Mit Oehmens Landschaft kam zugleich eine zweite von Richter hier an. Wir erkennen in diesem Bilde ein sehr großes Talent für dieses Kunstfach. Es ist eine Salzburger Gegend. Beeiste Gebirghäupter blicken in das tiefe Thal hernieder und senden klare Bäche herab, welche alles um sich her erquicken und beleben. Zunächst der unwirthbaren Eiskronen erheben Fichtenwälder ihre finstern Häupter, in den mildern Regionen wächst das Laubholz in reicher Fülle und die Thäler schmücken bunte Blumen. Aus dem Bilde weht uns die Frische einer klaren Gebirgluft an, welche erheitert und ermuthigt. Der Charakter in den Formen jener Urgebirge, die eigenthümliche Farbe hoher Gebirggegenden, die ewig wechselnden und doch nach einer Regel immer wiederkehrenden Formen in dem Wellenschlag der Wasserfälle, alles dies ist der Natur sinnvoll abgelauscht, nachgefühlt und dargestellt. Der Künstler verfiel nur in den Fehler großer junger Talente, welche noch keine Oeconomie in den Mitteln der Kunst beobachten, noch nichts aufopfern wollen um des Ganzen willen, zu überreich sind und alles gern darstellen möchten, und darum das Einzelne dem Ganzen nicht unterordnen. Es scheint dies Bild von oben herein gemalt zu seyn und so ist durch die Ferne schon der Vorgrund überboten. Auch müssen wir davor warnen, daß der Künstler nicht in eine Manier in die Form der Bäume fällt, welche im Mittelgrund zu massig werden.[1]
Professor D. Carus hat diese Ausstellung mit einigen Bildern bereichert, welche wegen der Eigenthümlichkeit der Wahl der Gegenstände Beachtung verdienen. Es fragt sich, ob da, wo fast alle Lebenswärme aufhört, alle Farben grauer werden, ja wenn die Luft ganz rein ist, sogar der Aether aus einem blauen in einen schwärzlichen Ton übergeht, nicht die Region der Malerei aufhört, die es doch mit lebendigen Formen und Farben zu thun hat. Eine so treue Darstellung der in der Nähe gesehenen Bergesgipfel ist, wie diese selbst, interessant, aber nicht malerisch, und es wäre zu beklagen, wenn es unter den Malern Mode würde, sich in die öden Gegenden zu versteigen. Zwei andere Bilder von Carus spielen in ein ganz anderes Gebiet der Künste hinüber, als die Malerei. Die bildende Kunst soll vergegenwärtigen. Daher sind alle Allegorien, welche nur einen Begriff oder wohl gar Lehrsatz andeuten, oder durch Association an etwas nicht vorhandenes erinnern, nicht als Werke der darstellenden Kunst, sondern als Kunstamphibien zu betrachten; sie gehören bald in die bildenden Künste, halb in die Poesie. Dieses Allegorisiren durch Bilder hat mit dem Mangel an Darstellungvermögen überhand genommen und man kann davor nicht genug warnen, weil die Menschen nur zu sehr geneigt sind zu Nothbehelfen ihre Zuflucht zu nehmen. Carus hat dies recht wohl gefühlt und daher das eine Bild Phantasie über Musik genannt. Die Musik muß aber durchaus gehört, ein Bildwerk gesehen werden und es läßt sich ein Gemälde nicht musiciren und ein Klang nicht malen. Haydn’s Schöpfung und Carus Musik mögen daher beide genial seyn, allein Verirrungen der Kunst bleiben es doch immer. Diese Musik ist durch eine Harfe, welche in einer gothischen Halle an einen Stuhl gelehnt steht, durch deren Saiten wir den Vollmond erblicken und nebenbei noch einige Glockenthürme sehen, angedeutet. Die gothischen Gebäude sind zu nachlässig gemacht, die Saiten zu dick und der Mond ist unverhältnißmäßig groß.
- ↑ Vergl. über Oehmen’s und Richter’s Landschaft den Brief aus Rom im Kunst-Blatt Nr. 71. B.
Karl August Böttiger und Johann Gottlob von Quandt: Die Dresdner Kunstausstellung (1824). Arnoldische Buchhandlung, Dresden 1824, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Artistisches_Notizenblatt_1824_Kunstausstellung_Dresden.djvu/9&oldid=- (Version vom 21.12.2024)