aus der Macht der Dämonen u. s. w. – trat nämlich im 3. Jahrhundert diejenige souverän in der Kirche in den Vordergrund, welche die christliche Erlösung als Erlösung vom Tode und damit als Erhebung zu göttlichem Leben, also als Vergottung, faßte. Diese Vorstellung hat im Evangelium zwar einen sicheren Anhaltspunkt und in der paulinischen Theologie eine Stütze; in der Gestalt aber, in der sie nun ausgebildet wurde, ist sie ihnen fremd und ist griechisch gedacht: die Sterblichkeit an sich gilt als das größte Übel und als die Ursache aller Übel, der Güter höchstes aber ist, ewig zu leben. Wie streng griechisch das gemeint ist, geht daraus hervor, daß 1. die Erlösung vom Tode ganz realistisch als pharmakologischer Prozeß vorgestellt wurde – die göttliche Natur muß einströmen und muß die sterbliche Natur umbilden – und daß 2. ewiges Leben und Vergottung identifiziert wurden. Handelt es sich aber um einen realen Eingriff in die Konstitution der menschlichen Natur und um ihre Vergottung, so muß der Erlöser selbst Gott sein und Mensch werden. Nur unter dieser Bedingung ist die Thatsächlichkeit des wunderbaren Vorgangs vorstellbar. Wort, Lehre, einzelne Thaten vermögen hier nichts – oder kann man durch Anpredigen einem Steine Leben geben, einen Sterblichen unsterblich machen? –; nur wenn das Göttliche selbst leibhaftig in die Sterblichkeit eingeht, kann diese transformiert werden. Das Göttliche aber, d. h. ewiges Leben, und zwar so, daß er es zu übertragen vermag, hat nicht der Heros, sondern nur Gott selbst. Also muß der Logos Gott selbst sein, und er muß wahrhaft Mensch geworden sein. Ist diesen beiden Bedingungen genügt, dann ist die reale, naturhafte Erlösung, d. h. die Vergottung der Menschheit, wirklich gegeben. Von hier aus erklären sich die ungeheuren Streitigkeiten um die Natur des Logos-Christus, welche mehrere Jahrhunderte angefüllt haben. Von hier aus erklärt es sich, warum Athanasius für die Formel, der Logos-Christus sei eines Wesens mit dem Vater, so gestritten hat, als handle es sich um Sein oder Nichtsein der christlichen Religion. Von hier aus wird es deutlich, warum andere griechische Kirchenlehrer jede Gefährdung der vollen Einheit von Göttlichem und Menschlichem in dem Erlöser, jede Vorstellung einer bloß moralischen Verbindung wie eine Auflösung des Christentums betrachtet haben. Sie haben ihre Formeln durchgesetzt, die für sie nichts weniger als scholastische Begriffe waren, sondern Beschreibung und Sicherstellung eines That-
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/149&oldid=- (Version vom 30.6.2018)