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Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/148

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der Gottmenschheit (und der Trinität) umfaßt. Höchstens der Schöpfungsgedanke kann daneben noch in Betracht kommen.

Ist dem so, dann ist es von durchschlagender Bedeutung, den Ursprung, den Sinn und den Wert jener Lehre richtig zu fassen. In ihrer Ausführung muß sie jeden, der von den Evangelien her an sie herantritt, ganz fremd anmuten. Dieser Eindruck kann auch durch keine geschichtliche Reflexion überwunden werden – der ganze Bau der kirchlichen Christologie steht außerhalb der konkreten Persönlichkeit Jesu Christi –; aber geschichtliche Erwägungen vermögen doch nicht nur ihren Ursprung zu erklären, sondern auch bis zu einem gewissen Grade die Formulierung selbst zu rechtfertigen. Versuchen wir es, uns die Hauptpunkte klar zu machen.

Wir haben in einer früheren Vorlesung gesehen, wie es dazu gekommen ist, daß sich die kirchlichen Lehrer den Begriff des Logos erwählten, um das Wesen und die Würde Christi sicher zu stellen. Da der Begriff „Messias“ für sie ganz unverständlich, also nichtssagend war, und da man Begriffe nicht zu improvisieren vermag, so hatten sie nur die Wahl, entweder sich Christus als vergotteten Menschen (also als Heros) vorzustellen oder sein Wesen nach dem Schema eines der griechischen Götter zu denken oder es mit dem Logos zu identifizieren. Die beiden ersten Möglichkeiten mußten abgelehnt werden, denn sie waren „heidnisch“ oder erschienen so. Es blieb also der Logos. Wie zweckmäßig diese Formel nach vielen Seiten war, haben wir bereits hervorgehoben – ließ sich doch auch der Begriff der Gottessohnschaft ungezwungen mit ihr vereinigen, ohne auf die anstößigen Theogonien zu führen, und der Monotheismus schien nicht gefährdet zu sein –, aber die Formel hatte auch ihre eigene Logik, und diese führte nicht zu Ergebnissen, die in jeder Hinsicht unbedenklich waren. Der Begriff des Logos war sehr verschiedener Ausprägung fähig; trotz seinem erhabenen Inhalt konnte er auch so gefaßt werden, daß sein Träger keineswegs wahrhaft göttlichen Wesens sei, sondern eine halbgöttliche Natur habe.

Die Frage nach der näheren Bestimmung der Natur des Logos-Christus hätte nun in der Kirche nicht die ungeheure Bedeutung erlangen können, die sie bekommen hat, und man hätte sich bei mannigfaltigen Spekulationen beruhigt, wenn nicht gleichzeitig eine sehr präzise Vorstellung von der Erlösung den Sieg gewonnen und eine peremptorische Forderung gestellt hätte. Unter allen den möglichen Erlösungsvorstellungen – Vergebung der Schuld, Erlösung

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/148&oldid=- (Version vom 30.6.2018)