischen Vogelwelt.[1]

Thiercharakterzeichnungen von Adolf und Karl Müller.
7.0 Segler der Lüfte.0 Mit Abbildungen von Marie Laux.
a.0 Unsere Schwalben.

Segler der Lüfte!“ Ja, das Luftmeer ist das wahre Element ihres Lebens! Selten kommen sie zur Erde, ihre körperliche Ausrüstung hat sie zum ewigen Fluge bestimmt, ihr Sinn strebt nach der Höhe und Weite, nach der Freiheit, der ungebundenen, schrankenlosen Bewegung. Auch ihre Nahrung bietet sich ihnen nur im Reiche der Luft.

Als die geflügelten Boten des Lenzes, als treue Mitbewohner unserer Städte und Dörfer und als unermüdliche Vertilger der Insekten in der Luft sind die Schwalben überall willkommen, und gern wird ihnen der wohlverdiente Schutz zu theil. Wenn auch viele der neuerrichteten Häuser nur in sehr geringem Grade den Bedingungen entsprechen, unter welchen die Schwalbe gerne nistet, wenn auch nicht wenige Hausbewohner des Schmutzes halber die Anfänge des Nestbaues mit Stöcken und Stangen zu entfernen bemüht sind, so giebt es doch unzählige Plätzchen mit warmer Lage, rauher Fläche und schützender Decke, welche den lieben Gästen friedlich winken, und Tausende von Hausbesitzern nehmen gern eine kleine Unannehmlichkeit mit in den Kauf, wenn sie den treuen, anhänglichen Thierchen Obdach zu bieten imstande sind. Freilich ist es der Schwalbe, der Rauch- wie der Hausschwalbe, am liebsten, wenn die menschlichen Wohnungen die Spuren des Alters und des Zerfalls an sich tragen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil damit die Gelegenheit zu bequemem Nisten sich mehrt. Wie manches Rauchschwalbenpaar ist schon durch das Ausbessern einer Fensterscheibe am Pferde- oder Kuhstall in bittere Verlegenheit gesetzt worden, weil ihm damit der einzige Weg zu seinem Neste verschlossen wurde!

Mit Sehnsucht wird die Ankunft der Schwalben im Frühling erwartet. Sind sie doch die Vorboten der schönen Sommerzeit. Einen eigenthümlichen Zauber haben die Töne der Rauchschwalbe, wenn sie am Morgen nach ihrem Erscheinen an der heimischen Stätte ihr „Wittwitt“ hören läßt, wenn sie zum ersten Male wieder mit ihrem Liedchen das Frühroth besingt. Und welch einen fesselnden Anblick bietet sie, wenn sie in kunstvollem Fluge die Luft durchschneidet, hier sanft dahinschwebt und nur zuweilen die Schwingen regt oder auch im plötzlich flatternden

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Rauchschwalben.  

Aufschwung ein Kerbthier über sich hascht, dort in sausender Eile mit kühnen Zickzackwendungen dahinschießt, oder drüben über der Spiegelfläche des Teiches, über den schäumenden Wellen des Flusses in abwärts geschweiftem Bogenflug das Gefieder netzt und im Auftauchen es schüttelt! So sicher ist ihr Flug, daß sie durch Oeffnungen, welche nur den Umfang einer Mannsfaust haben, ohne Anstoß hindurchschlüpft. Nicht minder unterhaltend erscheint sie, wenn sie auf einem Gebäudevorsprung fußt, um zu ruhen oder ihre Federn zu putzen und zu ordnen. Umspielt vom lauen Windhauch, umschmeichelt von den Strahlen der Sonne, schlägt sie wohlig mit den Flügeln und singt eine Zeitlang, wetteifernd mit den Nachbarmännchen, ihr kurzes, aber angenehmes Liedchen.

Plötzlich verstummen die wohlgelaunten Sänger, denn es erscheint unter dem Warnruf „Dewihlik“ ein Gefährte, der den gefährlichen Räuber, den Baumfalken, erblickt hat. Hastig erheben sie sich alle in die Luft, weitausstrebend, als wollten sie in weite Ferne von dannen ziehen, oder sie flüchten, wenn die Gefahr nahe rückt, bestürzt in die sicheren Ställe und Scheunen.

