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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16

mit leise zitternder und doch klarer Stimme und schaute dabei nach der Gruppe der Zeugen hin, wobei sein Blick unwillkürlich auf dem einzigen, ihm bekannten Gesicht, dem seines früheren Chefs, haften blieb. „Den aber, der den Mord auf dem Gewissen hat, wird der Himmel furchtbarer strafen als mich. Denn er ist ein doppelter Mörder!“

Das war zuviel für die erschöpften Nerven des Bankdirektors. Mit einem nicht mehr menschlichen Aufschrei stürzte er in Zuckungen sich windend zu Boden, brüllte immerfort: „Ich tat’s – ich tat’s ja! Schont ihn – nur keinen zweiten Mord, nur keinen zweiten Mord!“

***

Eine Stunde später trat der Staatsanwalt, noch ganz bleich vor innerer Erregung, zu Fritz Gumpert in die Zelle und überbrachte ihm die freudige Botschaft, daß Gruber soeben ein umfassendes Geständnis abgelegt habe.

„Ihre Unschuld ist jetzt klar erwiesen,“ sagte er herzlich und drückte dem Geretteten warm die Hand. „Gruber hatte an der Londoner Börse mit großem Verlust spekuliert und mußte sich schleunigst Geld beschaffen. Da er aber den Ruf seiner Bank durch die Aufnahme eines hohen Darlehens nicht gefährden konnte und auch keinen anderen Ausweg sah, erschlug er selbst nach Geschäftschluß den noch bei der Tagesabrechnung sitzenden Kassierer mit einem Totschläger, brachte seinen Raub in Sicherheit und machte dann Lärm, als ob er den Mord eben erst entdeckt hätte. Und da er gegen Diebstahl versichert war, mußte ihm die Versicherung, worauf er von vornherein gerechnet hatte, die von ihm selbst gestohlene Summe ersetzen, so daß er allen seinen

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Walther Kabel: Das Gewissen. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 11, S. 5–16. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Gewissen.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)