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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

habe von einem vornehmen, ehrenwerthen Mann, der viel um Melanchthon gewesen, gehört, dass Melanchthon erst aus dieser Confession die Abendmahlssache recht und gründlich verstanden, oder doch von der Zeit an recht angefangen sich zu den Zwinglischen zu neigen, so dass er nie wider sie reden oder schreiben wollte, wie heftig auch unruhige Leute ihm zusetzten.“[1] Es stellte sich dann in Bälde unbestreitbar heraus, was eben Westphal um diese Zeit schon wusste, dass Melanchthon keineswegs allein stand mit seinem Gefallen am consensus. Das mochten und mögen die als ein erfreuliches Ereigniss betrachten, welche im consensus die rechte Abendmahlslehre finden, diejenigen aber, welche der Ueberzeugung waren, dass die jetzt in den reformirten Kreisen cursirende Abendmahlslehre nicht wesentlich verschieden sei von der Zwinglischen, mussten die Sache anders ansehen. Diesen musste der consensus um so gefährlicher erscheinen, als er durch die vielfach gleichlautenden Ausdrücke, in welche die Lehre gefasst war, leicht täuschen und die Arglosen und Unerfahrenen berücken konnte. Da nun Westphal zu den Theologen gehörte, welche der Ueberzeugung waren, dass der Gegensatz zwischen der lutherischen und der reformirten Lehre im wesentlichen noch der gleiche sei, wie früher, so war es von seinem Standpunkt aus ganz richtig, wenn er von der Wahrnehmung, dass der consensus Tigurinus auch in der lutherischen Kirche Beifall finde, Anlass zu der Klage nahm, der Sacramentarismus dringe jetzt auch in die lutherische Kirche ein. Es war jetzt gerade die Zeit gekommen, in der man auf die Gefahr aufmerksam zu machen hatte, und wenn nun Westphal das that, konnte und durfte es ihm als eine Pflicht erscheinen, der er sich der lutherischen Kirche gegenüber zu entledigen habe.

 Unter diesen Umständen war es gewiss eine thörichte Frage, welche Pezel im Jahr 1596 aufwarf, was es denn den Westphal anging, den Sacramentsstreit wieder zu erneuern, da Calvin in Savoien, Westphal aber in Niedersachsen war?

 Wir wollen, bevor wir den Streit, der sich jetzt erhob, selbst


  1. Bei Pestalozzi p. 387.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.10.2017)