Snell hat über die Signaltöne der Rauchschwalben eingehende Beobachtungen gemacht. „Sie signalisieren den Wanderfalken ebenso wie den Baumfalken. Die Rauchschwalben haben nämlich wie die meisten Vögel zweierlei Signaltöne: der eine, ein helles lautes Aufschreien, drückt mehr Zorn und plötzlichen Schrecken aus, der andere, ein tiefer flötender Ton (‚flüh, flüh‘), ist der Ausdruck der äußersten Angst. Diesen letzteren Alarmruf nun stoßen die Rauchschwalben beim Anblick des Wanderfalken aus, wofern er ihnen nicht schon unmittelbar auf den Fersen ist, und ergreifen zugleich eilends die Flucht. Dies ist so auffallend, daß man hiernach schon unterscheiden kann, ob ein Falco palumbarius (Habicht) oder ein Falco peregrinus (Wanderfalke) in Sicht ist.“

An schönen sonnigen Tagen erblickt man die Rauchschwalbe gleich ihren Verwandten in höheren Luftschichten, weil unter diesen günstigen Witterungsverhältnissen auch so mancherlei Kerbthiere sich zur Höhe erheben. Anders an rauhen naßkalten Tagen oder bei Sturm: da halten sich die stets auf Nahrung bedachten Vögel dicht an die Erde, um an geschützten Plätzen der so viel wie möglich trockene und warme Lagen suchenden Zwei- und Netzflügler habhaft zu werden. Dabei bekundet die Rauchschwalbe ein scharfes Sehvermögen. Im raschesten Fluge entdeckt sie die an den Wänden oder Fenstern der Häuser still sitzende Beute, streift sie mit einem Flügelschlag ab, um sie sofort mit dem weiten Sperrvogelschnabel zu erfassen. Das Nest der Rauchschwalbe haben wir in Ställen, Scheunen, Schornsteinen, gemauerten Ziehbrunnen, unter Balken, über Thorwegen und in Hausfluren gefunden. Sie liebt einen Vorsprung über dem Neste als Schutz und eine Erhebung unter demselben als Stützpunkt. Das Material besteht aus Erdklümpchen mit Halmen untermischt, welche mit Speichel verarbeitet werden. Die Absonderung dieses Speichels ist mit einer zitternden Bewegung des Kopfes und anstrengendem Würgen verbunden. Sind eine Anzahl Klümpchen auf- und aneinander geklebt, so lassen die Schwalben erst eine gewisse Zeit zum Trocknen verstreichen, ehe sie weiterarbeiten. Da nur der Morgen zum Baugeschäft verwendet wird, so dauert es längere Zeit, bis das Werk vollendet ist. Die Form des fertigen Nestes bildet den vierten Theil einer Hohlkugel, die Breite desselben beträgt etwa 25, die Tiefe etwa 12 Centimeter. Innen wird es mit zarten Halmen, Haaren, Federn und filzigen Stoffen mannigfacher Art ausgepolstert, und die Erneuerung dieses Polsters ist oft jahrelang die einzige Bauarbeit eines Rauchschwalbenpaares, da es ein und dasselbe Nest gern wieder benutzt. Nicht selten nimmt jedoch ein Paar aus irgend welchem unbekannten Grunde Anstand, das alte Nest zu beziehen, und baut lieber ein neues daneben oder darüber; so kann es kommen, daß nach und nach eine ganze Anzahl von Wohnungen an einem Balken des Stalles entsteht. Uebrigens trifft man auch kleine Kolonien von Nestern mehrerer Rauchschwalbenpaare an.

Vier bis sechs dünnschalige, blendendweiße, mit grauen und röthlichbraunen Punkten versehene Eier bilden das Frühjahrsgelege, welches von dem Weibchen zwölf bis dreizehn Tage bebrütet wird, während das Männchen für die Nahrung besorgt ist. Sind die Jungen einigermaßen flugfähig, so wagen sie sich gar bald auf die in der Nähe befindlichen, zum Fußen geeigneten Gegenstände, hocken im Gefühl ihrer Unsicherheit gern dicht nebeneinander und locken wie die Alten „witt witt“, welchen Ton sie rasch hintereinander ausstoßen, wenn die vor ihnen in der Luft stehenden Eltern sie füttern. Nach und nach erweitern sie ihren Flugkreis, kehren aber zu ihrer größeren Sicherheit abends zur Wohnstätte zurück. Sie halten sich noch längere Zeit vereinigt, bis sie selbst die Insektenjagd verstehen und betreiben. Zum zweiten Male brüten die Rauchschwalben im August, und beide Bruten sammeln sich im Herbste mit Scharen ihrer Brüder und Schwestern im Rohrdickicht, auf Thürmen und Häusern und verlassen uns des Nachts. Nur einzelne bleiben etwas länger und folgen endlich auch den vorangezogenen Schwärmen.

