dort wollt’ ich den säumigen Gast verscheuchen, als ob ich ihn haßte – und im tiefsten Herzen hoffte ich doch –, ach! wie sehr –, daß er trotz allem nicht von mir lassen würde.
Und wirklich – einen Augenblick blieb er zaudernd stehen: Sollte sich Sehnsucht doch noch erfüllen? Schon wollt’ ich ihm weinend zu Füßen stürzen – da wandt’ er sich ab.
Das Glück floh mich für immer.«
Die Fremde schwieg. Lautlos still war es in der dämmrigen Halle. Die ferne Tempelglocke war verstummt. Draußen rührte sich kein Blatt an der Bäume Wipfel, die Pagodenglöckchen hingen unbeweglich, die wilden Tauben gurrten nicht mehr.
Doch durch das tiefe Schweigen klang nun die Stimme der anderen Frau: »Wie ist das nur möglich? Ich kann es nicht fassen, daß je einer von dir zu gehen vermochte, der gefühlt, daß du sein Bleiben ersehntest. Wer war es? Willst du’s mir nicht anvertrauen?«
Der Fragenden im Zwielicht verborgen, ging da plötzlich ein Zucken über die Züge der Fremden, und in ihren Augen lohte es unheimlich auf. Doch wie rasch ersticktes Züngeln drohenden Brandes versank alsobald die gefährliche Flamme. Mit erloschenem Blick hinstarrend, wo das Bildnis auf dem Schreibtisch der Freundin im zunehmenden Dunkel jetzt mehr und mehr verschwamm,
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/127&oldid=- (Version vom 31.7.2018)