bereits hatte der neue Trug geherrscht; drüben im Weltteil seiner Entstehung war der einstige heiße Glaube an seine Kraft längst schon durch skeptische Zweifel erschüttert worden – hier aber, in einem Lande der Ideen zweiter Hand, hielt man noch am Glauben an ihn fest, stellte ihm von Jahr zu Jahr eine neue Frist, in der er der Menschheit das erwartete Glück bescheren sollte.
Zwar hatten sich die Verhältnisse wirklich in manchen äußeren Dingen gebessert. Es wurde nicht mehr von einer Seite des großen Platzes zur andern von den Anhängern zweier verschiedener Präsidenten geschossen, die Postkutschen wurden nicht mehr auf dem Wege von dem Hafenplatz zur Hauptstadt ausgeplündert, man konnte nachts in den Straßen gehen, ohne ermordet zu werden – weil es überhaupt im Lande nicht mehr einander bekriegende Parteien gab, weil vor dem elektrischen Licht die finsteren Winkel und Gassen verschwunden waren. Auch war das Land nicht mehr ein Objekt bloßer Ausbeutung für das Ausland, sondern es floß ihm im Gegenteil viel Geld von dort durch den wachsenden Verkehr zu. Aber diese Wandlungen waren nicht etwa Segnungen, die Don Antonios Göttin, die Freiheit, gebracht hatte. Freiheit hatte am allerwenigsten mit alledem zu tun. Es war, daß in das frühere Wirrnis unaufhörlicher Revolutionen eine starke Hand eingegriffen
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/069&oldid=- (Version vom 31.7.2018)