Zur Zeit der Herbstwanderung sieht man mit der Rauchschwalbe öfters eine andere Schwalbenart vereinigt, welche sonst gänzlich von jener geschieden ist, ja zuweilen mit ihr wie unter sich in Zank und Streit geräth: die Mehlschwalbe (Chelidon urbica). Sie bildet eine andere Sippe, ähnelt aber der Rauchschwalbe sehr in der Lebensweise. Ihre Ankunft fällt in den April, einige Tage nach der Rückkehr der Rauchschwalbe. Da sie einer außerordentlichen Menge von Kerbthieren zur Nahrung bedarf, so wird sie durch den zeitweisen Rückschlag der Witterung manchmal in Noth versetzt, und oft haben wir solche Thierchen traurig und matt durch die Straßen fliegen sehen, die tags zuvor noch fröhlich im Aether sich gewiegt hatten.

Während das Rauchschwalbennest nur den vierten Theil einer Hohlkugel ausmacht und demnach oben offen steht, bildet das Mehlschwalbennest in der Regel die Hälfte einer solchen und hat nur seitlich ein Flugloch. Aeußere Umstände können freilich diese Halbhohlkugel etwas verändern, auch bauen viele Schwalbenpaare ihre Nester kolonienweise neben- und selbst aufeinander. Das Baugeschäft wird ebenfalls nur morgens vorgenommen. Man sieht gewöhnlich mehrere Paare eine in Frage kommende Stelle umkreisen und untersuchen. Sie probieren und prüfen erst, ohne Material herbeizutragen, wobei es zu Zänkereien und Drohungen mit dem geöffneten Schnabel kommt. Wird ein besonders günstiges Plätzchen entdeckt, so sammelt sich alsbald wie auf Verabredung die ganze baulustige Schwalbengesellschaft der Nachbarschaft, und nun bietet sich dem Beobachter ein wirklich unterhaltendes Schauspiel dar, wenn die trippelnden, im Gehen so unbeholfenen Vögel bohnengroße Klümpchen Erde im Schnabel ansammeln und den Nestern zutragen. Selten, weit seltener als die Rauchschwalben, mischen sie der Erde Strohhälmchen bei. Die Füße klammern sich mit großem Geschick an der Wand fest, und der ausgebreitete seicht gegabelte Schwanz dient zur Stütze.

Die Klümpchen werden in derselben Weise wie von der Rauchschwalbe mit Speichel bereitet und sorgfältig aufgeklebt, [510] keineswegs aber geglättet, sondern rauh gelassen. Zuerst entsteht ein halbbogenförmiger Kranz von unten, auf welchem die Schwalbe nun einen bequemen Sitz hat und rüstig weiter mauern kann. Dabei wechselt sie nach Bedürfniß ihre Stellung. Bald hängt sie sich außen an die Nestwand an, bald schaut sie von innen heraus. Letzteres geschieht insbesondere dann, wenn das Flugloch angelegt wird. Im Innern füttert die Mehlschwalbe gleich ihrer Verwandten das Nest mit Stroh und Grashälmchen, Federn, Wolle und sonstigen weichen Stoffen aus. Das Weibchen brütet allein über den vier bis sechs dünnschaligen, weißen Eiern, bei günstigem Witterungsverlauf zwölf bis dreizehn Tage, bei ungünstigem etwas länger, weil es alsdann wegen der mangelhaften Fütterung von seiten des Männchens das Gelege verlassen und sich selbst auf die Jagd begeben muß. Die flügge gewordenen Jungen bleiben verhältnißmäßig lange im Neste; kommen die Eltern mit Speise zurück, so machen sich die älteren von der Brut zirpend an das Flugloch vor und die jüngeren müßten bei der Fütterung zu kurz kommen und bald verhungern, wenn die Alten nicht ein Einsehen hätten und sich in die Tiefe des Nestes zu ihnen drängten. Noch des Nachts hört man die Brut unruhig zirpen, und es ist nur zu verwundern, daß alt und jung in dem engen Raume überhaupt Platz findet. Manchmal giebt freilich auch die Nestwand nach, und die ganze Gesellschaft wird an die Luft gesetzt. Infolge dessen bemerkt man wohl da und dort ein noch nicht flugfähiges Schwälbchen, welches verlassen auf dem Bauche liegt, mühsam mit den Flügelchen sich stützt und sehnsüchtigen Blickes nach der Höhe um Hilfe schreit. Sind die Jungen ausgeflogen, so besuchen sie noch eine Zeitlang allabendlich ihre Geburtsstätte, bis es ihnen von den Eltern verwehrt wird, die zu einer zweiten, weniger fruchtbaren Brut schreiten. Die Atzung findet nunmehr in der Luft statt. Die alte und junge Schwalbe fliegen sich entgegen, steigen ein wenig voreinander in die Höhe, und unter Gezirp empfängt der Pflegling die Liebesgabe. Mitten unter großen Flügen erkennen alle Schwalbenpaare unfehlbar ihre eigenen Jungen.

