Seite:Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl.pdf/108

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

zu wissenschaftlichem Bewusstsein gekommen sei, indem Melanchthon die eigenthümlichen speculativen Momente, mit denen der deutsche Protestantismus ins Leben getreten war, wissenschaftlich erfasste, und zu Herstellung eines deutsch-evangelischen Lehrsystems weiter entwickelte. Und zu diesem System ist Melanchthon sehr früh gelangt, es findet sich in seinen Grundzügen schon in der Ausgabe seiner loci von 1521, und er hat es durch alle Zeit seines Lebens unwandelbar festgehalten. Die Grundzüge dieses Systems gibt nun auch Heppe in seiner „Geschichte des deutschen Protestantismus" (Bd. I. Absch. II, §. 3) und er behauptet, dass er das System in seiner „Dogmatik des deutschen Protestantismus im sechzehnten Jahrhundert“ (III Bde. 1857) dargelegt und mit den nöthigen Belegen aus Melanchthons Schriften begründet habe.

 Wäre nun unsere Absicht, eine Melanchthonische Theologie zu schreiben, so dürften wir uns der Aufgabe nicht entziehen, diesem von Heppe entworfenen System eine eingehende Prüfung zu widmen; da wir aber hier die Melanchthonische Doctrin nur für einen bestimmten Zweck ins Auge zu fassen haben, so werden wir dieser weitläufigen und nothwendig in die Breite gehenden Arbeit uns entschlagen dürfen, und für unseren Zweck wird folgendes ausreichen.

 Schon mit seiner Behauptung, dass Melanchthon ein in sich zusammenhängendes fest geschlossenes System gehabt habe, steht Heppe sehr allein.

 Melanchthons Biograph, C. Schmidt, sagt von ihm: „er war kein eigentlich speculativer Geist, sein Hauptinteresse war immer das Ethische, die Darstellung dessen, was zur Beförderung des Heilsbedürfnisses und des frommen Lebens gehört.“ Und Landerer[1] sagt gegen Heppe: „es ist im Interesse der geschichtlichen Wahrheit zu bemerken, dass Melanchthon gar nicht der aus dem Tiefen und Ganzen schöpfende systematische und speculative Geist war... Was ist speculativ, wenn es nicht das Bestreben ist, die höchsten und tiefsten Gegensätze mit den Gedanken und der denkenden Intuition zusammenzuknüpfen und


  1. Herzog’s Realencyclopädie Bd. IX.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/108&oldid=- (Version vom 1.10.2017)