„Gespenster, entgegnete Gotthard, sind abgeschiedene, ungeborne, mißgeborne, was weiß ich für unvollkommne Geister, die einen Leib, sei es einen menschlichen oder einen thatsächlichen entbehren und, ihn vermissend, entsetzlich viel Rumor machen, so daß ich wol behaupten darf von ihnen zu wissen; doch gesehen hab' ich keine.“
„Und nur das sind die ächten, die man sehen kann, denn vor unkörperlichen geistigen Gespenstern ist's ja unmöglich sich zu grauen, und Grauen und Gespenst gehören zusammen wie Sonne und Licht. Was die Geister Ihnen ins Ohr raunen, rührt mich wenig.“
„Ja, das weiß ich!“ sprach Gotthard trocken.
Antoinette konnte es ihm nicht vergeben, daß er auf halbem Wege in seiner Passion für sie stecken geblieben war. Ein Mann der immer zwischen Leidenschaft und Gleichgültigkeit schwankte, der immer auf dem Punkt schien ihr zu Füßen zu fallen und es absichtlich nie so weit brachte, war ihr höchst ärgerlich. Anfangs hatte sie berechnende Koketterie von seiner Seite darin gesehen; aber keinesweges! er war nur zu nachlässig! Das Gefühl riß ihn hin, die Überlegung hielt ihn fest; dazwischen schwankte er hin und her, nicht Einmal, sondern immer.
Er hatte einen Tag in Landeck bleiben wollen, er
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/073&oldid=- (Version vom 31.7.2018)