Uferschwalben.

Ein merkwürdiges Beispiel von der Fürsorge eines alten Mehlschwalbenpaares für die Erhaltung seiner Jungen müssen wir noch erzählen. Das Nest der Familie war gesprengt worden, und die Jungen lagen halb flügge am Boden. Menschliche Hilfe bereitete den Kleinen einen bequemen Sitz auf einem am geborstenen Neste angebrachten Brette. Doch gerieth das eine und andere Schwälbchen infolge seiner Unruhe über den Rand hinaus, so daß es wieder hinabfiel. Da fingen plötzlich die Eltern an, Baumaterial herbeizutragen und um die noch auf dem Brette sitzenden jüngsten Kinder einen Kranz zu kitten, auf welchem sie alsdann weiter mauerten, bis eine genügende Wölbung hinlänglichen Schutz gegen das Hinabfallen bot. Es ist dies der erste Fall von einer derartigen Veranstaltung zum Schutze der Brut nach Zersprengung des ersten Nestes, welcher uns bekannt geworden ist.

Bewundernswürdig erscheint unter den Seglern der Lüfte die Uferschwalbe durch die Art, wie sie ihre Nisthöhlen bereitet. Diese sind nämlich mit Vorliebe und meist in großer Anzahl nebeneinander in die steilen Wände und Böschungen eines Flußufers, Hohlwegs oder dergleichen gegraben.

Bei oberflächlichem Blicke hält man es für unmöglich, daß das schmächtige Vögelchen eine solche Arbeit vollbringen kann, aber bei näherer Betrachtung erkennen wir in dem kurzen, harten, schneidig gekanteten und scharf zugespitzten Schnäbelchen sowie in den außerordentlich scharfkralligen Füßen die wirksamsten Werkzeuge zur Herstellung der tiefgehenden Höhlungen, welche nicht bloß in Lehm-, sondern sogar in Sandsteinwänden zu finden sind. Wir haben die kleinen Vögel in ihrer mühevollen Arbeit eingehend beobachtet und das Ergebniß unserer sorgfältigen Bemühungen in der Schilderung der Nestbaukunst der Vögel in unserem Werke „Thiere der Heimath“ niedergelegt. Das Schnäbelchen des kleinen Minierers vertritt die Stelle des Spitzhammers, die Füße dienen als natürliche Steigeisen; hin- und herrückend oder in kurz abgesetzten Bogenflügen sucht er nach einer passenden Stelle, die nicht zu locker und auch nicht zu fest ist für seinen Zweck; hier und da hackt der Schnabel versuchsweise in die Wand, bis endlich das richtige Plätzchen gefunden ist. Dann beginnt ein ganz eigenthümliches Verfahren: das Schwälbchen beschreibt mit dem Hinterleib und den Füßen einen Kreis um seinen Kopf, dessen Schnabel sich in die Wand bohrt.

Emsig und ausdauernd wird so weiter gegraben, nach allen Seiten springt das Material weg und in kurzer Zeit hat das scharfe Werkzeug eine runde Vertiefung geschaffen – das zukünftige Flugloch der Nisthöhle – in welcher das Thierchen festen Fuß fassen kann. Rasch fördert es die Arbeit, so daß es bald in der Wand verschwunden ist. Mit dem Fernrohr gewahrt man es nun bald seitlich, bald oben oder unten in der erweiterten Höhlung hängend, die es fortwährend im Kreise mit dem Schnabel bearbeitet. Der sich ansammelnde Schutt wird mit den Füßen herausgescharrt, größere Brocken schiebt der Vogelleib gemächlich nach dem Ausgang, um sie dann durch ein plötzliches Anstemmen über den Rand hinabzustoßen. So schafft sich der kleine Erdarbeiter allmählich ins Innere, indem er einen etwas schräg nach oben verlaufenden runden Gang herstellt, so daß eindringendes Regenwasser sogleich wieder abfließen kann. Das am höchsten liegende hintere Ende wird für das kunstlose, aus einer einfachen Unterlage von Genist und Federn bestehende Nest ausgehöhlt. Der Gang ist meist in gerader Richtung angelegt, bisweilen muß er sich aber auch um Steine oder Wurzeln herumwinden; er dringt gewöhnlich einen halben Meter, manchmal aber auch bis zu dreiviertel Meter tief in die Erde.

Die Wände, an welchen sich die kolonienweise nistenden Uferschwalben ansiedeln, erscheinen wie vielfach durchlöchert. Ueberall nimmt man Stellen wahr, wo Versuche, Anfänge zu Höhlungen gemacht worden sind, die aber wegen irgend eines Hindernisses, vielleicht auch aus Laune wieder aufgegeben wurden. Um sich vor den Wasserratten, den Wieseln etc. zu schützen, legen die vorsorglichen Vögel ihre Nestlöcher nie in der Tiefe an, sondern ungefähr von der Mitte der Wand an aufwärts bis zu einem [511] Meter von dem oberen Rande. Häufig sind die Wohnungen so dicht neben- und übereinander gelegen, daß nur eine Handbreite sie voneinander trennt. Die Kolonie bietet den Anblick eines äußerst bewegten, munteren Treibens. Unaufhörlich schaffen die fleißigen Gesellen, ganze Abtheilungen fliegen plötzlich ab, um ein Luftspiel vorzunehmen oder sich mit Nahrung zu versehen, andere Abtheilungen kehren zurück, um von neuem an die unterbrochene Arbeit zu gehen.

b.0 Segler.

Mauersegler.

Auf hohen steinernen Gebäuden, die mit geeigneten Mauerhöhlen und Ritzen versehen sind, liegt die Wohnung des Mauerseglers.

In Friedberg, dieser alten Festung, namentlich in dem Burgtheil, lernten wir als Knaben zuerst ihn kennen; dort war er Kamerad der Seminaristen an dem steinernen Seminargebäude und Hausgenosse der Familie des Thurmwächters an dem alten runden Thurme, sowie an der Stadtkirche. Vom ersten Mai an bis zum August umschwärmte er die hohen Gebäude und jagte mit solch gellendem Geschrei durch die Straßen, daß man seines Treibens oft müde ward. Am frühen Morgen schon folgte das Auge dem unvergleichlichen Segler, wenn er aus einer Mauerspalte hervorkam und in niedertauchendem Bogen gleichsam erst Luft fing, um seine Bewegungen im weiten Luftmeer, seinem wahren Lebenselement, zu beginnen. Hoch schwang sich bei hellem Himmel der mit außerordentlich langen, spitzen Schwingen ausgerüstete Vogel empor und schwebte dann wie ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln kreisend dahin.

Wie der Mauersegler in der Luft sich nährt, so vermeidet er es selbst beim Ansammeln der Baustoffe für sein Nest, sich auf den Boden niederzulassen; er greift das Nothwendige soviel wie möglich fliegend auf; wird er jedoch gezwungen, die Erde zu berühren, so zeigt er sich da gänzlich unfähig zum Sitzen, geschweige denn zum Gehen. Auf seine Schwingen gestützt, liegt er da und schnellt sich beim Aufschwung kräftig mit denselben empor. So macht er es auch, wenn er an Pfützen und seichten Ufern trinkt. Sein Gesicht ist scharf und die Größe seines Auges auffallend, während er im übrigen nicht als feinsinniges Thier bezeichnet werden kann. Sein Charakter drückt sich in stürmischem, unfriedlichem Wesen und in einer großen Stumpfheit gegenüber allem aus, was nicht in den einförmigen Bereich seines Wandels gehört. Oft geräth er mit seinem Nächsten in blutige Raufereien, die in der Luft ausgekämpft werden und manchmal tödliche Folgen haben, oder er stört in der herrschsüchtigsten Weise den häuslichen Frieden anderer Vogelarten, so z. B. der Sperlinge, wenn ihm ihre Höhle als Nistplatz zusagt. Unwillig schleudert er Eier und junge Sperlinge aus dem Neste, um sich selbst darin wohnlich einzurichten. Und seine Wohnung ist eben nichts anderes als eine Lage von buntem Allerlei in der Höhle. Der Geruch, der von ihr ausströmt, erregt Ekel, und sie dient vielem Ungeziefer zur Herberge. Anfang August aber, früher als die Schwalben, zieht auch er in die Fremde, dem warmen Süden zu.


  1. Vergl. Halbheft 11 dieses Jahrgangs.